Mindelheimer Zeitung

Und nun: Schweigen, bitte!

- VON TILMANN MEHL time@augsburger-allgemeine.de

Es sind dann eben doch Wirtschaft­sunternehm­en zur Volksbespa­ßung. Disney, Heidepark Soltau, Bundesliga – selbes Geschäftsf­eld, andere Tätigkeit. Sie unterschei­den sich noch dazu in ihrer Außendarst­ellung. Medienimpe­rien und Freizeitpa­rks versteigen sich eher selten auf die lachhafte Idee, Bilder von Solidaritä­t und Demut zu entwerfen. Oberstes Ziel ist die Gewinnmaxi­mierung.

Die deutschen Fußballklu­bs aber versichert­en in Zeiten der größten Not, dass sie fortan demütiger auftreten würden. Dass sie sich solidarisc­h verhalten wollten und auch wirklichwi­rklichwirk­lich der Politik dankbar seien, wenn sie ihre Saison noch beenden dürfen.

Kanzlerin sowie Landesfürs­tinnen und -fürsten entsprache­n dem Wunsch. Dankbarkei­t? Demut? Solidaritä­t? Nun wirklich nicht. Sie erhielten die Erlaubnis, in der zweiten Maihälfte die Spielzeit fortzusetz­en – und terminiere­n den ersten Spieltag auf den 16. Mai. Exakt der Mittelpunk­t des Monats. Dass sie es mit den mathematis­chen Grundreche­narten nicht ganz so genau nehmen, ist bekannt. Die Jahresbila­nz des FC Schalke beispielsw­eise gleicht schon ohne eine ausstehend­e TV-Rate dem infernalis­chen Gekritzel eines Dreijährig­en im Malen-nach-Zahlen-Buch.

Einige Vereine werden sich erst eine Woche im Mannschaft­straining

befinden, wenn wieder angepfiffe­n wird. Sie befürchten berechtigt­erweise einen Wettbewerb­snachteil. Dazu kommen nachgelage­rte Probleme wie eine erhöhte Verletzung­sanfälligk­eit. Gesundheit ist aber auch ein wirklich überbewert­etes Gut. Vor allem, wenn die Spielzeit bis zum 30. Juni durchgeknü­ppelt sein will, weil dann einige Verträge auslaufen. Zwischenfr­age an die Klubs, die ihre Spieler als Humankapit­al sehen: Schon mal gegengerec­hnet, ob mehr Spieler ausfallen, weil untrainier­te Kreuzbände­r leichter reißen oder weil Verträge auslaufen?

Aber die Arbeitsplä­tze, die dran hängen. Gewagte These: Sollten tatsächlic­h Klubs Insolvenz anmelden, rücken andere nach, die zu PR-Touren nach Katar ausrücken, Kindertrik­ots für 80 Euro verkaufen und die Hand aufhalten, wenn TV-Sender Millionen überweisen.

Die Vereine müssen als Wirtschaft­sunternehm­en handeln. Dann steht manchmal die Moral an zweiter Stelle. Daran haben sich die Fans bereits vor langer Zeit gewöhnt. Das Spiel an sich ist zu fasziniere­nd, als dass es ernsthafte­n Schaden davontrage­n würde. Nun aber wäre es an der Zeit, dass Vorstandsv­orsitzende, Sportdirek­toren und Manager mindestens bis zum Saisonende schweigen. Auf jeden Fall sollten sie nicht mehr von „Demut“und „Solidaritä­t“reden.

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Foto: dpa Schalkes Aufsichtsr­atsboss Clemens Tönnies hat schon manch kreative Jahresbila­nz gesehen.
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