Damit die Wertach im Bett bleibt
Natur Der Ettringer Gemeinderat sprach über das Überschwemmungsgebiet der Wertach. Starke Signale sendete der Rat dabei an betroffene Anlieger und die Landwirtschaft.
Ettringen Es hätte eine deftige Brotzeit werden sollen für die Arbeiter, die am Bau der Umgehungsstraße entlang der Wertachgemeinde beteiligt waren; Tische und Bänke dazu waren auf der Baustelle schon aufgestellt. Die wertschätzende Aktion der Gemeinde sollte allerdings buchstäblich ins Wasser fallen: knietief fanden sich die Biertischgarnituren im Hochwasser wieder, das über Nacht Kurs auf Ettringen genommen hatte.
Zwar hatte die Gemeinde damals, im Hochwasserjahr 2003, noch Glück im Unglück, da sich der Wasserpegel der Wertach relativ schnell regulieren ließ, auch dank der Stauseen, die wie eine Art Puffer wirkten. Anders hatte es noch beim großen Hochwasser Ende der 90er Jahre ausgesehen, wo weite Teile der alten Ostsiedlung Ettringens vom Pfingsthochwasser beeinträchtigt wurden, weil der damit verbundene Grundwasseranstieg die Keller volllaufen ließ.
Dennoch hat sich die Gemeinde mit der Tatsache auseinanderzusetzen, nicht nur von der Wertach im Osten des Ortes durchschnitten zu werden, wo ein deutlich erhöhter Pegelstand Auswirkungen auf diverse Grundstücke hätte. Zusätzlich wären an anderer Stelle etliche landwirtschaftliche und gemeindliche Flächen bei Hochwasser betroffen. Ettringer Flur in einigen Bereichen der Wertach zählt deshalb zum Überschwemmungsgebiet.
So nennt man den Bereich, der bei einem sogenannten 100-jährlichen Hochwasser - das also durchschnittlich einmal in 100 Jahren auftritt - voraussichtlich überschwemmt wird. Das Bayerische Wassergesetz verpflichtet die Wasserwirtschaftsämter, diese Gebiete zu ermitteln und zu kartieren. Bis es zur endgültigen Festsetzung kommt, wird genau festgelegt, was bei einem sogenannten „vorläufig gesicherten“Überschwemmungsgebiet erlaubt ist und was nicht.
Nicht erlaubt wären beispielsweise die Ausweisung neuer Baugebiete, aber auch keine baulichen Anlagen sowie Mauern oder Wälle quer zur Fließrichtung des Hochwassers. Das bedeute für die Grundstückseigentümer eine deutliche Einschränkung bei Bewirtschaftung oder Nutzung, so Sturm. Ab dem „gesicherten“Status untermauert durch
Rechtsfolgen, könnte das Landratsamt im Ernstfall auf Abriss bestehender Gebäude auf diesen Flächen pochen, wenn sie bestimmte bauliche Voraussetzungen nicht erfüllten und es im Sinne eines ungehinderten Abflusses für notwendig erachtet werden würde. „Das müssen die Betroffenen wissen“, so Robert Sturm.
Das auch Ettringen betreffende Anhörungsverfahren dazu läuft nun am 20. Mai dieses Jahres aus; im Rahmen der jüngsten Gemeinderatssitzung am vergangenen Montag stellte Bürgermeister Robert Sturm den Stand der Dinge vor. Nach fünf Jahren muss aus der vorläufigen Sicherung eine endgültige Sicherung durch Verordnung erfolgen; noch hätten die Gemeinde, aber auch die Anlieger der Gebiete die Möglichkeit, Einwendungen zu erheben.
Dabei zeigte sich der Rathauschef ein wenig verwundert ob der Tatsache, dass man vonseiten des Landratsamtes den betroffenen Bürgern den Gang ins Rathaus zu Informationszwecken habe zumuten wollen. Zu Corona-Zeiten, mit den derzeit geltenden eingeschränkten Ausgangsmöglichkeiten ein nicht ganz leichtes Unterfangen, so die Meinung des Bürgermeisters, zudem alle anderen Fachbehörden wegen Corona ihre Verfahren auf Eis gelegt haben.
Sturm habe sich deshalb selbst daran gemacht, die Anlieger über das betreffende Gebiet genauer zu informieren, ihnen passende Karten und den geplanten Verordnungstext zukommen zu lassen, „als Service der Gemeinde und weil ich es so für fair halte“, sagt Sturm. Nach seinem Dafürhalten hätte es zudem Sinn gemacht, vielleicht die Festsetzungsentscheidung um zwei Jahre hinauszuschieben. Diese Möglichkeit hätte bestanden, auch, um weiter zu beobachten und Erfahrungen zu sammeln. Auf Nachfrage einzelner Ratsmitglieder konnte Sturm bestätigen, dass in der Mehrzahl landwirtschaftliche oder gemeindliche Flächen von einem Hochwasser betroffen wären, zudem einzelne Pferdekoppeln. Aufgrund der Topographie befänden sich auf manchen dieser Flächen Geländemulden, wo sich im Ernstfall Hochwasser sammeln könnte.
Die Stellungnahme der Gemeinde, so zeigte Sturm im Anschluss, solle deshalb den Passus beinhalten, dass durch eine Festsetzung der landwirtschaftliche Betrieb nicht eingeschränkt werden dürfe. Ein deutliches Signal also an die betroffenen Grundstückseigentümer, sie bei der freien Bewirtschaftung indirekt zu unterstützen – auch nach der endgültigen Sicherung durch Verordnung.
Auch wolle sich die Gemeinde das Recht auf Abstimmung mit dem
Landratsamt sichern, sollten von dieser Seite geplante Einzelanordnungen gegen Eigentümer ausgesprochen werden müssen. Auch das Gremium folgte diesen Vorschlägen und erteilte Einvernehmen zum Beschlussvorschlag in modifizierter Form.
Ein Vorschlag, der ebenfalls auf breiten Konsens stieß: dem Wasserwirtschaftsamt mehr gemeindliche Flächen für das Hochwasserschutzgebiet abzutreten, um an anderer Stelle in den Genuss von mehr Ausgleichsflächenpunkten zu kommen. Dagegen kontrovers diskutiert wurde die Errichtung einer Flutrinne im Bereich der östlichen Wertach. Noch würden dort zumeist landwirtschaftliche Flächen in Mitleidenschaft gezogen werden. Sollten dort jedoch Verbauungen entstehen, könnte die Situation wieder ganz anders aussehen, so ein Ratsmitglied.
Einig war sich das Gremium auch darin, aus Naturschutzgründen entstandene Mulden, die im Zusammenhang mit dem Bau der Umgehungsstraße stehen, vom Wasserwirtschaftsamt überprüfen zu lassen, ob diese im Falle von Hochwasser als Auffang- und Pufferbecken ihren Zweck erfüllten. „Das könnte ansonsten Gefahr für das Wohngebiet Ost Zwei bedeuten“, so einige Räte. Sollte das Amt Handlungsbedarf erkennen, sollen weitere Gespräche folgen.