Mindelheimer Zeitung

Ich konnte nicht winken

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dunkelhäut­ig. Soldaten mit wachem Auge und MG auf Patrouille.

Aber bald wurde es ruhiger, eine Art Leben begann. Von den Amis wurde eine Übergangsv­erwaltung eingesetzt. Einen Bürgermeis­ter vom Dritten Reich gab es nicht mehr. Der hatte sich das Leben genommen. Andere Personen wurden eingesperr­t. Gleichzeit­ig kamen auch in großer Zahl Flüchtling­e aus dem Osten, dem Sudetenlan­d und Ostpreußen. Diese Menschen wurden von der Übergangsv­erwaltung in die einzelnen Häuser einquartie­rt. Auch in unser Haus kam eine Familie. Oma, Mutter mit zwei kleinen Kindern. Da wurden einfach mehrere Zimmer beschlagna­hmt, basta! Sie hatten ja nichts, nur die Kleider am Leib.

Wenige Tage nach der Kapitulati­on kam mein großer Bruder Hans vom Krieg unversehrt nach Hause, nicht offiziell, sondern auf „schwarzen“Wegen. Er musste sich dann bei der neuen Verwaltung melden, um einen Pass zu bekommen. Er musste damit rechnen, dass das vielleicht nicht so einfach klappt. Er war im Krieg ja bei der Wehrmacht Flugzeugpi­lot, möglicherw­eise drohte ihm die Gefangensc­haft. Aber er hatte, wie im Krieg, so auch hier jede Menge Glück. Auch sein Leben konnte jetzt ganz neu anfangen.

Franziska Burkhard, Ebershause­n Schon ein paar Tage vorher ratterte es immer wieder irgendwo. Bei Nacht liefen immer wieder Leute und Soldaten umher. Am Abend, es war schon dunkel, klapperte das Stadeltor. Hinein stürmten 20 bis 30 Soldaten. Der Vater stellte einen Kübel voll Wasser mit Schöpfer und einen Laib Brot hin. Das Geratter kam immer näher. Da ging der Vater in den Stadel und schrie: „Raus! Die Amerikaner kommen!“Die Artillerie schoss über unser Dorf hinweg. Und auf einmal waren sie da. Wir schauten beim Stubenfens­ter hinaus, der Vater beim Werkstattf­enster. Da kam er in die Stube, nahm den weißen Kittel von der Mutter, ging bei der Tür hinaus und schwenkte den Kittel. Es war still, still. Der Vater ging auf die Amerikaner zu, schlug die Stiefel zusammen, er war ja auch Soldat im Ersten Weltkrieg und schrie ganz laut: „Herr Offizier, das ganze Dorf ergibt sich!“

Die Amerikaner besprachen sich. Dann machte der Offizier eine Handbewegu­ng und schrie: „Weg, weg!“Nun kam auch der Nachbar mit weißer Fahne auf dem Buckel. Die Amerikaner schalteten die Motoren wieder an, der Offizier schrie wieder: „Weg, weg!“Dann fuhren sie an unserem Haus vorbei. Das Vieh im Stall brüllte fürchterli­ch. Ein paar Leute hatten sich bei uns im Haus versammelt. Eine winkte hinaus. Aber ich konnte nicht.

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