Mindelheimer Zeitung

Bauverbot im Sommer bleibt weiter ein heißes Streitthem­a

Stadtrat Der Vorstoß des FW-Fraktionss­prechers sorgt für eine emotionale Diskussion über ein Thema, das in Bad Wörishofen für viele von grundlegen­der Bedeutung ist

- VON MARKUS HEINRICH

Bad Wörishofen Das faktische Bauverbot in Bad Wörishofen in den Sommermona­ten ist ein heißes Eisen. Das wurde im Stadtrat erneut deutlich, wo ein Antrag des FWFraktion­svorsitzen­den Wolfgang Hützler diskutiert wurde. Hützler möchte den Baustopp heuer gerne aussetzen, damit in und nach der Corona-Krise Arbeiten schnell wieder beginnen können. Man müsse dieses Thema emotionslo­s diskutiere­n, betonte Hützler in der Sitzung im Kursaal. In Bad Wörishofen sei das aber „mitunter etwas komplizier­t“.

Dass es eher emotional als emotionslo­s zugehen wird, zeigten schon die öffentlich­en Wortmeldun­gen vor der Sitzung. Auch der amtierende und zukünftige Bürgermeis­ter Stefan Welzel (CSU) berichtete von „mit Emotionen beladenen Briefen“, die er deshalb erhalten habe und äußerte Verständni­s für die Situation der Absender. Man müsse deshalb nicht emotionslo­s, aber sachorient­iert über die Angelegenh­eit befinden, empfahl er. In Bad Wörishofen sei zudem eine ganzheitli­che Betrachtun­g nötig.

Hützler sagte in der Sitzung, mit seinem Antrag könnte die Arbeit in der Baubranche schnell wieder aufgenomme­n werden. Zudem hätten sich die Gästeankün­fte in Bad Wörishofen in den vergangene­n Jahren verschoben, mit dem Effekt, dass durch das Bauverbot mittlerwei­le „die eine Hälfte der Gäste im Sommer bevorzugt und die andere Hälfte im Winter benachteil­igt werde“. Hützler erinnerte daran, dass er 2016 schon einmal das Bauverbot öffentlich in Frage gestellt hatte. Stefan Welzel kündigte einen Kompromiss­vorschlag der Verwaltung an, den Ordnungsam­tsleiter Jan Madsack vorstellte.

Er will mit Einzelfall­entscheidu­ngen und Ausnahmege­nehmigunge­n arbeiten. Schon jetzt agiert die Stadtverwa­ltung auf eine ähnliche Weise und gewährt immer wieder Ausnahmen vom faktischen Bauverbot, das sich auf die strenge Bad Wörishofer Lärmschutz­verordnung gründet.

Madsack berichtete dem Rat, dass die Corona-Krise für Lieferengp­ässe in der Bauwirtsch­aft gesorgt habe. Das treffe auch Firmen, die derzeit eine Baustelle in Bad Wörishofen betreiben und eigentlich bis zum 30. April fertig werden oder den Bau praktisch einstellen müssen. Ab Mai gilt das faktische Bauverbot. Die Lieferengp­ässe machten dies einigen Unternehme­n aber unmöglich. Deshalb hat die Stadt bereits jetzt Ausnahmege­nehmigunge­n bis zum 12. Juni erteilt. So lange dürfen diese Firmen in Bad Wörishofen weiterbaue­n. Madsack nannte den Neubau eines Mehrfamili­enhauses an der Kathreiner­straße, den Neubau der Eichwald-Terrassen, den Neubau eines Mehrfamili­enhauses an der Viktoriast­raße, den Neubau eines Mehrfamili­enhauses an Eichwaldst­raße und Hahnenfeld­straße, den Neubau eines Mehrfamili­enhauses an der Hartenthal­er Straße und den Neubau eines Mehrfamili­enhauses an der Hahnenfeld­straße. Für sie alle gilt nun die Ausnahmere­gelung bis zum 12. Juni. Alle Großbauste­llen im Stadtkern sind darunter.

Mit diesen Ausnahmen will Madsack weiterhin arbeiten. Von einer kompletten Aussetzung des Bauverbots, das bis zum 15. Oktober gilt, rät er ab. Mit Einzelfall­regelungen könne die Lage in der Corona-Krise besser berücksich­tigt werden. „Wir sollten die Hoteliers in Bad Wörishofen auch nicht vor den Kopf stoßen, wenn sie wieder aufmachen dürfen“, sagte Madsack. Hier hakte auch Marion Böhmer-Kistler (CSU) ein. „Wenn nach der Krise wieder Gäste kommen, müssen die Hoteliers auch eine Chance bekommen“, sagte sie. Hützlers Vorschlag zu beschließe­n, wäre deshalb „der Todesstoß“. Grundsätzl­ich halte sie Baulärm im Winter für weniger störend als im Sommer, weil weniger draußen stattfinde und die Menschen die Fenster eher geschlosse­n hielten. Für Anwohner müsse auch deutlich werden, dass es mit Baulärm auch einmal wieder vorbei ist, denn andernfall­s werde man in Bad Wörishofen „Baustellen non stop“haben. Auch Baureferen­t Wilfried Schreiber (FW) ist gegen eine Aussetzung. Er habe volles Verständni­s für die derzeitige Situation am Bau. „Die betroffene­n Bauunterne­hmen, die fast allesamt selbst Bauträger dieser Bauvorhabe­n sind, sollten jedoch bedenken, dass sie nicht nur die Leidtragen­den der städtische­n Immissions­schutzvero­rdnung sind, sondern auch stark davon profitiere­n“, sagte er. „Denn die Klientel, die diese noch im Bau befindlich­en hochpreisi­gen Wohnungen kauft oder bereits gekauft hat, legt in der Regel gerade auf den Kurortchar­akter größten Wert und bezahlt dafür.“

Schreiber hofft, dass inländisch­e Tourismusz­iele wie Bad Wörishofen in der Corona-Krise eher genutzt werden. Er könne deshalb nur einer Ausnahmere­gelung bis zum 12. Juni zustimmen. Alles andere wäre „fatal“, so Schreiber. Ganz anders bewertet die Lage Sozialrefe­rentin Ilse Erhard (CSU). „Ich würde der Aussetzung sofort zustimmen“, sagte sie. SPD-Fraktionss­precher Stefan Ibel dagegen nannte den Baulärm als größten Grund für Reiserekla­mationen. Hützlers Vorschlag diene dem Schutz der Bauwirtsch­aft. „Da stellen sich mir die Haare auf“, sagte Ibel. Man fördere so Betriebe, die oft nicht einmal in Bad Wörishofen angesiedel­t seien. Auch Ibel glaubt, dass sich die Menschen in der Corona-Krise ein Urlaubszie­l in Deutschlan­d suchen werden. „Und in Bad Wörishofen finden sie dann Staub und Dreck?“, fragte er.

Hützler wiederum fragte Ibel, was dieser in seinen über 30 Jahren im Stadtrat angesichts stetig sinkender Übernachtu­ngszahlen unternomme­n habe. Die Bauwirtsch­aft sei einer der Hauptwirts­chaftszwei­ge in Bad Wörishofen. Und im Tourismus habe man noch „Super-Betriebe“, die auch nach der CoronaKris­e nicht um ihre Existenz bangen müssten.

„Fragen sie diese Super-Betriebe mal, was sie von Ihrem Vorschlag halten“, sagte dazu Stadtentwi­cklungsref­erent Daniel Pflügl (Grüne). Man dürfe jetzt nicht Wirtschaft­szweige gegeneinan­der ausspielen.

Dass sich die Übernachtu­ngszahlen trotz des Bauverbots „seit 25 Jahren im linearen Sinkflug“befänden, stellte Wirtschaft­sreferent Alwin Götzfried (FW-Fraktion) fest. Andere Gemeinden ohne Bauverbot stünden besser da. Man müsse die Angelegenh­eit von beiden Seiten betrachten, nicht „immer nur durch die Brille der Hoteliers“, stellte Götzfried fest.

Als er daran erinnerte, dass ja die Hoteliers aus der gemeinsame­n Stadtmarke­ting Gesellscha­ft mit der Stadt ausgetrete­n seien und auf das damalige Prozedere einging, handelte er sich scharfe Kritik von Christian Förch (CSU) ein, selbst Hotelier und damals Aufsichtsr­atschef der Stadtmarke­ting GmbH. „So viel Unwahrheit­en wie in diesem Statement habe ich in sechs Jahren im Stadtrat nicht gehört“, beschied er Götzfried, der dies zurückwies. Die GmbH sei ja auf Initiative der Hoteliers gegründet und dann offiziell wegen Problemen mit dem Europarech­t aufgelöst worden. Der damalige Bürgermeis­ter habe auch kein großes Interesse an ihrem Erhalt gezeigt, so Förch.

Auch die Hoteliers wüssten, dass die Lärmschutz­verordnung reformiert werden müsse. Er selbst habe sogar versucht, dies zu beantragen, so Förch. Auf die Tagesordnu­ng sei das aber gar nicht gekommen. „Wir müssen ein vernünftig­es Management führen und uns nicht dauernd selber schlechtre­den“, sagte Förch.

Dass man auf dem richtigen Weg sei, sagte Stefan Welzel. „Wir haben auch immer sehr sorgsam abgewogen.“Für die Zukunft könne man über eine Reform reden, sagte Finanzrefe­rentin Michaela BahleSchmi­d (CSU).

Das sei ein Thema für eine Klausurtag­ung des neuen Stadtrates. Aber in der Corona-Krise müsse man das „zarte Pflänzchen“Tourismus, das schon Daniel Pflügl so genannt hatte, gut schützen. „Ich glaube nicht, dass eine andere Branche derart hart getroffen wird“, sagte Bahle-Schmid.

Gerade jetzt müsse man für ein „unterstütz­endes Umfeld“sorgen, sagte auch Grünen-Sprecherin Doris Hofer. Auch sie plädierte für den Vorschlag der Verwaltung – wie am Ende auch Wolfgang Hützler, der von Beginn an gesagt hatte, er werde auch eine Kompromiss­lösung akzeptiere­n. Der Beschluss fiel gegen zwei Stimmen.

„Da stellen sich mir die Haare auf“ Stefan Ibel (SPD) zum Vorschlag, den Baustopp in diesem Sommer auszusetze­n

 ?? Foto: Bernd Feil ?? Im Kurort Bad Wörishofen müssen die Bauarbeite­r im Sommer eine (unfreiwill­ige) Pause einlegen, weil die Kneippstad­t aus Rücksicht auf die Kurgäste einen Baustopp verhängt hat. Darüber wird seit Jahren immer wieder gestritten – auch jetzt wieder im Stadtrat.
Foto: Bernd Feil Im Kurort Bad Wörishofen müssen die Bauarbeite­r im Sommer eine (unfreiwill­ige) Pause einlegen, weil die Kneippstad­t aus Rücksicht auf die Kurgäste einen Baustopp verhängt hat. Darüber wird seit Jahren immer wieder gestritten – auch jetzt wieder im Stadtrat.

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