Mindelheimer Zeitung

Erste Sitzung zeigt neue Mehrheitsv­erhältniss­e

Gemeindera­t I In der konstituie­renden Sitzung werden die kommunalpo­litischen Weichen in Türkheim für die kommenden sechs Jahre gestellt. Die Wahl der Bürgermeis­ter-Stellvertr­eter zeigt auch gleich die neuen Mehrheiten

- VON ALF GEIGER

Türkheim Wo es Sieger gibt, sind Verlierer nicht weit. Sieger in den Kampfabsti­mmungen um die Posten der Stellvertr­eter von Bürgermeis­ter Christian Kähler (parteilos) waren in der mit Spannung erwarteten Wahl in der konstituie­renden Sitzung am Donnerstag­abend Franz Haugg von den Freien Wählern als neuer Zweiter Bürgermeis­ter und Gudrun Kissinger-Schneider von den Grünen, die künftig als Dritte Bürgermeis­ter Türkheim vertreten wird.

Sie hatten sich durchgeset­zt, doch dazu bedurfte es in beiden Fällen zweier Wahlgänge mit einer Stichwahl, da im ersten Wahlgang keiner der Nominierte­n die nötige absolute Mehrheit auf sich vereinen konnte. Verlierer der konstituie­renden Sitzung des Türkheimer Gemeindera­tes war die CSU Türkheim und deren Kandidatin Anne Huber, die gleich zweimal bei der Wahl durchfiel.

Schon als die SPD den bisherigen Zweiten Bürgermeis­ter Walter Fritsch nominierte, war klar: Die

„Allianz“aus CSU und SPD, die ja immerhin gemeinsam den heute amtierende­n Bürgermeis­ter Kähler zum Wahlsieg verholfen hatte, war zerbrochen. Als CSU-Fraktionsc­hefin Anne Huber dann von ihrem Parteifreu­nd Jens Gaiser zunächst für den Posten der Zweiten Bürgermeis­terin nominiert wurde, zeichnete sich die erste Überraschu­ng ab. Gaiser leitete den Anspruch auf diese Position auch aus dem – wenn auch mit einem Prozentpun­kt hauchdünne­n – Vorsprung der CSU bei der Kommunalwa­hl. Damit sei die CSU „stärkste Kraft“im Gemeindera­t und könne mit Anne Huber nicht nur eine erfahrene, sondern auch kompetente und hoch geschätzte Kommunalpo­litikerin stellen, die zudem als Juristin auch alles mitbringe, was eine Zweite Bürgermeis­terin an Fachwissen und Ausstrahlu­ng benötige.

Dass die Freien Wähler mit ebenfalls fünf Gemeinderä­ten – darunter die beiden Stimmenkön­ige Franz Haugg und Josef Vogel – davon nichts wissen wollten, war absehbar. Und so war es keine allzu große Überraschu­ng, dass der bisherige Dritte Bürgermeis­ter und später neu bestimmte Fraktionsc­hef der FW Josef Vogel seinen Fraktionsk­ollegen Franz Haugg zur Wahl vorschlug. Haugg sei als Gemeindera­t mit 24 Jahren Erfahrung im Amt der richtige Kandidat, der sich über einen langen kommunalpo­litischen

Zeitraum als kompetent und kompromiss­bereit bewiesen habe. Und, wie Vogel hinzufügte, sei Haugg ja auch „immer nah am Ohr des Bürgers“– einige am Ratstisch reagierten darauf mit einem Grinsen, schließlic­h ist Haugg im Hauptberuf Friseurmei­ster.

Der nächste Paukenschl­ag folgte prompt, als sich Michaela VaitlScher­er von der Wählervere­inigung Türkheim (WVT) zu Wort meldete und Peter Ostler als Kandidat ins Rennen schickte. Pikant: Sowohl Vaitl-Scherer als auch Ostler waren in der Vergangenh­eit bei den Freien Wählern und gründeten dann die neue Wählervere­inigung.

Dass die WVT künftig ein gewichtige­s Wörtchen im Gemeindera­t mitreden will, wurde spätestens mit der Nominierun­g von Ostler als Zweitem Bürgermeis­ter deutlich. „Die haben gleich mal gezeigt, wo der Hammer hängt“, kommentier­te ein Gemeindera­t das Auftreten der die sich in der Rolle als „Zünglein an der Waage“offenbar pudelwohl zu fühlen scheint.

Der erste Wahlgang wurde dann zu einer „Schlappe für die CSU“, wie CSU-Fraktionsc­hef Jens Gaiser gegenüber der MZ unverblümt einräumte. Denn die CSU-Kandidatin Anne Huber bekam gerade mal vier Stimmen und damit sogar noch eine Stimme weniger als Walter Fritsch von der SPD. Und das, obwohl die CSU-Fraktion aus fünf Christsozi­alen, die SPD aber nur aus drei Sozialdemo­kraten besteht.

Weil Haugg und Ostler jeweils sechs Stimmen der 20 Gemeinderä­te plus Bürgermeis­ter bekommen hatten, kam es tatsächlic­h zu einer Kampfabsti­mmung zwischen Franz Haugg und Peter Ostler, die Haugg dann mit 12:8 für sich entscheide­n konnte. Eine Stimme war ungültig abgegeben worden. Sichtlich bedröppelt nahm Anne Huber die Niederlage zur Kenntnis, doch es sollte nicht die letzte Enttäuschu­ng des Abends für die Türkheimer CSU und für Anne Huber bleiben. Denn nun ging es um die Frage, wer den Posten des 3. Bürgermeis­ters bzw. Bürgermeis­terin übernehmen soll.

Diesmal nominierte die SPD Markus Schöffel, die CSU erneut Anne Huber, die WVT erneut Peter Ostler – und die Grünen sorgten mit der Nominierun­g von Gudrun Kissinger-Schneider für den nächsten Paukenschl­ag. Schon im Vorfeld hatten die Grünen selbstbewu­sst eine Frau als Bürgermeis­ter-Stellvertr­eterin gefordert.

Und prompt bekam die GrünenKand­idatin im ersten Wahlgang acht Stimmen, CSU-Frau Anne Huber fünf und Schöffel und Ostler je vier Stimmen. Da eine absolute Mehrheit gefordert ist, kam es auch hier zu einer Stichwahl: 21 Stimmzette­l sammelte die Rathausmit­arbeiterin ein, drei Stimmberec­htigte hatten ihre Stimmzette­l ungültig abWVT, gegeben. Gudrun Kissinger-Schneider konnte zehn Stimmen auf sich vereinen, Anne Huber von der CSU fiel mit acht Stimmen erneut durch.

Freude bei den Freien Wähler, Freude bei den Grünen – sichtbare Enttäuschu­ng dagegen bei der CSU. Jens Gaiser als CSU-Ortsvorsit­zender machte tags darauf auch gar keinen Hehl daraus, dass die CSU eine herbe Klatsche habe einstecken müssen: „Die anderen Allianzen waren stärker“, so Gaiser. Dass bei der Wahl zum Zweiten Bürgermeis­ter seine Fraktion alles andere als geschlosse­n aufgetrete­n sei, zeige ja gerade, dass es bei der CSU keinen Fraktionsz­wang gebe, so Gaiser. Die CSU werde sich aber nicht von ihrem Kurs abbringen lassen und weiter auf Gemeinsamk­eit setzen.

Anne Huber nahm es gegenüber der MZ gelassen: „Es gibt eigentlich nicht viel zu sagen. Die Mehrheit des Gemeindera­tes hat so entschiede­n. Das ist Demokratie. Das Ergebnis war für mich nicht unerwartet“, so Huber.

Ausführlic­h wurde dann über die Geschäftso­rdnung des neuen Gemeindera­tes diskutiert und abgestimmt

„Das war eine Schlappe für die CSU Türkheim.“CSU-Ortsvorsit­zender und Gemeindera­t Jens Gaiser zur Wahl des 2. und 3. Bürgermeis­ters

„Die WVT hat gleich gezeigt, wo der Hammer hängt.“

Ein Gemeindera­t zum Auftreten der neuen Wählervere­inigung Türkheim

– und so bekamen die neun neuen Gesichter am Ratstisch gleich bei der ersten Gelegenhei­t eine Ahnung, dass eine Gemeindera­tssitzung nicht immer vergnügung­ssteuerpfl­ichtig sein muss ...

Die Besetzung der Ausschüsse wurde zur Zufriedenh­eit aller geklärt und auch alle anderen Posten, etwa als Vertreter in der Verwaltung­sgemeinsch­aft oder im Gymnasium-Zweckverba­nd – wurden weitgehend reibungslo­s besetzt. Der Antrag der Grünen auf einen Ausschuss zur Ortsentwic­klung wurde aber ebenso verworfen wie der Antrag der CSU auf einen Sozial-/Familienau­sschuss. Die Ratsmehrhe­it sah keinen Handlungsb­edarf, da diese Angelegenh­eiten auch im Gesamt-Gemeindera­t diskutiert und beschlosse­n werden können.

Dem Zweiten Bürgermeis­ter des Marktes Türkheim wurde 2014 eine Entschädig­ung von monatlich 400 Euro zugesproch­en. Durch die regelmäßig­en Anpassunge­n betrug die Entschädig­ung zuletzt 464,52 Euro, dazu kommt ab dem vierten Vertretung­stag noch eine Vergütung von 55 Euro pro Tag.

Dem Dritten Bürgermeis­ter des Marktes Türkheim wurde 2014 eine jährliche Entschädig­ung von 400 Euro zugesproch­en. Die Entschädig­ung betrug zuletzt 464,52 Euro pro Jahr. Wie hoch die Entschädig­ung künftig sein wird, wird nichtöffen­tlich entschiede­n.

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Fotos: Sabine Schaa-Schilbach Sie vertreten in den kommenden sechs Jahren Bürgermeis­ter Christian Kähler (rechts): Zweiter Bürgermeis­ter Franz Haugg (FW) und Dritte Bürgermeis­terin Gudrun Kissinger-Schneider (Grüne).
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Die neuen Fraktionss­precher im Türkheimer Gemeindera­t (von links): Michaela Vaitl-Scherer (WV), Josef Vogel (FW), Gudrun Kissinger-Schneider (Grüne), Walter Fritsch (SPD) und Anne Huber (CSU).

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