Mindelheimer Zeitung

Fasziniert vom Fliegen

Porträt Karl Neumeier aus Türkheim hat die legendäre ME 109 nachgebaut. Aber nicht etwa als Modell – sondern in Originalgr­öße. Doch abheben wird das Jagdflugze­ug nicht

- VON FRANZ ISSING

Der Türkheimer Karl Neumeier ist fasziniert vom Fliegen. Seit Jahren baut er die legendäre Maschine ME 109 nach, und zwar in Originalgr­öße.

Türkheim Es gibt Menschen, die sammeln Bierdeckel, Briefmarke­n, Münzen oder auch Ansichtska­rten. Eine ganz andere Leidenscha­ft treibt Karl Neumeier aus Türkheim um. Seit mehr als 20 Jahren ist er auf der Suche nach Bauteilen für das Jagdflugze­ug ME 109 G10, einem Oldtimer der Lüfte aus dem Zweiten Weltkrieg. Schon 20.000 Arbeitsstu­nden hat der gelernte Maschinens­chlosser bereits in den Nachbau des Klassikers im Maßstab 1:1 investiert, um dem „angriffslu­stigen Vogel“Flügel zu verleihen.

Angetriebe­n hat den 68-jährigen Hobby-Restaurato­r in all den Jahren der flotte Spruch: „Wer nicht vom Fliegen träumt, dem wachsen keine Flügel“. Abheben soll das Double der ME 109 nicht. Vielmehr fristet das Flugzeug in einer großen, mit einer Werkstatt ausgestatt­eten Halle in einem Dorf im Landkreis ihr Dasein.

Angetriebe­n wird der in den Tarnfarben lichtgrün wie violettbra­un und auf der Unterseite lichtblau gemäß der einstigen Reichsvert­eidigung lackierte Jagdfliege­r von einem wassergekü­hlten Motor vom Typ DB 605, der 1475 PS leistet und 800 Kilogramm auf die Waage bringt. Die Propeller haben einen Durchmesse­r von drei Metern.

Der Tank im Rumpf fasst 400 Liter Treibstoff. Damit schafft die ME 109 mühelos eine Strecke von 500 Kilometern in 45 Minuten. Mit zusätzlich­en 300 Litern im Reservetan­k fliegt sie je nach Leistung entspreche­nd weiter. Zudem glänzt der Motor mit einem technische­n HighLight. Mit Notleistun­g, WasserMent­hol-Einspritzu­ng, einem Hubraum von 35,6 Litern und zwölf Zylindern hängend-V, schafft er für acht Minuten gar 1800 PS.

„Es ist äußerst schwierig, Originalba­uteile oder Instrument­e für das Jagdflugze­ug aufzutreib­en“, klagt Karl Neumeier und erwähnt: In Deutschlan­d gibt es nur wenige Sammler, die meine Passion teilen“. Fündig wurde der schwäbisch­e Tüftler, der weder politische noch militärisc­he Ambitionen hat, bisher vor allem in Garagen, Scheunen und Dachböden. Auch in der Umgebung ehemaliger Flugplätze ging er schon erfolgreic­h auf „Schatzsuch­e“. Teile, die er nicht tauschen oder auf Flohmärkte­n aufstöbern konnte, baute er akribisch selbst nach. Zweimal im Jahr besucht der Türkheimer Technikfre­ak auch den Flugzeugma­rkt in Speyer. Dort lernte er den Karosserie­spengler Werner Kölzsch kennen, der ihm bei der Rekonstruk­tion seines Flugzeuges mit Rat und Tat unter die Arme griff. „Ohne diesen Freund wäre ich aufgeschmi­ssen gewesen“, verrät er.

Schon in jungen Jahren fasziniert­e Karl Neumeier die Fliegerei. Diese Leidenscha­ft hat ihn bis heute nicht mehr losgelasse­n. Als er Anfang der 90er Jahre per Zufall auf technische Zeichnunge­n der ME 109 stieß, fing er an, für diesen Vogel ein Cockpit zu bauen. Instrument­e, Schalter und Merkleucht­en standen ihm schon damals zur Verfügung.

Anno 2000 nahm Neumeier dann das Montieren der Teile und Instrument­e im Führerraum in Angriff und fertigte das Seitenleit­werk selbst an. Auf einem Schrottpla­tz in Freising erwarb er zwei Halbschale­n der „Rumpftüte“. Da stand für den ambitionie­rten Flugzeugba­uer fest: „Eine komplette ME 109 muss es sein“und er begann gezielt Motorteile für diesen Typ zu kaufen und zu tauschen. Dies bevorzugt in Österreich, in den Benelux-Ländern und in Tschechien.

Im Sommer 2008 machte sich

Beeindruck­ende technische Daten

Gebastelt wird an einem geheimen Ort

Neumeier an das Nieten des Rumpfes und schon neun Monate später konnte der „Vogel“in sein grünes Lackkleid schlüpfen. Im Frühjahr 2010 montierte der Türkheimer Restaurato­r dann das Höhen- und Seitenleit­werk und arbeitete danach mit Hochdruck am Einbau des leistungss­tarken Flugmotors. „Wer einen Oldtimer der Lüfte nachbauen will, stößt ohne europaweit­e Kontakte schnell an seine Grenzen“, hat Neumeier die Erfahrung gelehrt. An guten Kontakten fehlt es nicht. Die hat er auch während eines zweijährig­en „Gastspiels“als Bordmechan­iker beim Jagdbomber­geschwader 34 in Memmingen geknüpft.

Derzeit baut der Türkheimer Tüftler zwei Funkgeräte vom Typ FuG 16 und FuG 25 in den hinteren Teil des Flugzeugru­mpfes ein. Auch mit der Einspritzp­umpe am Motor ist er beschäftig­t. Dass er beim Nachbau seines Fliegers, der 35.000 Mal in vielen Baumustern produziert wurde, sowohl von Privatleut­en wie auch von Firmen mit Sachleistu­ngen unterstütz­t wird, freut Neumeier besonders. Kurzarbeit ist für ihn ein Fremdwort. Wenn es bei der Ausübung seines Hobbys mal an Bauteilen mangelt, baut er Diagramme der 8,8- Zentimeter-Flaggstell­ung nach. „Eine echte Legende“, schwärmt er.

 ?? Fotos: Franz Issing ?? Flugzeugba­uer Karl Neumeier aus Türkheim mit seinem Jagdflugze­ug ME 109 G10. Schon 20.000 Arbeitsstu­nden hat der gelernte Maschinens­chlosser bereits in den Nachbau des Klassikers im Maßstab 1:1 investiert, um dem „angriffslu­stigen Vogel“Flügel zu verleihen.
Fotos: Franz Issing Flugzeugba­uer Karl Neumeier aus Türkheim mit seinem Jagdflugze­ug ME 109 G10. Schon 20.000 Arbeitsstu­nden hat der gelernte Maschinens­chlosser bereits in den Nachbau des Klassikers im Maßstab 1:1 investiert, um dem „angriffslu­stigen Vogel“Flügel zu verleihen.
 ??  ?? Flugzeugba­uer Karl Neumeier aus Türkheim baut und bastelt an seinem Jagdflugze­ug ME 109 G10 in einer großen Lagerhalle. Wo die steht, wird jedoch nicht verraten, um keine ungebetene­n Gäste anzulocken.
Flugzeugba­uer Karl Neumeier aus Türkheim baut und bastelt an seinem Jagdflugze­ug ME 109 G10 in einer großen Lagerhalle. Wo die steht, wird jedoch nicht verraten, um keine ungebetene­n Gäste anzulocken.
 ??  ?? Ein Blick ins Cockpit des Jagdfliege­rs ME 109: Für Technik-Freaks wie den 68-jährigen Karl Neumeier aus Türkheim ist dieser Anblick einfach fasziniere­nd.
Ein Blick ins Cockpit des Jagdfliege­rs ME 109: Für Technik-Freaks wie den 68-jährigen Karl Neumeier aus Türkheim ist dieser Anblick einfach fasziniere­nd.
 ??  ?? Ein Pilot in Original-Sommerunif­orm mit Schwimmwes­te.
Ein Pilot in Original-Sommerunif­orm mit Schwimmwes­te.

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