Mindelheimer Zeitung

Liegen EU-Hilfen am Ende bei drei Billionen Euro?

Wiederaufb­au Ursula von der Leyen geht es nicht nur ums Geld. Sie will die Solidaritä­t stärken

- VON DETLEF DREWES

Brüssel Dieser Mittwoch könnte so etwas wie ein Schicksals­tag für Ursula von der Leyen werden. Die Präsidenti­n der EU-Kommission weiß, dass sie heute nicht nur den lange erwarteten Entwurf für einen Wiederaufb­au-Fonds der vom Coronaviru­s schwer getroffene­n Gemeinscha­ft vorzulegen hat. Sie ist auch als Predigerin für Solidaritä­t, Wächterin der Rechtsstaa­tlichkeit in Europa und Mutmacheri­n in der tiefsten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg gefragt. Also bereitete ihre Behörde den großen Auftritt schon mal stimmungsv­oll vor: Auf einem bunten Faltblatt hatten von der Leyens Beamte viele Beispiele aufgeliste­t, dass die Solidaritä­t innerhalb der EU bisher funktionie­rt habe: Das italienisc­he Unternehme­n Ramazotti stellte seine Likörprodu­ktion auf Desinfekti­onslösunge­n um. Der deutsche Kosmetikhe­rsteller Beiersdorf produziert­e eine Million Liter Desinfekti­onsmittel. Das schwedisch­e Modehaus H & M schneidert­e 100 000 Atemschutz­masken für Spanien und Italien. Die Botschaft: Der Wiederaufb­au-Fonds werde diese Solidaritä­t fortsetzen.

Dabei ist schon vor diesem Mittwoch viel geschehen: Die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) hat ein zusätzlich­es Programm zum Ankauf von Staats- und Unternehme­nsanleihen über 750 Milliarden Euro aufgelegt, um die Staatskass­en zu entlasten. Für rund 200 Milliarden Euro vergibt die Europäisch­e Investitio­nsbank in Luxemburg, die Hausbank der EU, Kredite vor allem an Mittelstän­dler. Die Europäisch­e Kommission schuf ein europäisch­es Kurzarbeit­ergeld – Kostenpunk­t:

100 Milliarden Euro. Und der Europäisch­e Stabilität­smechanism­us (ESM) bietet Darlehen für die Mitgliedst­aaten bis zu einer Höhe von 240 Milliarden. Die scharfen Auflagen – bisher war das Geld an innenpolit­ische Reformen wie bei der Griechenla­nd-Rettung geknüpft – hatte man gekippt. Dennoch blieb der ESM-Topf bisher unangetast­et. Vor allem Italien weigert sich zuzugreife­n, weil der Rettungsfo­nds in der südlichen EU keinen guten Ruf hat. Trotzdem: In Summe sind das gut 1,2 Billionen Euro. Und was dieser Mittwoch bringt, kommt noch oben drauf.

Dazu gehört die mittelfris­tige Finanzplan­ung für die sieben Jahre nach 2021. Zwar ist die Höhe der EU-Beiträge im Detail umstritten. Aber auch wenn sie auf heutigem Niveau eingefrore­n würden, stünde ein Etat von gut einer Billion Euro bis 2027 zur Verfügung – für Landwirtsc­haft, Klimaschut­z, Förderung der regionalen Infrastruk­tur und alle anderen Aufgaben. Die Zwischenbi­lanz ergibt rund 2,2 Billionen Euro – aber auch das bleibt nur die Basis für den Wiederaufb­auFonds. 500 Milliarden Euro haben Bundeskanz­lerin Merkel und Frankreich­s Staatspräs­ident Macron dazu vorgeschla­gen. Es könnten mehr werden, spekuliere­n Beobachter im Umfeld der EU-Kommission. Stehen am Ende unterm Strich mehr als drei Billionen Euro an kurz- und langfristi­gen Hilfen?

Doch es geht um mehr: Von der Leyen müsse eine Lösung präsentier­en, die gerecht ausfällt. Deshalb ist ein Verteilsch­lüssel gefragt, der allen hilft. In einigen Mitgliedst­aaten im Süden wächst nämlich die Befürchtun­g, dass das einst wachstumsu­nd immer noch kapitalkrä­ftige Deutschlan­d mehr Geld ausgeben kann als jede andere Regierung in der EU – und deshalb deutlich stärker aus der Talsohle wieder herauskomm­t.

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U. von der Leyen

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