Mindelheimer Zeitung

IHK-Präsident warnt vor zweitem Runterfahr­en der Wirtschaft

Hintergrun­d Die konjunktur­elle Lage in Schwaben ist dramatisch. Nun wendet sich Andreas Kopton mit einem eindringli­chen Appell an die Politik

- VON STEFAN STAHL

Augsburg Andreas Kopton hat das Unwort seines Lebens gefunden. Es heißt „Lockdown“und steht für das Runterfahr­en der Wirtschaft im Zuge der Corona-Krise. So sagt der Präsident der schwäbisch­en Industrieu­nd Handelskam­mer: „Aus unternehme­rischer Sicht war der Lockdown eine Katastroph­e.“Die Auswirkung­en der radikalen Maßnahme auf Firmen in der Region lassen sich in dem am Dienstag in Augsburg vorgestell­ten IHK-Konjunktur­bericht nachlesen. Nun liegt ein Dokument tiefer Einschläge in eine Wirtschaft­sregion vor, die rund zehn Jahre lang einen Boom sonderglei­chen erlebt hat. Überschrie­ben sind die niederschm­etternden Erkenntnis­se der von Anfang bis Mitte Mai vorgenomme­nen Umfrage unter rund 1000 Unternehme­n mit der dramatisch­en Botschaft: „Schwabens Wirtschaft im freien Fall – steilster Absturz der letzten 20 Jahre“. Wie zu erwarten war, wurden die beiden

Branchen „Tourismus“und „Gastronomi­e“vor dem Transportg­ewerbe, dem Einzelhand­el und der Industrie am heftigsten gebeutelt. Folglich bezeichnet­en 36 Prozent der befragten Unternehme­r aus der Gastronomi­e und dem Tourismus ihre Liquidität­slage zum 30. April als „existenzbe­drohend“und 39 Prozent als „schlecht“. Nur 22 Prozent sehen ihre finanziell­e Situation als „befriedige­nd“an und drei Prozent als „gut“. Immerhin hält sich als einziger Lichtblick die Bauwirtsch­aft noch wacker, auch wenn hier Unternehme­r zunehmend skeptische­r in die Zukunft blicken.

Damit hat die Krise nahezu alle IHK-Branchen massiv erfasst. Folglich berichten 49 Prozent aller Unternehme­r, ihnen würden neue Aufträge wegbrechen und 44 Prozent beklagen Stornierun­gen. Da verwundert es nicht, dass 47 Prozent der Firmen angeben, ihre Personalka­pazitäten an die schwächere Nachfrage anpassen zu müssen.

Angesichts des „starken Absturzes“geht IHK-Hauptgesch­äftsführer Marc Lucassen nicht davon aus, dass sich die massiven Umsatzeinb­rüche in diesem Jahr aufholen lassen. Er spricht von einem „sehr bedrohlich­en Szenario“, lässt aber auch Zuversicht erkennen: „Der Wirtschaft­sstandort muss und wird die Krise meistern.“Auf dem Gebiet positiven Denkens hat sich IHKPräside­nt Kopton während der letzten Wirtschaft­skrise, dem Finanzmark­t-Desaster der Jahre 2008 und 2009, einen Namen gemacht. Denn als viele in Resignatio­n verfielen, ließ er von seinem Optimismus nicht ab. Zu solch hoffnungsv­ollem Denken wirkt der Unternehme­r immer noch bereit, doch nur, wenn die Politik auf ein zweites Herunterfa­hren der Wirtschaft im Zuge der Pandemie verzichtet.

Für den IHK-Präsidente­n sollte seine Forderung „Nie wieder Lockdown“zur obersten Handlungs-Maxime der Verantwort­lichen werden: „Nehmt die Angst raus, dann läuft das wieder. Lasst uns endlich wieder in Ruhe wirtschaft­en.“Dazu gehören für Kopton weniger lebensfrem­de Regelungen im Zuge der CoronaKris­e: „Ich mag keine Verbote. Das erzeugt Druck. Und Druck erzeugt Gegendruck.“Was glaube eigentlich die Politik, was sie da mache, meint der emotional sichtlich aufgewühlt­e Kammer-Präsident. Für die Zukunft wünscht er sich auf politische­r

Ebene eine Pandemie-Gruppe, die nicht nur aus Virologen, sondern auch aus Unternehme­rn, Psychologe­n und Medienvert­retern besteht.

Kopton wirkt jedenfalls fest davon überzeugt, „dass die regionale Wirtschaft einen zweiten Lockdown nicht überstehen kann“. Deshalb fordert er die Bundesregi­erung auf, Unternehme­n, was Steuern und Abschreibu­ngsmöglich­keiten betrifft, besserzust­ellen. Zudem seien bezahlbare Strompreis­e und staatliche Investitio­nen in die digitale Infrastruk­tur sowie die Aus- und Weiterbild­ung hilfreich. Die Wunschlist­en von Firmenvert­retern sind derzeit ausgesproc­hen lang, „haben doch die Folgen des Lockdown tiefrote Zahlen in den Kassen der MitgliedsU­nternehmen hinterlass­en“, wie Kopton beklagt.

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Foto: U. Wagner IHK-Präsident Andreas Kopton fordert: „Nie wieder Lockdown.“

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