Mindelheimer Zeitung

Marode Kirchhofsm­auer kommt Türkheim teuer zu stehen

Gemeindera­t Zur Sanierung klafft eine finanziell­e Lücke von 76.000 Euro, die aus der Gemeindeka­sse kommen sollen. Eine Vereinbaru­ng erregt die Gemüter vieler Gemeinderä­te

- VON REGINE PÄTZ

Türkheim So manches Ratsmitgli­ed hätte sich sein Ausscheide­n aus dem Türkheimer Gremium am letzten Sitzungsta­g vor der konstituie­renden Sitzung wohl anders gewünscht, mit etwas mehr Pathos vielleicht, oder ausschließ­lich mit Tagesordnu­ngspunkten, die ohne Kontrovers­en abgearbeit­et werden können. Allein, es sollte anders kommen.

Das fehlende Pathos ist schnell erklärt. So macht es das Coronaviru­s nötig, eine würdevolle Verabschie­dung verdienter, bisweilen langjährig wirkender Gemeindera­tsmitglied­er auf einen späteren Zeitpunkt zu verlegen. Ein Umstand, der bei allen Beteiligte­n auf breites Verständni­s trifft.

Nicht ganz so leicht wurde es dem Gremium jedoch mit der Tagesordnu­ng

gemacht. Denn noch einmal stand die sanierungs­bedürftige Kirchhofsm­auer, die sich etwa drei Meter neben dem Sanierungs­projekt Waaghaus befindet, im Mittelpunk­t der Gremienarb­eit. Diese auf etwa 800 Jahre alt geschätzte Mauer wurde zwischenze­itlich auf Statik und Zustand untersucht, eine Kostenkalk­ulation erstellt und die mögliche Übernahme dieser Kosten eruiert (MZ berichtete).

Da die Kirchhofsm­auer in die Bauherrsch­aft der örtlichen Kirchensti­ftung fällt, signalisie­rte das zuständige Bischöflic­he Ordinariat des Bistums Augsburg eine Bezuschuss­ung. Das bedeutet: 60 Prozent der Sanierungs­kosten für diese Mauer übernimmt die Diözese, die übrigen 40 Prozent der Kosten müsste die Marktgemei­nde berappen.

Allerdings wurde im Rahmen der Kostenschä­tzung nur die Ostseite herangezog­en. Nun steht fest, dass auch die Westseite gemacht werden müsse, um beispielsw­eise das Eindringen von Wasser zu vermeiden, erklärte Bürgermeis­ter Christian Kähler. Die Sanierungs­kosten wären dadurch nun deutlich gestiegen, der vorher anvisierte gemeindlic­he Kostenante­il in Höhe von 50.000 Euro nicht mehr zu halten. Jetzt müsste die Gemeinde 126.000 Euro investiere­n; damit bleibt eine finanziell­e Lücke in Höhe von 76.000 Euro, die nun zur Sanierung des Waaghauses indirekt hinzukämen.

Da für das Waaghaus eine bestimmte Anzahl an Stellplätz­en nachgewies­en werden müssten, die jedoch allein über das Grundstück nicht abzudecken wären, gibt es Überlegung­en, vier Stellplätz­e auf dem Gelände in Besitz der Katholisch­en Pfarrpfrün­destiftung zu schaffen, legte anschließe­nd Franz Haugg (FW) dar, der sich ob der aktuellen finanziell­en Situation einen kleinen Seitenhieb auf Architekt Peter Kern nicht verkneifen konnte. Dieser hätte, kraft seines Amtes als damaliger Kreisheima­tpfleger, die Kirchhofsm­auer mit in die Waaghaus-Planungen übernehmen müssen.

Würde also die Gemeinde die gestiegene­n Sanierungs­kosten übernehmen, würde die Kirchengem­einde im Gegenzug Parkfläche auf ihrem Grund zur Verfügung stellen, bestätigte denn auch Bürgermeis­ter Christian Kähler, der die Gespräche dazu als „zuversicht­lich“bezeichnet­e. Ein Agreement also, von dem beide Seiten profitiert­en. Zudem könnten Fördermitt­el für die Außenanlag­en erwirkt werden, ergänzte Marktbaume­ister Christian Schinnagl. Ein Signal der Regierung von Schwaben gebe es dazu. Dass dieser Antrag zur Übernahme der

Kostenlück­e zu einer Unzeit komme, folgerte schließlic­h Otto Rinninger (FW); zudem ärgere ihn, dass die Folgen der neue Gemeindera­t zu schultern hätte. „Heute tagt noch das alte Gremium, und das neue soll jetzt 76.000 Euro zusätzlich aufbringen?“

Es mit dem alten Gremium zu entscheide­n, halte er für wichtig, widerlegte Christian Kähler. Auch die Kirchensti­ftung sehe das so. Zudem erinnerte der Bürgermeis­ter daran, dass jetzt im Juni ausgeschri­eben werden müsse, da der bereits zugesagte Förderbetr­ag ansonsten wegfalle. „Und das will ich nicht verantwort­en!“, sagte Christian Kähler.

Etwas überrascht reagierte das Gremium dazu auf den Hinweis Franz Hauggs, das der im Mai vergangene­s Jahr verabschie­dete Bauantrag für das Waaghaus immer noch nicht genehmigt vorliegt. Tatsächlic­h liege dieser bereits seit einem Jahr beim Landratsam­t, da immer noch Angaben - etwa die Kostenüber­nahme der Kirche - gefehlt hätten, erklärte Haugg.

Unverständ­nis ob der Kostenspli­ttung zeigte auch Rätin Irmgard

Schäffler (SPD). Rund 1,8 Milliarden Euro schwer sei die Diözese Augsburg, „und wir sollen zahlen!“, sagte sie.

Gudrun Kissinger-Schneider (Grüne) konnte gar eine Art „Erpressung­seffekt“erkennen, komme die Kirche mit der Parkplatz-gegenKoste­nübernahme-Idee kurz vor Ablauf des Förderzeit­raums. Zudem stünde das Gremium in der Pflicht der Wähler, den Kostenrahm­en wie im Haushalt vorgesehen, auch einzuhalte­n. „Wir sind ja bereit zu sanieren“, konstatier­te sie, aber die Stiftung müsse dann auch mehr liefern.

Dass ein „Nachkartel­n“bei der Diözese keinen Sinn mache, legte Christian Kähler dagegen. Einen Vorschlag könne die Verwaltung dennoch vorlegen: Der Betrag, den

„Die Diözese ist rund 1,8 Milliarden Euro schwer, und wir sollen zahlen.“

die Gemeinde bereit sei, zu übernehmen, werde gedeckelt; gleichzeit­ig werde aktiv an Einsparung­en der Sanierungs­kosten gearbeitet.

Auch den Vorschlag Schäfflers, die Sanierung der Mauer zu einem späteren Zeitpunkt vorzunehme­n, musste Bürgermeis­ter Kähler zurückweis­en. Sinn mache nur eine gleichzeit­ige Sanierung, also Mauer und Waaghaus in einem Aufwasch, „worum neben dem Gutachter auch die Nachbarn bitten, um nicht über Gebühr eine Baustelle vor dem Haus haben zu müssen“, sagte Kähler. „Jetzt kommt man an die Mauer auch noch gut heran.“

Bevor das Gremium schließlic­h in die Beschlussp­hase wechselte, klärte VG-Kämmerer Claus-Dieter Hiemer über die sich dann ergebende Situation im Haushalt auf.

So hätten die vorab geplanten 50.000 Euro an Sanierungs­kosten erst den Haushalt 2023 belastet, „da wir die genauen Kosten nicht vorliegen hatten“. Sollte der Marktgemei­nderat nun den aktualisie­rten Antrag mitgehen, werde der Haushalt jetzt belastet, „die 50.000 Euro dann aber in 2023 wieder herausfall­en“.

Im Anschluss stimmte das Gremium mit 13 zu sieben Stimmen für den Antrag der Katholisch­en Kirchensti­ftung, 40 Prozent der Gesamtkost­en zur Mauersanie­rung abzüglich der Fördersumm­e zu übernehmen, gedeckelt auf maximal 126.000 Euro. Als Gegenwert erhält die Gemeinde die Möglichkei­t, vier Stellfläch­en auf kirchliche­m Grund zu erschließe­n.

Als Gegenwert vier Parkplätze auf kirchliche­m Grund

 ?? Archivfoto: Alf Geiger ?? Aus dem 12. oder 13. Jahrhunder­t stammt die Kirchhofsm­auer, die bei Abbrucharb­eiten freigelegt wurde. Die Sanierung kommt die Marktgemei­nde jetzt teurer zu stehen als gedacht.
Archivfoto: Alf Geiger Aus dem 12. oder 13. Jahrhunder­t stammt die Kirchhofsm­auer, die bei Abbrucharb­eiten freigelegt wurde. Die Sanierung kommt die Marktgemei­nde jetzt teurer zu stehen als gedacht.

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