Bauverbot im Sommer bleibt weiter ein heißes Streitthema
Stadtrat Der Vorstoß des FW-Fraktionssprechers sorgt für eine emotionale Diskussion über ein Thema, das in Bad Wörishofen für viele von grundlegender Bedeutung ist
Bad Wörishofen Das faktische Bauverbot in Bad Wörishofen in den Sommermonaten ist ein heißes Eisen. Das wurde im Stadtrat erneut deutlich, wo ein Antrag des FWFraktionsvorsitzenden Wolfgang Hützler diskutiert wurde. Hützler möchte den Baustopp heuer gerne aussetzen, damit in und nach der Corona-Krise Arbeiten schnell wieder beginnen können. Man müsse dieses Thema emotionslos diskutieren, betonte Hützler in der Sitzung im Kursaal. In Bad Wörishofen sei das aber „mitunter etwas kompliziert“.
Dass es eher emotional als emotionslos zugehen wird, zeigten schon die öffentlichen Wortmeldungen vor der Sitzung. Auch der amtierende und zukünftige Bürgermeister Stefan Welzel (CSU) berichtete von „mit Emotionen beladenen Briefen“, die er deshalb erhalten habe und äußerte Verständnis für die Situation der Absender. Man müsse deshalb nicht emotionslos, aber sachorientiert über die Angelegenheit befinden, empfahl er. In Bad Wörishofen sei zudem eine ganzheitliche Betrachtung nötig.
Hützler sagte in der Sitzung, mit seinem Antrag könnte die Arbeit in der Baubranche schnell wieder aufgenommen werden. Zudem hätten sich die Gästeankünfte in Bad Wörishofen in den vergangenen Jahren verschoben, mit dem Effekt, dass durch das Bauverbot mittlerweile „die eine Hälfte der Gäste im Sommer bevorzugt und die andere Hälfte im Winter benachteiligt werde“. Hützler erinnerte daran, dass er 2016 schon einmal das Bauverbot öffentlich in Frage gestellt hatte. Stefan Welzel kündigte einen Kompromissvorschlag der Verwaltung an, den Ordnungsamtsleiter Jan Madsack vorstellte.
Er will mit Einzelfallentscheidungen und Ausnahmegenehmigungen arbeiten. Schon jetzt agiert die Stadtverwaltung auf eine ähnliche Weise und gewährt immer wieder Ausnahmen vom faktischen Bauverbot, das sich auf die strenge Bad Wörishofer Lärmschutzverordnung gründet.
Madsack berichtete dem Rat, dass die Corona-Krise für Lieferengpässe in der Bauwirtschaft gesorgt habe. Das treffe auch Firmen, die derzeit eine Baustelle in Bad Wörishofen betreiben und eigentlich bis zum 30. April fertig werden oder den Bau praktisch einstellen müssen. Ab Mai gilt das faktische Bauverbot. Die Lieferengpässe machten dies einigen Unternehmen aber unmöglich. Deshalb hat die Stadt bereits jetzt Ausnahmegenehmigungen bis zum 12. Juni erteilt. So lange dürfen diese Firmen in Bad Wörishofen weiterbauen. Madsack nannte den Neubau eines Mehrfamilienhauses an der Kathreinerstraße, den Neubau der Eichwald-Terrassen, den Neubau eines Mehrfamilienhauses an der Viktoriastraße, den Neubau eines Mehrfamilienhauses an Eichwaldstraße und Hahnenfeldstraße, den Neubau eines Mehrfamilienhauses an der Hartenthaler Straße und den Neubau eines Mehrfamilienhauses an der Hahnenfeldstraße. Für sie alle gilt nun die Ausnahmeregelung bis zum 12. Juni. Alle Großbaustellen im Stadtkern sind darunter.
Mit diesen Ausnahmen will Madsack weiterhin arbeiten. Von einer kompletten Aussetzung des Bauverbots, das bis zum 15. Oktober gilt, rät er ab. Mit Einzelfallregelungen könne die Lage in der Corona-Krise besser berücksichtigt werden. „Wir sollten die Hoteliers in Bad Wörishofen auch nicht vor den Kopf stoßen, wenn sie wieder aufmachen dürfen“, sagte Madsack. Hier hakte auch Marion Böhmer-Kistler (CSU) ein. „Wenn nach der Krise wieder Gäste kommen, müssen die Hoteliers auch eine Chance bekommen“, sagte sie. Hützlers Vorschlag zu beschließen, wäre deshalb „der Todesstoß“. Grundsätzlich halte sie Baulärm im Winter für weniger störend als im Sommer, weil weniger draußen stattfinde und die Menschen die Fenster eher geschlossen hielten. Für Anwohner müsse auch deutlich werden, dass es mit Baulärm auch einmal wieder vorbei ist, denn andernfalls werde man in Bad Wörishofen „Baustellen non stop“haben. Auch Baureferent Wilfried Schreiber (FW) ist gegen eine Aussetzung. Er habe volles Verständnis für die derzeitige Situation am Bau. „Die betroffenen Bauunternehmen, die fast allesamt selbst Bauträger dieser Bauvorhaben sind, sollten jedoch bedenken, dass sie nicht nur die Leidtragenden der städtischen Immissionsschutzverordnung sind, sondern auch stark davon profitieren“, sagte er. „Denn die Klientel, die diese noch im Bau befindlichen hochpreisigen Wohnungen kauft oder bereits gekauft hat, legt in der Regel gerade auf den Kurortcharakter größten Wert und bezahlt dafür.“
Schreiber hofft, dass inländische Tourismusziele wie Bad Wörishofen in der Corona-Krise eher genutzt werden. Er könne deshalb nur einer Ausnahmeregelung bis zum 12. Juni zustimmen. Alles andere wäre „fatal“, so Schreiber. Ganz anders bewertet die Lage Sozialreferentin Ilse Erhard (CSU). „Ich würde der Aussetzung sofort zustimmen“, sagte sie. SPD-Fraktionssprecher Stefan Ibel dagegen nannte den Baulärm als größten Grund für Reisereklamationen. Hützlers Vorschlag diene dem Schutz der Bauwirtschaft. „Da stellen sich mir die Haare auf“, sagte Ibel. Man fördere so Betriebe, die oft nicht einmal in Bad Wörishofen angesiedelt seien. Auch Ibel glaubt, dass sich die Menschen in der Corona-Krise ein Urlaubsziel in Deutschland suchen werden. „Und in Bad Wörishofen finden sie dann Staub und Dreck?“, fragte er.
Hützler wiederum fragte Ibel, was dieser in seinen über 30 Jahren im Stadtrat angesichts stetig sinkender Übernachtungszahlen unternommen habe. Die Bauwirtschaft sei einer der Hauptwirtschaftszweige in Bad Wörishofen. Und im Tourismus habe man noch „Super-Betriebe“, die auch nach der CoronaKrise nicht um ihre Existenz bangen müssten.
„Fragen sie diese Super-Betriebe mal, was sie von Ihrem Vorschlag halten“, sagte dazu Stadtentwicklungsreferent Daniel Pflügl (Grüne). Man dürfe jetzt nicht Wirtschaftszweige gegeneinander ausspielen.
Dass sich die Übernachtungszahlen trotz des Bauverbots „seit 25 Jahren im linearen Sinkflug“befänden, stellte Wirtschaftsreferent Alwin Götzfried (FW-Fraktion) fest. Andere Gemeinden ohne Bauverbot stünden besser da. Man müsse die Angelegenheit von beiden Seiten betrachten, nicht „immer nur durch die Brille der Hoteliers“, stellte Götzfried fest.
Als er daran erinnerte, dass ja die Hoteliers aus der gemeinsamen Stadtmarketing Gesellschaft mit der Stadt ausgetreten seien und auf das damalige Prozedere einging, handelte er sich scharfe Kritik von Christian Förch (CSU) ein, selbst Hotelier und damals Aufsichtsratschef der Stadtmarketing GmbH. „So viel Unwahrheiten wie in diesem Statement habe ich in sechs Jahren im Stadtrat nicht gehört“, beschied er Götzfried, der dies zurückwies. Die GmbH sei ja auf Initiative der Hoteliers gegründet und dann offiziell wegen Problemen mit dem Europarecht aufgelöst worden. Der damalige Bürgermeister habe auch kein großes Interesse an ihrem Erhalt gezeigt, so Förch.
Auch die Hoteliers wüssten, dass die Lärmschutzverordnung reformiert werden müsse. Er selbst habe sogar versucht, dies zu beantragen, so Förch. Auf die Tagesordnung sei das aber gar nicht gekommen. „Wir müssen ein vernünftiges Management führen und uns nicht dauernd selber schlechtreden“, sagte Förch.
Dass man auf dem richtigen Weg sei, sagte Stefan Welzel. „Wir haben auch immer sehr sorgsam abgewogen.“Für die Zukunft könne man über eine Reform reden, sagte Finanzreferentin Michaela BahleSchmid (CSU).
Das sei ein Thema für eine Klausurtagung des neuen Stadtrates. Aber in der Corona-Krise müsse man das „zarte Pflänzchen“Tourismus, das schon Daniel Pflügl so genannt hatte, gut schützen. „Ich glaube nicht, dass eine andere Branche derart hart getroffen wird“, sagte Bahle-Schmid.
Gerade jetzt müsse man für ein „unterstützendes Umfeld“sorgen, sagte auch Grünen-Sprecherin Doris Hofer. Auch sie plädierte für den Vorschlag der Verwaltung – wie am Ende auch Wolfgang Hützler, der von Beginn an gesagt hatte, er werde auch eine Kompromisslösung akzeptieren. Der Beschluss fiel gegen zwei Stimmen.
„Da stellen sich mir die Haare auf“ Stefan Ibel (SPD) zum Vorschlag, den Baustopp in diesem Sommer auszusetzen