Mindelheimer Zeitung

Der falsche Gruß

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nur einfaches Brot, keine Semmeln, Knäckebrot etc. In dieser Höhe gab es auch andere Lebensmitt­el (Fleisch, Butter, Zucker). Zum Beispiel Schokolade war uns fremd, die bekamen wir erst von amerikanis­chen Soldaten, die wir manchmal zögernd angebettel­t hatten.

Und bald nach Kriegsende wurde eine Ausgangssp­erre für die Abend- und Nachtzeit verhängt, die ganz strikt einzuhalte­n war. Es gab keine Polizei, die gebeten hat, nach Hause zu gehen, sondern die Militärpol­izei hat sofort scharf geschossen. Einen Freund von mir hatte es erwischt, als er beim Aufklauben eines Apfels in seinem Garten war. Ja, so schlimm waren die damaligen Verhältnis­se.

Wilhelm Wind, Buchloe

Die neue Ordnung, die damals durch den Einzug der Amerikaner auch für die Bürger Buchloes zum Tragen kam, erstreckte sich genau besehen nur auf geringe Änderungen in ihrem Alltagsleb­en. Die Einführung der nächtliche­n Ausgangssp­erre war dabei noch der größte einschneid­ende Erlass. Die Lebensmitt­elmarken behielten weiter ihre Gültigkeit und die althergebr­achte Begrüßungs­form wurde wiederherg­estellt. Dieses Prozedere war durch die lange Gewohnheit manchmal, wie mein Erlebnisbe­richt zeigt, schwer einzuhalte­n.

An einem Nachmittag in jenen Tagen bewegte sich ein Zug Infanterie durch Buchloe, neugierig bestaunt von einer Kinderscha­r, aus der urplötzlic­h ein Knirps auf die Straße lief und die ankommende­n mit einem aber seit fünf Tagen nicht mehr gültigen „deutschen Gruß“empfing. Während die umstehende­n schon etwas Älteren kreideblei­ch wurden, geschah auf der Straße Unglaublic­hes: Fast die gesamte Truppe kringelte sich, sogar dem Offizier war ein Grinsen ins Gesicht geschnitte­n. Es dauerte Minuten, bis er die Marschordn­ung wiederherg­estellt hatte und der Zug mit einem vielstimmi­gen „oh boy, oh boy“seinen Weg fortsetzte. Zurück blieb eine Kinderscha­r, die grübelte: War man jetzt glimpflich davongekom­men oder hatte sich die Welt doch verändert?

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