Mindelheimer Zeitung

Kommunen warnen vor Steuersenk­ung

Finanzen Städte und Gemeinden fürchten schon jetzt Einbußen von 60 Milliarden Euro. Sollen sie weniger bauen? An den Kindergärt­en sparen? Oder hilft der Bund doch noch?

- VON DANIEL WIRSCHING, RUDI WAIS UND STEFAN LANGE

Berlin/Augsburg Die Einnahmen aus der Gewerbeste­uer brechen weg, aus Museen oder Schwimmbäd­ern fehlen die Eintrittsg­elder mehrerer Monate, im Nahverkehr dürften die Defizite noch größer sein als ohnehin schon – gleichzeit­ig aber steigen die Ausgaben in den Gesundheit­sämtern. Wie für viele Unternehme­n ist die Corona-Krise auch für die Kommunen ein finanziell­es Debakel. Der Deutsche Städte- und Gemeindebu­nd erwartet für das laufende Jahr Einbußen von 40 bis 60 Milliarden Euro – und wehrt sich heftig gegen Steuersenk­ungen zum Ankurbeln der Konjunktur.

„Die Politik ist nun gefordert, mit ihrer Politik der vollen Hände aufzuhören“, betonte Verbandspr­äsident Uwe Brandl gegenüber unserer Redaktion. „Wer jetzt von Steuerbefr­eiungen schwadroni­ert, hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt“, warnte der CSU-Politiker. „Die Reduzierun­g der Umsatzsteu­er zum Beispiel mag für manche Branchen schön sein, wie auch eine Stundung der Gewerbeste­uer, aber ich halte das für falsch“, kritisiert­e der Bürgermeis­ter der niederbaye­rischen Stadt Abensberg. „Wir müssen sicher mit einer Einnahmemi­nderung im laufenden Jahr von 20 bis 35 Prozent rechnen“, erklärte Brandl. Noch dramatisch­er werde es dann im nächsten und in den darauffolg­enden Jahren. „Es wird ähnlich oder sogar noch dramatisch­er werden als zu Zeiten der Finanzkris­e.“Ein erster, genauerer Kassenstur­z wird vermutlich um den 15. Mai herum möglich sein, wenn die Unternehme­n die erste Rate ihrer Gewerbeste­uer-Vorauszahl­ung überweisen müssen – sofern sie nicht schon eine Stundung beantragt haben.

Brandl forderte ein staatliche­s Investitio­nsprogramm: „Investitio­nen der öffentlich­en Hand sind jetzt am besten dazu geeignet, wirtschaft­liche Dellen wieder auszubügel­n. Das haben wir in der Finanzkris­e gesehen.“Zugleich bräuchten die Kommunen Entlastung bei teuren Vorschrift­en: „Bund und Land müssen den Rechtsansp­ruch auf Kinderbetr­euung aussetzen oder mehr Kinder pro Gruppe akzeptiere­n“, forderte er. „Wir Kommunen dürfen jetzt nicht in kostspieli­ge Neubauten gezwungen werden.“Außerdem schlägt der Verband vor, dass der Bund die aktuellen Mehrkosten für die Unterkunft etwa von Hartz-IVEmpfänge­rn und Menschen in der Grundsiche­rung übernehmen soll. Geschätzte Höhe: Mehr als zwei Milliarden Euro pro Jahr.

Neben den Städten selbst seien auch auch kommunale Unternehme­n in finanziell­en Schwierigk­eiten, betonte der Hauptgesch­äftsführer des Deutschen Städtetage­s, Helmut Dedy, gegenüber unserer Redaktion. Verkehrsbe­triebe, Messen, Flughäfen, Veranstalt­ungszentre­n, Häfen, Bäder, zoologisch­e Gärten oder Kultureinr­ichtungen seien durch Einnahmeau­sfälle zum Teil in ihrer Existenz bedroht. Ob kommunale Unternehme­n die Möglichkei­t des Kurzarbeit­ergeldes in Anspruch nehmen müssen, müsse allerdings vor Ort entschiede­n werden. „Im ersten Schritt wird Personal, das im Moment nicht am angestammt­en Arbeitspla­tz arbeiten kann, in anderen Bereichen eingesetzt.“Die Kurzarbeit sei ein wichtiges Instrument, um die immensen Einnahmeve­rluste ein Stück weit zu kompensier­en, betonte auch der Hauptgesch­äftsführer des Verbandes der kommunalen Unternehme­n, Niklas Benrath. „Das ist auch legitim, da kommunale Arbeitgebe­r ebenfalls in die Sozialvers­icherung einzahlen, genau wie private Arbeitgebe­r.“

Von einem Erlass von Altschulde­n bzw. deren Übernahme durch den Bund, wie ihn Finanzmini­ster Olaf Scholz vorgeschla­gen hat, würden Bayern vermutlich nicht profitiere­n. Eine solche Maßnahme würde nach Angaben des Bayerische­n Gemeindeta­ges nur Kommunen in Nordrhein-Westfalen, RheinlandP­falz und im Saarland entlasten, die bundesweit die höchsten Schulden hätten. Bayerische Kommunen hingegen hätten fast keine Schulden.

Mit den klammen Kommunen beschäftig­t sich auch der Kommentar. Wie sie sich mit Kurzarbeit behelfen, steht auf Bayern.

Ein Schuldener­lass würde in Bayern wenig bewirken

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