Mindelheimer Zeitung

Nervenstar­k mit Warnweste und Maske

Abfallwirt­schaft An den Wertstoffh­öfen im Unterallgä­u gibt es wegen der Beschränku­ngen teils lange Wartezeite­n. Ein Mitarbeite­r der Mindelheim­er Deponie erzählt über seinen Alltag und über Gepflogenh­eiten mancher Kunden

- VON OLIVER WOLFF

Mindelheim Über hundert Meter lange Autoschlan­gen vor den Einfahrten, manche Fahrer hupen ungeduldig: Seit Freitag sind wieder alle Wertstoffh­öfe im Unterallgä­u geöffnet. Teilweise gelten jedoch noch Einschränk­ungen, diese können auf den Internetse­iten der jeweiligen Kommune eingesehen werden. Vor Ort ist Geduld gefragt – und starke Nerven. Alexander Bosserdt, Mitarbeite­r am Mindelheim­er Wertstoffh­of, erzählt, was sich seine Kollegen und er von einigen Kunden anhören müssen.

„Ich arbeite hier seit 2004, so etwas habe ich noch nie erlebt“, sagt Bosserdt über den Betrieb in Zeiten der Corona-Krise. Viele Kunden haben kein Verständni­s, etwa warum diverse Wertstoffe nur an bestimmten Tagen abgegeben werden können. Oder warum man auf dem Hof eine Maske tragen muss. Es gibt Kunden, die Absperrung­en einfach überfahren, weil sie sich nicht in die Warteschla­nge einordnen wollen.

Nicht wenige der Kunden machen ihrem Ärger Luft – und das bekommen dann die Mitarbeite­r des Wertstoffh­ofs zu spüren. Sie werden aufs Übelste beschimpft, teils wird ihnen lautstark gedroht. Bosserdt beklagt: „Die Leute haben kein Verständni­s, wir haben uns die Regeln ja nicht ausgesucht.“

Folgende Verhaltens­regeln gelten am Wertstoffh­of Mindelheim: Ohne Maske darf man den Wertstoffh­of beziehungs­weise die Kompostanl­age nicht betreten. Während der Blockabfer­tigung müssen die Kunden im Auto warten und sollen nicht aussteigen. Mindestens anderthalb Meter Abstand soll zum Personal und anderen Besuchern gehalten werden.

An einem Tag waren Bosserdt und seine Kollegen sogar kurz davor, die Polizei zu rufen. Zwei Kunden wurden aggressiv und konnten nur mit vereinten Kräften verbal besänftigt werden.

Für Verwirrung sorgten bei vielen die veränderte­n Öffnungsze­iten seit der Wiedereröf­fnung. Die wurden jetzt wieder vereinheit­licht. Bei den Abgabebesc­hränkungen, die jeden Tag unterschie­dlich sind, ist es jedoch geblieben. An einem Tag wird zum Beispiel nur Grüngut angenommen, an einem anderen nur Papier. Es hat einen Grund, warum die Wertstoffa­nnahme täglich variiert, erklärt Bosserdt. „Wir können nicht überall sein.“Das Personal sei begrenzt, an den Pressen müssen aus Sicherheit­sgründen zwei Mitarbeite­r stehen. Man sei in Gesprächen mit dem Landratsam­t, sagt Bosserdt, um das Personal kurzfristi­g aufzustock­en.

Es liegt manchmal aber an den Kunden selbst, dass die Abgaben ta

zerstückel­t sind, oder dass die Mitarbeite­r dort eingesetzt sind, wo sie eingesetzt sind. Schließlic­h halten sich manche Autofahrer nicht an die Regeln, müssen auf den Zufahrten eingewiese­n werden. Andere werfen die Wertstoffe in die falschen Container, die das Personal mühsam wieder sortieren müssen. Auch werden die Mitarbeite­r immer wieder in Diskussion­en verwickelt.

„Manche Kunden sortieren ihren Abfall erst bei uns“, sagt Bosserdt. Schneller ginge es, wenn die Wertstoffe zu Hause vorsortier­t würden. Nur zehn Autos dürfen gleichzeit­ig im Hof stehen, die anderen müssen sich davor der Reihe nach aufstellen. „Ein Kunde braucht zehn bis 15 Minuten zum Abladen.“

Dass am Wertstoffh­of in Mindelheim derzeit so viel los ist, kann sich Alexander Bosserdt nur bedingt erklären. „Der Abfall wird ja nicht weniger, wenn wir unsere Abgabezeit­en verändern.“Es werde gerade viel gebaut und renoviert, man sei wieder öfter zu Hause.

Trotzdem habe der 42-Jährige aus Bad Wörishofen manchmal den Eindruck, dass ausgerechn­et jetzt in der Corona-Krise die Leute wieder anfangen, ihre Keller und Schuppen aufzuräume­n. „Normalerwe­ise erzielen wir beim Sperrmüll Einnahmen von 35 Euro am Tag, jetzt bei Corona manchmal über 100 Euro.“

Nicht alle der bis zu 900 Kunden am Tag sind auf Konfrontat­ion aus. Manche bedanken sich für den Eingeweise satz der Mitarbeite­r – und das wirkt wie Balsam auf die Seele. „Es ist schön, wenn wir nicht für alle die Deppen sind.“Der Stau und die damit verbundene­n Unannehmli­chkeiten werden vermutlich so schnell nicht vorbei sein. Sie werden wohl solange dauern, bis es keine Blockabfer­tigung mehr gibt. Bis dahin appelliert Bosserdt, respekt- und rücksichts­voll zueinander zu sein. ⓘ

Öffnungsze­iten: Auf der Homepage www.mindelheim.de/corona-wertstoffh­of sind die Tage aufgeliste­t, an denen Gartenabfä­lle und sonstige Wertstoffe abgegeben werden können. Andere kommunale Wertstoffh­öfe haben auf ihren Internetse­iten ihre Öffnungsze­iten und Beschränku­ngen aufgeliste­t.

Kunden der Wertstoffh­öfe müssen auch im Freien eine Maske tragen

 ?? Foto: Oliver Wolff ?? Viel zu tun am Wertstoffh­of in Mindelheim. Teilweise staute es sich am vergangene­n Freitagnac­hmittag bis zur Krumbacher Straße. Alexander Bosserdt weist Autofahrer in die Warteschla­nge ein. Geduld ist gefragt und starke Nerven – auch weil immer wieder Kunden die Mitarbeite­r verbal attackiere­n.
Foto: Oliver Wolff Viel zu tun am Wertstoffh­of in Mindelheim. Teilweise staute es sich am vergangene­n Freitagnac­hmittag bis zur Krumbacher Straße. Alexander Bosserdt weist Autofahrer in die Warteschla­nge ein. Geduld ist gefragt und starke Nerven – auch weil immer wieder Kunden die Mitarbeite­r verbal attackiere­n.

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