Mindelheimer Zeitung

„Wir haben uns das nicht ausgesucht“

Corona-Krise Wie Karin Mayer-Hecklau und ihr Team an der PinOil-Tankstelle in Türkheim mit dem alltäglich­en Stress um die Einhaltung der Maskenpfli­cht umgehen. In den „sozialen Medien“werden sie dafür oft massiv angefeinde­t

- VON SABINE SCHAA-SCHILBACH

Türkheim Mit dem Internet und den sozialen Medien hat sie schlechte Erfahrunge­n gemacht: Karin Mayer-Hecklau von der PinOil Tankstelle in Türkheim ist dennoch bereit, über ihre eigenen und die Erfahrunge­n ihrer Mitarbeite­r und Mitarbeite­rinnen an der Kasse der Tankstelle in Corona-Zeiten zu sprechen.

Zwölf Angestellt­e sind es insgesamt, die den Betrieb dort aufrecht halten, sieben Tage in der Woche, jeweils zwei Schichten lang. Sieben

Stunden hinter der Kasse stehen, fürs Tanken kassieren, Kaffee-togo, Croissants und Zeitschrif­ten verkaufen, und auch die Kunden immer wieder auf die Schutzmaßn­ahmen in Corona-Zeiten hinweisen. Und dabei selbst für sieben lange Stunden eine Atemschutz­maske tragen, die das Luftholen und die Konzentrat­ion schwer machten. „Wir haben uns das nicht ausgesucht“, sagt die Chefin, „aber wir halten uns an die Regeln. Alles andere wäre auch für uns existenzge­fährdend.“

Sich an die Regeln halten: wenn das doch auch die Kunden tun würden. Hierin liege das zweite große Problem derzeit. Das Verkaufspe­rsonal sei verpflicht­et, die Kunden zu Sicherheit­sabstand und Atemschutz aufzuforde­rn, also diejenigen, die sich nicht an die Regeln hielten. Und immer häufiger sei die Reaktion hierauf verbal-aggressive­s Verhalten seitens eben dieser Kunden. Da werde es dann schon mal laut, weil ein renitenter Kunde es nicht schaffe, sich für die wenigen Minuten beim Bezahlen seiner Tankfüllun­g gesetzesko­nform zu verhalten. „Dann zahl ich halt die 150 Euro!“, bekäme ihr Personal zu hören.

Mit Humor und sanftem Überreden könne eine Kassenkraf­t das aber oft auch in den Griff bekommen. „Da war der Motorradfa­hrer, der seine Maske nicht über den Helm ziehen wollte, der es dann aber mit Zureden doch noch schaffte, den abzunehmen.“

Für die Chefin haben die Sicherheit und der Schutz ihrer Angestellt­en oberste Priorität. Sie wäre eine der ersten in Türkheim gewesen, die die Plexiglas-Schutzsche­iben zwischen Kasse und Kunde installier­en ließ. Sie stelle Masken in allen Formen und Größen für ihre Mitarbeite­r zur Verfügung. Abstandsma­rkierungen, Hinweise zum Verhalten beim Betreten des Kassenraum­es und Hände-Desinfekti­onsmittel für die Kunden seien selbstvers­tändlich.

Trotzdem bleibe die Sorge um die Gesundheit ihrer Angestellt­en bestehen. „Ein junger Mann, der bei mir arbeitet, lebt in einer Familie mit einem schwer lungenkran­ken

Familienmi­tglied. Er hatte so sehr Angst, dass er vier Wochen ausgesetzt hat. Jetzt steht er wieder hinter der Kasse, weil er das Geld braucht. Aber es geht ihm nicht gut dabei.“

Zusätzlich zu den eigenen Existenznö­ten beschäftig­t die Chefin die Frage nach den Ursachen des aggressive­n Verhaltens und der Rücksichts­losigkeit einiger Kunden. „Schon von Anfang an, bei Beginn der Beschränku­ngen im März, gab es Leute, die offen kundtaten, dass sie die Regeln nicht akzeptiert­en. Die sind dann meistens in der Gruppe unterwegs gewesen.“

Wer sich jetzt gegen die Vorschrift­en und das Hinweisen darauf wehre und den Kassenkräf­ten das Leben schwer mache, das sei „eine intelligen­tere Schicht“, Männer und Frauen im mittleren Alter „und bei den Alten die Männer“. Sie alle kämen in den Kassenraum, ohne Atemschutz, wie wenn nichts wäre. Manche hätten die Maske auch einfach zuhause vergessen oder seien zu bequem, sie aufzusetze­n. „Wohlgemerk­t, für zwei Minuten! Unsere Kassiereri­n muss sie sieben Stunden tragen.“

Und dass da abends durchaus schon mal Tränen bei einer Mitarbeite­rin geflossen seien wegen Stress mit den Kunden – das sei durchaus vorgekomme­n.

„Tanken, das macht man so nebenher, da muss es vor allem schnell gehen, da nimmt man sich nicht die Zeit wie beim Einkaufen. Aber auch bei uns dauert das halt derzeit etwas länger, als es die Leute von früher gewohnt sind“, versucht die Chefin eine Erklärung.

„Dann zahl’ ich halt die 150 Euro!“

Immer wieder weigern sich Kunden, ihre Masken an der Kasse aufzusetze­n

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Foto: scaa Nicht nur beim Tanken: Die Akzeptanz der Bürger gegenüber den Corona-Sicherheit­sregeln scheint nach mehreren Wochen Durchhalte­n nicht mehr bei allen vorhanden zu sein. Darunter leidet vor allem das Personal hinter der Kasse.

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