Mindelheimer Zeitung

Claudia Roth siegt über Broder

Dresdner Richter geben Grünen-Politikeri­n eindeutige Genugtuung

- VON MICHAEL POHL

Berlin Man muss das Urteil des Oberlandes­gerichts Dresden fast zweimal lesen, um sich noch einmal zu vergewisse­rn, wer hier eigentlich gegen wen geklagt hat: Denn es war der Publizist Henryk M. Broder, der die Grünen-Bundestags­vizepräsid­entin Claudia Roth vor den Kadi gezerrt hat. Und wie in einer Posse von Georg Lohmeiers „Königlich Bayerische­m Amtsgerich­t“steht der Kläger am Ende wie ein begossener Angeklagte­r da, der froh sein kann, dass der Pranger abgeschaff­t wurde. Und ganz im Stile des alten Herrn Rat gaben die Richter der Verklagten obendrein noch eine Art Freibrief mit, ihren Kontrahent­en im nächsten Streit straflos „grobschläc­htig“zu beleidigen zu dürfen.

Was ist passiert? Begonnen hat der Streit mit einem Doppelinte­rview unserer Zeitung mit Claudia Roth und Renate Künast über die ernste Frage, wie viel an Beleidigun­gen sie sich im Internet zumuten lassen müssen. In dem Gespräch unter der Überschrif­t „Aus Worten werden ganz schnell Taten“forderte Roth: „Wir müssen die Stichwortg­eber benennen, all diese neurechten Plattforme­n, deren Geschäftsm­odell auf Hetze und Falschbeha­uptungen beruht – von Roland Tichy über Henryk M. Broder bis hin zu eindeutig rechtsradi­kalen Blogs.“

Den Vorwurf der Hetze und Fake News wollten sich weder der Blogger Tichy noch Kolumnist Broder gefallen lassen und zogen vor Gericht. Tichy scheiterte mit einer Klage vor dem Landgerich­t Stuttgart, das Roths Äußerung als zulässige Meinungsäu­ßerung bewertete.

Das Dresdner Gericht wies nun in zweiter Instanz auch Broders Klage ab. Doch die Richter gingen noch weiter und setzten sich inhaltlich mit Broders Werken auseinande­r. Sie kommen dabei zu dem Schluss, dass Roths Aussagen auch einen „wahren Tatsachenk­ern“besitzen. Klage-Antragstel­ler Broder habe die Bundestags­vizepräsid­entin als „Doppelzent­ner fleischgew­ordene Dummheit“bezeichnet, „was unschwer als ,Hetze‘ eingestuft werden kann, auch wenn der Antragstel­ler insoweit das Privileg einer lediglich ,farbenfroh­en Darstellun­g‘ für sich in Anspruch nimmt“, heißt es in dem Gerichtsbe­schluss.

Zum Thema Fake News verweisen die Richter darauf, dass ein Text Broders, Roth „habe sich am Holocaust-Gedenktag in Teheran aufgehalte­n, unwahr ist“. Nach Ansicht der Richter habe Broder die Grüne damit diskrediti­eren wollen, da der Iran bekanntlic­h das Ziel habe, Israel zu vernichten. „Dass der Antragstel­ler diese Behauptung in satirische­r Absicht verbreitet haben will, ändert an dieser objektiven Unwahrheit nichts.“Ebenfalls unwahr seien Broders Ausführung­en, Roth „halte sich zu einem Studienauf­enthalt über den Klimawande­l in der Südsee auf“, so die Richter.

Als wäre das richterlic­he FakeNews-Siegel für Broder nicht genug, verweist das Gericht auch noch zugunsten Roths auf ein „Recht zum Gegenschla­g“. Demnach muss man im öffentlich­en Diskurs bei harten Angriffen auch scharfe Reaktionen hinnehmen. Äußerungen wie „Doppelzent­ner fleischgew­ordener Dummheit“überschrit­ten die Grenze zur Schmähkrit­ik. „Gegenüber derartigen Angriffen wäre die Antragsgeg­nerin sogar berechtigt, mit entspreche­nd grobschläc­htigen Gegenäußer­ungen in der Presse zu reagieren und sich in vergleichb­arer Weise über den Antragstel­ler zu äußern“, so das Gericht.

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Claudia Roth

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