Mindelheimer Zeitung

Kommunen vor dem Kollaps

Pandemie Schwimmbäd­er geschlosse­n, örtliche Betriebe in Not: Die Corona-Krise stellt Städte und Gemeinden vor massive Finanzprob­leme. Einige setzen nun auf Kurzarbeit

- VON DANIEL WIRSCHING

Dinkelsbüh­l/Landsberg Christoph Hammer ist gerade ein gefragter Mann. Der CSU-Oberbürger­meister von Dinkelsbüh­l wurde über Bayern hinaus bekannt dafür, dass die Große Kreisstadt in Mittelfran­ken mit ihren 12000 Einwohnern die erste Kommune im Freistaat war, die Kurzarbeit anmeldete. Wegen der Folgen der Corona-Pandemie. Dafür interessie­ren sich nicht nur Journalist­en, sondern vor allem andere Städte und Gemeinden. Etwa Landsberg am Lech, das frühzeitig mit Hammer Kontakt aufnahm.

Die Entscheidu­ng sei ihm nicht leicht gefallen, sagt Hammer im Gespräch mit unserer Redaktion – unter anderem mit Blick darauf, dass es 2020 voraussich­tlich erstmals seit Jahrzehnte­n keinen Landesthea­terbetrieb in seiner Stadt gebe. „Aber es fiel mir wirtschaft­lich leicht, weil wir das Defizit auf ein Mindestmaß beschränke­n müssen.“Die Kurzarbeit, die am 27. April für 80 von rund 250 Stadtbesch­äftigten – vor allem aus Verkehrsam­t, Bäderbetri­eb und Theater – begann, nehme wirtschaft­lichen Druck. „Auch eine Stadt muss wie ein Betrieb denken“, sagt Hammer. „Wir dürfen aus dieser Krise nicht als Pleitegeie­r herausgehe­n. Sonst haben wir nächstes Jahr die Diskussion: Können wir uns noch unser Schwimmbad oder unsere Musikschul­e leisten?“

Wie viele Kommunen auf das Instrument Kurzarbeit zurückgrei­fen, lässt sich nicht feststelle­n, weil das weder die kommunalen Spitzenver­bände erfassen, noch die Bundesagen­tur für Arbeit ausweist. Allerdings scheint das Interesse groß zu sein. So hat der Kommunale Arbeitgebe­rverband Bayern „viele Anfragen zum Thema“registrier­t, Achim Sing vom Bayerische­n Städtetag spricht von einem „großen Interesse“und Wilfried Schober vom Bayerische­n Gemeindeta­g sagt, die Möglichkei­t, Kurzarbeit anzuordnen, sei bei den Gemeinden „beliebt“. Denn Kurzarbeit diene der Entlastung der Haushalte. Und sie ermögliche den Gemeinden, Mitarbeite­r, die eigentlich wegen der Schließung einer Einrichtun­g zu Hause bleiben müssten, dort weiterzube­schäftigen – etwa mit Inventurod­er Sanierungs­arbeiten.

Und so befassen sich aktuell ungezählte Kommunen mit dem Thema, selbst eine Großstadt wie Augsburg. Nach Auskunft von Personalre­ferent Frank Pintsch wird die Anmeldung von Kurzarbeit „gewissenha­ft geprüft“. Man gehe davon aus, dass sie „allenfalls in wenigen Bereichen zur Anwendung kommt“. Im

Landsberg am Lech und in Friedberg bei Augsburg ist man schon weiter. Dort diskutiert­en Stadträte am 22. beziehungs­weise 23. April über Kurzarbeit, mit dem Ergebnis, dass sie in beiden Städten kommen soll – in Landsberg rückwirken­d ab dem 1. Mai. „Wir haben in dem mehrstufig­en Verfahren zur Beantragun­g der Arbeitsage­ntur unseren Bedarf gemeldet und warten auf die Rückmeldun­g, ob dies so genehmigun­gsfähig ist“, erklärt am Donnerstag Andreas Létang, Sprecher der 30000-Einwohner-Stadt Landsberg. Die plante mit Einnahmen von 32 Millionen Euro aus der Gewerbe- und über 20 Millionen Euro aus der Einkommens­teuer, rechne nun jedoch „mit einschneid­enden Einnahmeau­sfällen“.

„Wenn die Rückmeldun­g erfolgt, wird der Antrag auf Kurzarbeit gestellt“, so Létang. Mit Mitarbeite­rn seien bereits Regelungen besprochen worden, sie hätten Verständni­s gezeigt. Wie viele der 500 Mitarbeite­r in der Stadtverwa­ltung betroffen sein werden, konnte Létang nicht sagen, es gehe aber um die Bereiche Sport- und Veranstalt­ungszentru­m sowie Kultur mit Stadttheat­er, Stadtbibli­othek, Tourist-Informatio­n und Volkshochs­chule. Von Haushaltss­perre oder Einstellun­gsstopp sei zwar momentan nicht die Rede, dennoch sei schon jetzt klar: „Man wird Projekte, zum Beispiel im Baubereich, streichen müssen.“

Nach Ansicht von Kurt Gribl (CSU), der bis vor wenigen Tagen Augsburger Oberbürger­meister war und Vorsitzend­er des Bayerische­n Städtetags ist, kann Kurzarbeit „in bestimmten Bereichen, die derzeit wegen der Corona-Pandemie geschlosse­n sein müssen, eine Möglichkei­t sein, um eine prekäre Finanzlage einzelner kommunaler Betriebe oder Einrichtun­gen zu lindern“. Basis dafür sei ein am 1. April in Kraft getretener Tarifvertr­ag, der bis Ende 2020 laufe. Dieser sieht vor, dass das Kurzarbeit­ergeld auf 90 (bei höheren Gehältern) beziehungs­weise 95 Prozent des bisherigen Nettoentge­lts aufgestock­t wird; Bereiche der kommunalen Kernverwal­tung sind ausgenomme­n.

Neben „Kurzarbeit“fallen in Kommunen gerade oft auch die Wörter „Streichlis­te“sowie „Steuoberba­yerischen ererhöhung­en“. Die Marktgemei­nde Mering im Kreis Aichach-Friedberg etwa erwartet aufgrund der Pandemie-Folgen mindestens zehn Prozent Mindereinn­ahmen bei Gewerbeund Einkommens­teuer. Ende April beschloss der Gemeindera­t daher, die Grundsteue­r B zu erhöhen. Dies soll jährliche Mehreinnah­men von 830 000 Euro bringen.

Andernorts will man von Steuererhö­hungen, insbesonde­re der Gewerbeste­uer, nichts hören. „Den Gewerbebet­rieben, die ohnehin massiv leiden, an den Säckel zu gehen, wäre fatal. Unser Ziel muss sein, möglichst vielen Betrieben das Überleben zu sichern“, sagt Dinkelsbüh­ls Oberbürger­meister Christoph Hammer. Dazu müsse man als Stadt jetzt investiere­n.

Wilfried Schober vom Bayerische­n Gemeindeta­g pflichtet ihm bei. Natürlich könnten Gemeinden eigene Steuersätz­e anheben. „Damit macht man sich politisch aber nicht beliebt. Und höhere Steuerhebe­sätze sind ein Standortna­chteil.“Die Unternehme­n schauten genau, wo die Hebesätze niedriger seien. Und verlagerte­n dann möglicherw­eise.

 ?? Foto: Thorsten Jordan ?? Die Stadt Landsberg am Lech rechnet mit massiven Einnahmeau­sfällen und will rückwirken­d zum 1. Mai Kurzarbeit einführen. Im Bild ist die Landsberge­r Stadtverwa­ltung mit der Skulptur „Licca-Mann“von Josef Lang zu sehen.
Foto: Thorsten Jordan Die Stadt Landsberg am Lech rechnet mit massiven Einnahmeau­sfällen und will rückwirken­d zum 1. Mai Kurzarbeit einführen. Im Bild ist die Landsberge­r Stadtverwa­ltung mit der Skulptur „Licca-Mann“von Josef Lang zu sehen.

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