Mindelheimer Zeitung

Studie: Corona fördert die Schwarzarb­eit

Soziales Ein Experte schätzt den Schaden für den Staat auf 344 Milliarden Euro

- VON CHRISTINA HELLER

Augsburg Wegen der Corona-Pandemie wird die Schwarzarb­eit in Deutschlan­d bis Ende des Jahres offenbar deutlich ansteigen. Zu dieser Erkenntnis kommt der Linzer Wirtschaft­sprofessor Friedrich Schneider, der sich seit 40 Jahren mit dem Thema Schattenwi­rtschaft beschäftig­t. Einmal im Jahr gibt er mit dem Institut für angewandte Wirtschaft­sforschung in Tübingen eine Prognose zur Schattenwi­rtschaft heraus. Wegen der Corona-Krise hat Schneider nun allerdings neue Berechnung­en angestellt. Die neuesten Zahlen, die unserer Redaktion vorliegen, zeigen: Schrumpft die deutsche Wirtschaft 2020 um etwa sieben Prozent – wovon etwa der Internatio­nale Währungsfo­nds ausgeht –, wird der Anteil der Schwarzarb­eit an der Wirtschaft­sleistung im Vergleich zum Vorjahr um 14 Prozent anwachsen. Sie würde dann ein Volumen von knapp 10,5 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s (BIP) erreichen – das sind umgerechne­t rund 344 Milliarden Euro. Geld, das der Staat nötig hätte, pumpt er doch gerade riesige Summen in die Rettung der Wirtschaft.

Überrasche­nd kommt dieser Anstieg für Schneider nicht. Seit 2003 ist die Schattenwi­rtschaft in Deutschlan­d zwar rückläufig – doch schon in der Finanzkris­e 2009 arbeiteten mehr Menschen schwarz als noch ein Jahr zuvor. Der Experte erklärt das so: Wenn die Lage am Arbeitsmar­kt gut ist, Mitarbeite­r händeringe­nd gesucht werden und die Wirtschaft wächst, geht die Schwarzarb­eit zurück. Kommt es indes zu einer Rezession, verdienen sich Menschen häufiger etwas dazu, ohne es dem Finanzamt zu melden. Ein Problem? Überhaupt nicht, findet Schneider. „Das Geld, das mit Schwarzarb­eit erwirtscha­ftet wird, fließt ja eins zu eins wieder in die Wirtschaft zurück“, sagt er. Für viele Menschen, die etwa durch Kurzarbeit einen Teil ihres Lohns einbüßten oder gar arbeitslos würden, sei Schwarzarb­eit ein Weg, nicht in die Armut zu rutschen.

Thomas Eigenthale­r sieht das ganz anders. Er ist der Vorsitzend­e der Deutschen Steuergewe­rkschaft. Menschlich, sagt Eigenthale­r, könne er es verstehen, wenn jemand, der durch Kurzarbeit oder Arbeitslos­igkeit weniger Nettoeinko­mmen zur Verfügung habe, Angst bekomme. „Und die ökonomisch­e Not erhöht vielleicht bei manchem die Neigung, bei der Steuer nicht ehrlich zu sein“, sagt er. Dennoch verurteilt er Schwarzarb­eit scharf. Er merkt aber noch etwas an: Nicht nur die Not der Menschen wachse. Auch die Kontrollen würden durchlässi­ger.

Schon 2019 waren in den deutschen Finanzämte­rn 6000 Stellen unbesetzt – es findet sich kaum Nachwuchs. Bei den Steuerfahn­dern sieht es nicht besser aus. 3300 gibt es davon deutschlan­dweit. Nicht besonders viele, findet Eigenthale­r. Und auch sie können ihren Aufgaben momentan nur eingeschrä­nkt

Es fehlt an Zollfahnde­rn und Finanzbeam­ten

nachkommen. „Wenn die Kontrollen wegfallen, wird die Verlockung noch größer“, sagt er.

Die Zahl der Zollbeamte­n, die Schwarzarb­eit aufdecken sollen, ist nach Angaben der Zoll- und Finanzgewe­rkschaft BDZ ebenfalls zu niedrig. 7263 Mitarbeite­r beschäftig­t die Finanzkont­rolle Schwarzarb­eit momentan. In den kommenden fünf Jahren soll die Zahl auf 10000 ansteigen – zu langsam, findet KarlHeinz Wißmeyer vom BDZ Nürnberg. Der Zoll selbst hat übrigens keine Schätzunge­n dazu, ob die Schwarzarb­eit wegen der Krise ansteigen könnte. Auch nicht dazu, ob die Behörde mehr Ermittler bräuchte. Warum? „Die Zollverwal­tung beteiligt sich nicht an Spekulatio­nen zu möglichen zukünftige­n Entwicklun­gen der Schwarzarb­eit“, heißt es.

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