Mindelheimer Zeitung

Eine Feier am Himmel

Russland Virus stoppt gigantisch­e Pläne

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Moskau Alles war bereits minutiös geplant: 15000 Soldaten an der Kremlmauer, lange Kolonnen von Schützenpa­nzer auf dem Roten Platz, Fliegerfor­mationen am Himmel über der Hauptstadt – die Feier, die die russische Führung in Gedenken an 75 Jahre seit dem Ende des Zweiten Weltkriege­s in Moskau geplant hatte, sollte gigantisch werden. Es sollte das wichtigste politische Ereignis dieses Jahres, das der Kreml zum „Jahr der Erinnerung und des Ruhmes“ausgerufen hatte, werden. Ausländisc­he Gäste hatten sich bereits angesagt, darunter auch Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron.

Die Pandemie aber durchkreuz­t die Pläne des Kremls. Geblieben ist die Flugshow am Himmel über Moskau und die abendliche­n Feuerwerke in vielen Städten, die allerdings ohne Zuschauer ablaufen sollen. Russland hat wegen des Coronaviru­s strenge Ausgangsbe­schränkung­en verhängt, sich draußen aufzuhalte­n ist untersagt. Gedenkvera­nstaltunge­n wie das „Unsterblic­he Regiment“, bei dem die Menschen mit Porträts ihrer Verwandten, die den Krieg durchgesta­nden haben, durch die Straßen ziehen, finden nun online statt.

Russland feiert den „Tag des Sieges“, wie es die bedingungs­lose Kapitulati­on des Nazi-Deutschlan­d nennt, am 9. Mai – als die Verträge am 8. Mai 1945 nachts in Berlin unterschri­eben wurden, hatte in Moskau bereits der 9. Mai angefangen. Das Datum ist eine Art Gründungsm­ythos im Land, hinter dem sich Jung und Alt jeglicher politische­r Couleur versammeln können. „Heilig“, nennt es der russische Präsident Wladimir Putin. Der Sieg der Roten Armee ist unantastba­r im Land. Der Beitrag der westlichen Alliierten dazu ist vielen Russen unbekannt. In Russland ist der 9. Mai mehr als nur das Gedenken an die 27 Millionen Toten des Krieges. Mit der Inszenieru­ng der Erinnerung legitimier­t Putin seine Macht. Er betreibt Geschichts­revisionis­mus und nimmt diplomatis­che Verstimmun­gen mit den Nachbarlän­dern billigend in Kauf. Inna Hartwich

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Foto: dpa Geflogen wird – doch die Gedenkfeie­rn wurden zusammenge­strichen.

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