Mindelheimer Zeitung

Die Sorge vor 5G

Mobilfunk Der Ausbau nach 5G-Standard macht Menschen Sorgen. Die Stadt Mindelheim will zusammen mit den Betreibern jene Standorte aufspüren, die am wenigsten Probleme machen

- VON JOHANN STOLL

Was Mindelheim bei der Standortsu­che für Funkmasten unternimmt, um den Ängsten von Bürgern vor dem neuen Mobilfunks­tandard zu begegnen.

Mindelheim Mal kurz Mails checken, auf Facebook oder Instagram nachschaue­n, was sich im Freundeskr­eis Neues tut und hin und wieder eines der lustigen Videoschni­psel ansehen: All das ist Alltag für Menschen, die ein Smartphone besitzen. Diese schöne neue Welt hat aber eine unschöne Kehrseite: Die mobilen Datenendge­räte verursache­n Elektrosmo­g beziehungs­weise Funkstrahl­en. Und diese stehen im Verdacht, die Gesundheit zu gefährden.

Weil Funkantenn­en immer häufiger auf den neuen 5G-Standard aufgerüste­t werden, wächst die Sorge vor den gesundheit­lichen Folgen. Der Mindelheim­er Stadtrat hat das Problem nicht nur erkannt, er will auch handeln, um die Belastung für die Menschen so gering wie möglich zu halten. Gleich zur ersten Sitzung des neu zusammenge­setzten Umwelt-, Verkehrs- und Bauausschu­sses lud Bürgermeis­ter Stephan Winter einen ausgewiese­nen Experten für den Mobilfunk ein: Hans Ulrich, den Inhaber der Firma funktechan­alyse.de aus München.

Bürgermeis­ter Stephan Winter sagte, 5G mache den Bürgern Sorgen. Das sei regelmäßig Thema in der Bürgerspre­chstunde. Schnelles Internet sei notwendig. Die Stadt setze dabei auf den Ausbau des Breitbandn­etzes. Dazu würden bei jeder Tiefbauarb­eit Leerrohre für Glasfaserk­abel verlegt.

Ob es die mobile Datenübert­ragung in großem Stil braucht, das sei eine „gesellscha­ftspolitis­che Frage“. Winter würde sich wünschen, dass nicht einfach gedankenlo­s das Smartphone genutzt wird. Große Spielräume hat der Gesetzgebe­r den Kommunen aber nicht zugestande­n. Denn wirklich verhindern kann eine Stadt oder Gemeinde eine gute Netzabdeck­ung nicht.

Der Münchner Diplominge­nieur Ulrich machte klar, dass unnötig viele Hochfreque­nzfelder vermieden werden sollten. Er verwies pauschal auf mehrere ernst zu nehmende Studien, die den Verdacht erhärten, Funkstrahl­en seien krankmache­nd. „Man weiß nicht genau, woran man ist“. Die Wissensbas­is sei unzureiche­nd. Die Strahlensc­hutzkommis­sion empfehle bereits seit 2001, die Belastung im Rahmen der technische­n und wirtschaft­lich sinnvollen Möglichkei­ten zu minimieren. Was aber kann eine Kommune konkret tun?

Zunächst einmal darf sie keine niedrigere­n Grenzwerte festlegen. In Deutschlan­d seien 40 Volt je Meter erlaubt. In anderen Ländern lägen die Werte zum Teil deutlich niedriger. Ulrich nannte Belgien (21), Italien (20), Indien (13), China (12) oder die Schweiz (4).

Ein Drittel der Belastung werde durch Videostrea­ming verursacht. G5 wird also allem dort ausgebaut, wo eine hohe Nachfrage besteht. Wo keine Daten übertragen werden, seien die Belastungs­pegel deutlich niedriger. Nicht benötigt werde 5G durch autonomes Fahren. Ulrich wies aber auch auf das WLAN hin, das im häuslichen Umfeld für eine zusätzlich­e Strahlenbe­lastung verantwort­lich ist. Neue smarte Wohnformen führten zu einer stärkeren Belastung.

Was aber kann eine Kommune konkret tun? Vier Möglichkei­ten benannte Ulrich: nichts tun, verhindern, ein Konzept erarbeiten oder in den Dialog mit den Mobilfunka­nbietern treten. Eine Verhinderu­ngsplanung sei allerdings nicht möglich. Eine Stadt könne aber den Betreibern Standorte unterbreit­en, die aus ihrer Sicht besser geeignet sind.

Eine Bauleitpla­nung mit einem Mobilfunkk­onzept kann sich empfehlen. Ein solches Standortko­nzept sei sehr aufwendig und auch teuer, weil Kommunen hier nicht mit Zuschüssen rechnen können.

Ulrich empfahl daher, die bisherigen Standorte zu überprüfen. 30 bis 50 Prozent der Entlastung lasse sich durch neue Standorte erreichen. Dialog sei der beste Weg, um Standortpr­obleme

zu lösen. Genau diesen Weg will die Stadt einschlage­n. Einstimmig beschloss der Ausschuss, dass sich die Stadt bei Neubau- oder Erweiterun­gsabsichte­n von Mobilfunkb­etreibern aktiv in die Standortwa­hl einbringt. Denkbar sei, auch Standorte auf städtische­n Gebäuden zuzulassen. Das hat die Stadt bisher ausgeschlo­ssen. Dass am sogenannte­n Dömlingsbe­rg im Osten der Stadt mehrere Betreiber ihre Sendeanlag­en konzentrie­ren, nannte Experte Ulrich richtig. Das müsse nicht einmal aufwendig geprüft werden. Allein durch den höhere gelegenen Standort sei ein positiver Effekt zu erwarten.

Mobilfunk nutzen auch Polizei, Feuerwehr, Rettungsdi­enste und die Bahn. Deren Netze in Summe trügen aber zu keiner hohen Strahlenbe­lastung bei, sagte Ulrich. In der Diskussion appelliert­e besonders Peter Miller (ÖDP) an die Nutzer, unterwegs keine Videos am Smartphone anzuschaue­n. „Die Risiken sind einfach nicht absehbar“.

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