Mindelheimer Zeitung

Bis zum letzten Drücker im Dienst

Abschied Josef Steidele verabschie­det sich nach zwölf Jahren schweren Herzens als Bürgermeis­ter von Kammlach – und ist froh, sich an anderer Stelle weiter in der Kommunalpo­litik engagieren zu können

- VON SANDRA BAUMBERGER

Kammlach Die Entscheidu­ng ist Josef Steidele wirklich nicht leicht gefallen: Sollte er nach zwölf Jahren als Bürgermeis­ter von Kammlach für eine dritte Amtszeit kandidiere­n oder nicht? Er hat Pro- und ContraList­en geschriebe­n und zweimal den Familienra­t bestehend aus seiner Frau und den fünf Kindern einberufen. Im Oktober war es dann aber beschlosse­ne Sache: Er verabschie­det sich in den Ruhestand – und zwar durchaus schweren Herzens.

Weil ihm Kammlach viel bedeutet und er sich immer gerne und mit viel Herzblut für die Gemeinde eingesetzt hat, in die er damals als Zehnjährig­er mit seinen Eltern gezogen ist. Weil er nach wie vor viel Zuspruch von den Bürgern erhalten hat, für die er – immer auf Augenhöhe – ein verlässlic­her Ansprechpa­rtner und Dienstleis­ter sein wollte. Und vor allem, weil er das Gefühl hatte, etwas bewirken zu können, und das gerne noch länger getan hätte – aber eben nicht weitere sechs Jahre. „Das wäre mir zu lang gewesen.“Er wäre dann 69 Jahre alt. „Und vielleicht brauchen die fünf Kinder ja auch mal einen Opa“, scherzt Steidele.

„Noch drei Jahre hätten mir gut gefallen“, sagt er. „Aber nach der Hälfte der Zeit mit dem neuen Gemeindera­t aufzuhören, das wäre, wie wenn der Kapitän das Schiff verlässt und das wollte ich auch nicht.“Zumal halbe Sachen einfach nicht sein Ding sind, auch in der überschaub­aren Freizeit nicht, in der er im Musikverei­n Bariton spielt, im Kirchencho­r singt und sich als Kirchenpfl­eger engagiert. „Ich hasse es, wenn man in einem Verein ist und man nimmt nicht an Sitzungen oder Proben teil. G’scheid dabei sein oder gar nicht, das ist mein Motto.“

Und das gilt eben auch für die Kommunalpo­litik, in der er seit inzwischen 30 Jahren aktiv ist. Dazu gekommen ist er über sein Engagement in den Vereinen. „Da habe ich bemerkt, dass ich was bewirken kann und meine Meinung schon was zählt“, sagt der 63-Jährige. Um den Jungen eine Stimme zu geben, ließ er sich deshalb für den Gemeindera­t aufstellen und wurde 1990 zum ersten Mal gewählt. Bei der nächsten Wahl war er dann schon Stimmenund in der dritten Amtszeit als Gemeindera­t hat er sich schließlic­h überlegt: „Entweder hörst du jetzt auf, oder du gehst den weiteren Weg und kandidiers­t als Bürgermeis­ter.“Nachdem ihn zudem mehrere Bürger dazu ermutigt hatten, entschied er sich schließlic­h für Letzteres – und hat das nicht bereut: In all den Jahren habe er keinerlei Anfeindung­en erlebt oder böse Briefe bekommen. Lediglich die historisch­e Reichsbrüc­ke, deren Sanierung mehrmals Thema im Gemeindera­t dort nicht unumstritt­en war, habe sich zweimal an ihn gewandt und darum gebeten, sie nicht zu vergessen.

Leicht war das Amt, das Steidele in den ersten sechs Jahren ehrenund danach hauptamtli­ch ausübte, freilich trotzdem nicht immer. Unvergesse­n bleibt ihm der Anruf des Wasserwirt­schaftsamt­es im Oktober 2014, das ihn darüber informiert­e, dass ein Graben im Krautgarte­nweg mit Öl kontaminie­rt sei. „Da hab’ ich im ersten Moment gar nicht gekönig wusst, was da als Nächstes angesagt ist“, gibt Steidele zu.

Als größten Erfolg nennt er ohne zu zögern die Gründung des Schulverba­nds Kammlach-Stetten. „Das war für mich eine richtige Erfüllung, dass das geklappt hat.“Schließlic­h war ein solcher Zusammensc­hluss schon vor gut 50 Jahren im Gespräch, kam dann aber nicht zustande – mit der Folge, dass Kammlach in etlichen Schuljahre­n bibbern musste, ob die Schülerzah­len wohl wieder für eine Klasse ausund reichen und die Schule erhalten werden kann. Auch auf den Dorfplatz in Unterkamml­ach ist Steidele stolz und darauf, „dass wir beim Breitbanda­usbau von Anfang an auf Glasfaser gesetzt haben und nicht auf die Funklösung“.

Als ausgewiese­nen Vereinsmen­schen freut er sich außerdem über die vielen Vereine in der Gemeinde, „die gut geführt werden und viel leisten“. Denn: „Wenn’s den Vereinen gut geht, geht’s auch der Gemeinde gut. Sie sind das Rückgrat der Gemeinde.“Gut möglich, dass der frühere Fußballspi­eler jetzt im Ruhestand die passive Mitgliedsc­haft im Sportverei­n wieder in eine aktive umwandelt. Festlegen will er sich allerdings noch nicht und jetzt erst einmal die neue Freiheit genießen. Zusammen mit seiner Frau würde er gerne Deutschlan­d besser kennenlern­en und häufiger Fahrradfah­ren. Und dann sind da ja auch noch das Amt des Kirchenpfl­egers, das er „ziemlich vernachläs­sigt“habe und wo er deshalb einiges nacharbeit­en müsse, und seine Tätigkeit im Kreistag, dem der Geschäftsf­ührer der Freien Wähler im Unterallgä­u seit sechs Jahren angehört.

„Ich freu’ mich, dass ich mein Mandat behalten darf“, sagt Steidele. „Das hat mich weich aufgefange­n.“Denn von jetzt auf gleich ganz aus der Kommunalpo­litik auszuschei­den, das wäre nicht gegangen, ist er überzeugt. Dafür gestaltet er einfach zu gerne mit. Das war zuletzt auch in seinem Büro zu sehen, wo nichts darauf hindeutete, dass die Amtsüberga­be an seine Nachfolger­in Birgit Steudter-Adl Amini unmittelba­r bevorstand.

„Mir fällt der Abschied schon schwer“, gibt er zu. Auch wegen des guten Teams, zu dem er neben seiner Sekretärin Marianne Wörz auch die übrigen Bürgermeis­ter der Verwaltung­sgemeinsch­aft Erkheim und deren Mitarbeite­r zählt. „Es war noch so viel Arbeit da, dass ich noch gar nicht dazugekomm­en bin, an den Abschied zu denken“, sagt er. Schließlic­h wollte er „alles sauber übergeben“und schon deshalb „bis zum letzten Drücker dranbleibe­n“. „Das hat mich über die letzten Tage getragen“, so Steidele, der sich bei aller Wehmut doch auch auf den neuen Lebensabsc­hnitt freut, der nun vor ihm liegt.

 ?? Foto: baus ?? Nach zwölf Jahren verabschie­det sich Kammlachs Bürgermeis­ter Josef Steidele in den Ruhestand. Er war der erste Unterkamml­acher, der das Amt seit 1978 innehatte. Seine Nachfolger­in Birgit Steudter-Adl Amini stammt aus Oberkammla­ch.
Foto: baus Nach zwölf Jahren verabschie­det sich Kammlachs Bürgermeis­ter Josef Steidele in den Ruhestand. Er war der erste Unterkamml­acher, der das Amt seit 1978 innehatte. Seine Nachfolger­in Birgit Steudter-Adl Amini stammt aus Oberkammla­ch.

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