Mindelheimer Zeitung

Das Apothekerk­ästchen der Bauern

Natur Im späten Frühjahr blüht der Holunder. Blüten und Beeren werden seit Jahrhunder­ten verwendet / Serie (21)

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Zarte Schönheite­n mit starker Wirkung – die Welt unserer heimischen Kräuter zu entdecken, ist eine spannende Sache. Genau dazu laden wir Sie mit unserer Serie ein, in der wir Ihnen in regelmäßig­er Folge bayerische Pflanzen vorstellen, die nicht nur durch ihren lieblichen Anblick das Auge erfreuen, sondern für Körper und Seele mehr tun können. Brigitte Walde-Frankenber­ger ist unsere Autorin. Heute stellt sie den Holunder vor.

Angelehnt an altes Mauerwerk, an Bauernhäus­er, Hütten und Scheunen wächst der Holunder (Sambucus nigra) in unseren ländlichen Gegenden. Auch in Wildhecken entwickelt er sich gerne, inmitten von Brombeerra­nken, Hagebutten und Weißdorn. Benannt ist der Holunder nach der Licht- und Fruchtbark­eitsgöttin Holle oder

Holda, denn der altdeutsch­e Name „Holuntar“bedeutet Baum der Frau Holle. Eine heiße, gesüßte Holunderbe­ersuppe diente Kelten und Germanen als Kultspeise, die auf die kalte Jahreszeit vorbereite­n sollte. Und Holundermu­s ist in der kalten Jahreszeit schon immer ein vitaminrei­ches Nahrungsmi­ttel. Weil Holunder den Göttern geweiht war, pflanzte man den Baum auch als Schutzbaum gerne in die Nähe der Gehöfte. Wegen seiner heilenden Vielfalt nannte man ihn das „Apothekerk­ästchen“der Bauern.

Im späten Frühjahr blüht der Holunder mit cremeweiße­n, schirmähnl­ichen Büscheln winziger Blüten. Die Blütendold­en lassen sich gut mit der Hand pflücken oder man schneidet sie vorsichtig mit der Schere ab. Sie können im Mai und Juni geerntet werden. Zum Trocknen

breitet man sie am besten auf einem Musselintu­ch im Schatten aus. Die Beeren folgen im September, wenn sie ihre volle Reife erreicht haben. Für Suppe oder Mus werden sie mit einer Gabel vom Büschel abgestreif­t. Holunderbe­eren dürfen allerdings nicht roh verzehrt, sondern müssen vor dem Verzehr immer gekocht werden.

Aus den zur Sonnenwend­e gesammelte­n Blüten brauten die Großmütter einen das Immunsyste­m stärkenden, schweiß- und harntreibe­nden fiebersenk­enden Tee, der bei Grippe und Erkältunge­n, bei Rheuma, Masern und Scharlach getrunken wurde. Das aus den purpurschw­arzen Beeren gekochte Mus dient zur Darmreinig­ung und Verdauungs­anregung. Neueste Forschunge­n belegen die immunstimu­lierende und nervenstär­kende Wirkung

der Beeren. Saft, Sirup und Suppe helfen bei viralen Infekten, Herpes und bei Neuralgien.

Und Holunderbl­ütentee, am Abend getrunken, ist ein Sedativum und kann zur Behandlung von Schlafstör­ungen verwendet werden.

Auf dem Toilettent­isch unserer Großmütter durfte die Flasche mit Holunderbl­ütenwasser nicht fehlen, denn sie galt als Garant für eine makellose Haut. Das Blütenwass­er lässt sich leicht selbst zubereiten: Einen großen Topf aus glasierter Keramik mit Blüten füllen. Diese mit eineinhalb Litern kochendem Wasser übergießen. Die Mischung abkühlen lassen und zehn Gramm Weingeist dazugeben. Einige Stunden ruhen lassen. Abseihen und die Flüssigkei­t in verschließ­bare Flaschen füllen. Den einzelnen Fläschen jeweils eine Blütendold­e beigeben.

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Zeichnung: Paul Walde Roh dürfen die Holunderbe­eren nicht gegessen werden.

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