Not macht Musiklehrer erfinderisch
Corona-Krise Was tun, wenn der direkte Kontakt zwischen Schüler und Lehrer nur noch erschwert möglich ist? Sich etwas einfallen lassen. Das Beispiel eines jungen Klavierlehrers
Mindelheim Mit Bravour hatte Emanuel Wiedenmann sein Lehramtsstudium Schulmusik mit Hauptfach Jazz und Klassik an der Musikhochschule Stuttgart beendet. Jetzt hätte es eigentlich losgehen können für den jungen Mann: Kinder und Jugendliche am Klavier unterrichten. Dann kam Corona und alle Pläne waren nur noch Makulatur. Was tun? Wiedenmann versucht es mit Online-Unterricht.
Not macht bekanntlich erfinderisch. Gleich zu Beginn der CoronaKrise hat es der Klavierlehrer zusammen mit seinem Vater Josef Wiedenmann mit Onlineunterricht versucht. Beide haben gute Erfahrungen damit gemacht. Die Kontaktsperren könnten grundsätzlich für alle Altersgruppen als Chance genutzt werden, sich zuhause sinnvoll mit sich selbst zu beschäftigen und zum Beispiel Klavierspielen zu lernen, sagt Emanuel Wiedenmann. Musizieren verbessere erwiesenermaßen die schulischen Leistungen und minimiere das Risiko, im Alter an Demenz zu erkranken.
Allerdings bringe es wenig, einfach im Netz boomende KlavierTutorials zu nutzen. „Das ersetzt keinen Individualunterricht.“Zum einen fehle jegliche Überprüfbarkeit des richtigen Tuns durch einen Lehrer, zum anderen kann der Laie die Seriosität nicht beurteilen. Um die Spieltechnik zu korrigieren, ist es notwendig, gelegentlich den Arm anzufassen und eine verkrampfte Haltung zu korrigieren. „Leider unterliegen viele Eltern und gar manche Klavierlehrer dem fatalen Irrtum, das Thema Technik sei zumindest beim Anfängerunterricht nicht wichtig oder würde die Schüler überfordern“, so der junge Lehrer. Wer von Anfang an auf richtige Haltung achte, vermeide spätere Sehnenscheidenentzündungen.
Grundsätzlich kann Onlineunterricht den Präsenzunterricht nicht ganz ersetzen. „Gehen wir davon aus, dass Corona die Welt noch eine Zeit lang in Atem hält, so wird als gangbarer Kompromiss eine Kombination von Onlineunterricht und gelegentlichem Präsenzunterricht
bei Bedarf unter Einhaltung strenger Sicherheitsstandards die Zukunft sein.“Vom heutigen Montag an ist Einzelunterricht wieder möglich.
Die Schüler können sich beim Üben filmen und erhalten so fachliche Rückmeldung, auf was sie besonders achten sollten. „Support rund um die Uhr ist sehr motivierend, auch wenn’s nur darum geht, ein Audio, Video oder einen Text im Netz zu empfehlen.“Die tauglichen Apps für den Unterricht können gegen wenig Geld heruntergeladen werden, rät Wiedenmann. Ein bisschen investieren sollte man aber bei der Klangübertragung in Echtzeit. „In Mindelheim arbeite ich mit meinem Vater, der anerkannter Klavierlehrer ist, im Team.“
Präsenzunterricht erteilen beide unter Beachtung der Sicherheitsvorgaben in erster Linie durch ein Fenster oder mit medizinischen Profimasken am gereinigten Flügel oder Piano. Eine Kombination aus Präsenz und Onlineunterricht könnte auch für die Zeit nach Corona eine attraktive Alternative sein, da Fahrtzeiten wegfallen und mehrere Schüler gleichzeitig beim Üben betreut werden können, meint Wiedenmann. (jsto)
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Zur Person: Emanuel Wiedenmann studierte ab 2014 an der Musikhochschule Osnabrück Hauptfach Pop Piano, Hammond Organ bei John Hondorp und Jazzklavier bei Thomas Rückert. 2019 schloss er sein Studium mit Bachelor of Arts Music Education mit Note eins ab.