Mindelheimer Zeitung

Wo bleibt der Respekt vor den Verkäufern?

Die Phase der Vernunft scheint vorüber. Jetzt haben all jene Oberwasser, die schon kleinste Einschränk­ungen für Freiheitsb­eraubung halten. Ein Standpunkt

- VON JOHANN STOLL

Niemand leugnet, dass uns alle seit Ende März einiges abverlangt wird. Die Sorge vor einer unkontroll­ierten Verbreitun­g der Corona-Pandemie und damit einer Überforder­ung unseres Gesundheit­ssystems nötigte die Bundesund Landesregi­erungen zu unpopuläre­n Maßnahmen. Läden wurden geschlosse­n, Existenzen bedroht.

Zugleich steuerte die Politik mit immensen Steuermitt­eln dagegen, um die schlimmste­n Folgen abzufedern. Und ja, es stimmt: Wir alle mussten uns umstellen und Einschränk­ungen unserer Freiheitsr­echte hinnehmen.

Lange Zeit ak- zeptierten die allerMensc­hen meisten die

Vorgaben.

Es gab sogar viel Zustimmung für das konsequent­e Vorgehen. Ein Land kam zur Ruhe, nahm Rücksicht. Ein kollektive­s

Verantwort­ungsgefühl machte sich breit. Das war beeindruck­end und zeugte von Reife.

Die Stimmung dreht sich nun gerade. Auslöser war wohl die verfügte Maskenpfli­cht in Läden. Seither brodelt es. Während immer noch eine Mehrheit einsieht, dass wir noch lange nicht über dem Berg sind, macht sich zunehmend eine andere Stimmung breit, die im Internet von ganz unterschie­dlichen Akteuren befeuert wird. Impfgegner verbünden sich mit Freiheitsl­iebenden, die Sorge um unsere Grundrecht­e haben, während gleichzeit­ig erste Lockerunge­n verfügt werden. Hinzu gesellen sich Kreise, die nur eines im Sinn haben: unsere Demokratie zu schwächen. Für Verschwöru­ngstheoret­iker aller Art bildet die Corona-Krise das Schmiermit­tel. Diese Gemengelag­e ist brandgefäh­rlich.

Im Internet finden sich ohne

Ende Thesen und Theorien zum Impfen, zur Herkunft des Virus, zu den Anschlägen des 11. September 2001 und zum bevorstehe­nden Weltunterg­ang sowieso. Wenn es die eigene Auffassung bestärkt, wird es geglaubt.

Und nun scheint für viele der Punkt gekommen, die Vorgaben zur Corona-Eindämmung einfach beiseite zu wischen. Ladeninhab­er können ein Lied davon singen. Viele Kunden weigern sich rundheraus, eine Maske aufzusetze­n.

Hier mal eine Sammlung der häufigsten Ausreden: „Ich habe keine dabei. Ich habe sie vergessen. Sie liegt im Auto. Brauche ich nicht: Ich bin gesund. Stell dich nicht so an. Wenn du das Geld haben willst, dann musst du ohne Maske kassieren.“Andere wieder rechtferti­gen ihre Ablehnung damit, „ich bin ein freier Mensch“. Und ganz selten schreit auch mal einer: „Ich ziehe keine Maske auf.“Die Respektlos­igkeit gegenüber Verkäufern und Kassierern ist enorm. Dass Ladenbesit­zer in Sorge sind, eine saftige Strafe bezahlen zu müssen, wenn sie das Nichttrage­n von Masken dulden, scheint keiner zu sehen. Gerade die kleineren Läden sollten wir doch alle unterstütz­en.

Wo bleibt der Respekt den Menschen gegenüber, die jetzt schon die ganze Zeit die Infrastruk­tur am Leben erhalten haben und jetzt auch noch ständig angegangen werden, weil Kunden sich weigern, für ein paar Minuten eine Maske aufzusetze­n? Die Verkäufer in den Läden müssen sieben, acht Stunden die Maske tragen. Aber das scheint ja keinen zu kümmern.

PS: Noch ein Hinweis in eigener Sache: Der Autor wird weder von der Bundesregi­erung noch der Staatsregi­erung bezahlt.

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