Mindelheimer Zeitung

Der Hobbyschre­iner mit Vhs-Kochdiplom

Nachbarsch­aft Nach insgesamt über 45 Jahren räumt Bürgermeis­ter Josef Schweinber­ger seinen Schreibtis­ch im Buchloer Rathaus

- VON CLAUDIA GOETTING

Buchloe Seit Oktober 1974 – also über 45 Jahre – hatte Josef Schweinber­ger einen Schreibtis­ch im Buchloer Rathaus. Auf die Ausbildung in der Stadtverwa­ltung folgten die Arbeit in verschiede­nen Abteilunge­n und Funktionen – und schließlic­h ab 2003 das Amt des Bürgermeis­ters. Als klassische­n Schreibtis­chtäter, verbunden mit den oft nicht ganz netten Witzen, kann man den 63-Jährigen aber nicht bezeichnen.

Bei einem Rundgang durch Haus und Garten in Lindenberg wird klar: Der Mann hat handwerkli­ches Geschick. Holzdecke im Eingangsbe­reich, Boden im Wintergart­en, Holzlege, Hochbeete, offener Gartengril­l mit Steinmauer oder dem gepflaster­ten Bereich davor. „Das habe ich alles selbst gemacht“, sagt er. Der Wintergart­en besteht aus ausrangier­ten Glas-Holz-Elementen des alten Don-Bosco-Kindergart­ens.

Auf seine Holzwerkst­att im Keller ist er besonders stolz – und er freut sich darauf, dort nun wieder mehr Zeit zu verbringen. Am 1. Mai endete nämlich seine 16-jährige Amtszeit als Bürgermeis­ter. Hobbys und Familie blieben in den vergangene­n Jahren mit vielen Sieben-Tage-Wochen und zahllosen Abendtermi­nen oft auf der Strecke. Aber Ehefrau Margit und die Töchter Eva und Andrea haben ihm immer den Rücken gestärkt. Nur mit deren Zustimmung hatte sich Schweinber­ger 2002 zur Kandidatur für das Bürgermeis­teramt bereit erklärt – damals als Parteilose­r auf der CSUListe. Er setzte sich mit knapp 60 Prozent gegen den auswärtige­n Bewerber Rudolf Kriegl, den SPD, UBI, Freie Wähler und Grüne nominiert hatten, durch. Bei den Wahlen 2009 und 2014 hatte Schweinber­ger keine Gegenkandi­daten. Das hatte es vorher in der Stadt noch nie gegeben.

Über 16 Jahre Bürgermeis­ter. Da gibt es natürlich viel zu erzählen. Ein Rückblick auf die Amtszeit Schweinber­gers im Zeitraffer – und mit Lücken: Bau von vier Kindergärt­en, Neubau des Gymnasiums, des Feuerwehrh­auses sowie des Bahnhofsem­pfangsgebä­udes, Umsetzung des Standort-Entwicklun­gskonzepts, das Augsburger Geografie-Studenten erarbeitet haben (mit dem Bau der Kreisverke­hre oder der Radwege), energetisc­he Sanierunge­n öffentlich­er Gebäude, Renaturier­ung der Gennach.

Interessan­ter aber sind die Anekdoten drumherum. Schweinber­ger wäre als Standesbea­mter fast im Guinness-Buch der Rekorde gelandet. Der älteste Bräutigam, der vor ihm stand, war 99 Jahre alt.

Der schönste Tag in seiner Amtszeit? „Der 19. Juni 2009“, kommt es wie aus der Pistole geschossen. Am späten Nachmittag war die Nachricht aus München eingetroff­en: „Buchloe bekommt ein Gymnasium.“

Eine erneute Kandidatur war nie ein Thema – auch nicht vor seinem schweren Herzinfark­t im März 2017, der ihn kurz vor seinem 60. Geburtstag wie ein Blitz aus heiterem Himmel getroffen habe.

Ehefrau Margit, die ihren Mann oft entbehren musste, freut sich nun auf die gemeinsame Zeit mit ihm. Die Erzieherin geht im August ebenfalls in Rente. Bisher war dem Paar die Mittagspau­se quasi heilig. „Da er abends meistens erst sehr spät kam oder überhaupt nicht da war, habe ich ihn am Mittag zwei Stunden von der Außenwelt abgeschirm­t“, erzählt sie.

Und sie freut sich darauf, jetzt öfter bekocht zu werden. Josef Schweinber­ger ist für die Braten zuständig – egal ob Wild, Rind oder Schwein. Immerhin hat er ein VhsKochdip­lom aus dem Jahr 1975, als er mit drei Kollegen aus dem Rathaus, die inzwischen alle verstorben sind, einen Kurs besucht hat.

Komplett zieht sich Schweinber­ger aber noch nicht zurück: Für die CSU sitzt er wieder im Ostallgäue­r Kreistag, und auch im Hochwasser­zweckverba­nd Gennach-Hühnerbach wird er sein Wissen weiterhin einbringen.

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Foto: arc Josef Schweinber­ger.

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