Die Sehnsucht nach Normalität
Die Angst geht um. Diesmal aber so richtig. Voriges Jahr noch, da war es mehr so eine diffuse Angst. Die Bienen und Insekten könnten uns abhandenkommen, und auch das Klima. Das war ernst. Theoretisch. Tatsächlich machten wir weiter wie gehabt und hatten ja auch gleich die wichtigste Ausrede parat, die immer geht: Der Einzelne kann ja sowieso nichts ändern.
Aber jetzt ist es wirklich ernst. Jetzt werden wir gezwungen etwas zu ändern, nämlich unser Verhalten. Appelle hatten ja nicht gefruchtet. Aber oh weh, oh Schmerz, wir lieben doch unsere Freiheit über alles. Und diese Masken, die bringen doch nichts. Sagt der Einzelne. Und vorschreiben lassen wir uns schon gar nichts. Wo kämen wir denn da hin? Wir leben doch nicht in einer Diktatur. Sagt der Einzelne.
Es geht um unseren Lebensstil, der zumindest vorübergehend infrage steht. Kein Oktoberfest, keine Live-Konzerte, keine offenen Wirtschaften, kein Sommerurlaub an der Adria, keine Flüge. Stattdessen die Maß daheim, Konzerte im Internet, Abholservice, Urlaub auf Balkonien, billiger Sprit an der Zapfsäule und Gespräche mit der eigenen Familie. Alles unerträglich, natürlich.
Es soll alles wieder so werden wie früher, also vor dem März. Wir wollen unsere Normalität zurück. Sagt der Einzelne. Und siehe da: Er ward erhört. Der erste Flieger schwebte über Mindelheim zum Landeanflug auf Memmingen zu. Bienen, bitte anschnallen, es wird wieder turbulent.