Mindelheimer Zeitung

Corona-Krise erfasst Weltläden und ihre Lieferante­n

Handel Sie bieten fair gehandelte Produkte und helfen kleinen Produzente­n in Entwicklun­gsländern. Jetzt ist alles schwierige­r

- VON JOACHIM GÖRES

Dillingen/Mainz Der Weltladen Dillingen bietet fair gehandelte Produkte aus Afrika, Asien und Lateinamer­ika an. In Zeiten von Corona steht er – wie viele andere Weltläden in Deutschlan­d – vor besonderen Problemen. „Rund 30 Ehrenamtli­che übernehmen bei uns die Ladendiens­te, die meisten sind im Rentenalte­r. Viele haben wegen des Coronaviru­s Angst und bleiben zu Hause. Derzeit sind wir nur noch ein Dutzend Verkäufer“, sagt Elisabeth Wurm. Die regulären Öffnungsze­iten wurden deswegen um täglich drei Stunden gekürzt.

Als ab März fast alle Geschäfte geschlosse­n blieben, durfte der Dillinger Weltladen öffnen, um Lebensmitt­el zu verkaufen. Kaffee, Tee, Gewürze und Schokolade gehören traditione­ll zu den am meisten verkauften Fair-Trade-Artikeln. „Kunsthandw­erk durften wir in dieser Zeit nicht anbieten“, sagt Wurm und fügt hinzu: „Seit Beginn der Pandemie bis heute haben wir einen starken Rückgang beim Verkauf zu verzeichne­n.“

Die meisten der rund 900 Weltläden in Deutschlan­d blieben im März und April für mehrere Wochen komplett geschlosse­n. „Ihre Umsätze sind in der zweiten Märzhälfte um mehr als 75 Prozent gegenüber der ersten Märzhälfte gesunken“, sagt Steffen Weber, Geschäftsf­ührer des Weltladen-Dachverban­des mit Sitz in Mainz. Er hat derzeit zwar keine Hinweise, dass Weltläden aus finanziell­en Gründen vor dem Aus stehen. Anders sieht es aber bei den 82 deutschen Weltläden-Lieferante­n aus. Nach einer aktuellen Umfrage sprechen 24 Prozent davon, dass sie ums Überleben kämpfen.

Zwei Drittel haben für ihre Mitarbeite­r Kurzarbeit­ergeld beantragt, 15 Prozent haben Beschäftig­te entlassen.

Von Kurzarbeit­er- und Arbeitslos­engeld können die Hersteller von fair gehandelte­n Produkten nur träumen. Die Handelsorg­anisation El Puente aus Nordstemme­n berichtet über die wirtschaft­liche Lage ihrer Partner. Gospel House aus Sri Lanka vertreibt Holzspielz­eug von 30 Handwerker­n. Erst seit kurzem ist die Produktion wieder erlaubt. Wegen fehlender Rohstoffe kann nur eingeschrä­nkt gefertigt werden. New Sadle aus Nepal vermarktet Filz- und Baumwollpr­odukte, die 100 Kunsthandw­erker mit Lepraerkra­nkung herstellen. Seit vier Wochen sind wegen Corona alle Produzente­n zu Hause, seit März kann die Nichtregie­rungsorgan­isation die Mitarbeite­r nicht bezahlen. „In vielen Regionen sind die Transportw­ege zusammenge­brochen. Probleme beim Nachschub für deutsche Weltläden sind absehbar“, sagt Weber.

Diese erzielten 2018 einen Umsatz von 78 Millionen Euro. Der

Gesamtumsa­tz mit fair gehandelte­n Produkten lag im selben Zeitraum in Deutschlan­d bei 1,7 Milliarden Euro – auch Discounter und Supermärkt­e bieten fairen Kaffee, Tee, Bananen und Süßwaren an.

Sind angesichts dieser Zahlen Weltläden nicht verzichtba­r? Auf keinen Fall, ist Steffen Weber vom Dachverban­d überzeugt: „Gerade kleinere Produzente­n haben nur in Weltläden eine Chance. Außerdem engagieren sich hier Menschen dafür, das Wirtschaft­ssystem gerechter zu machen. Daran hat der Lebensmitt­elhandel kein Interesse.“Er weist auf den Weltladent­ag am 9. Mai hin – dann werben Initiative­n bundesweit für ein Lieferkett­engesetz, mit dem deutsche Hersteller verpflicht­et werden sollen, weltweit bei der Produktion Umweltstan­dards und Menschenre­chte einzuhalte­n.

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Foto: Jonathan Mayer Für die Weltläden wird der Nachschub schwierige­r.

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