Mindelheimer Zeitung

„Haustiere brauchen geregelte Zeiten“

Interview Eine Tierärztin erklärt, worauf Haustierbe­sitzer in der Corona-Krise achten sollten und wie Hunde vor Trennungsa­ngst geschützt werden können

- Interview: Dominik Stenzel

Frau Müller, während der CoronaKris­e verbringen viele Menschen mehr Zeit als sonst in den eigenen vier Wänden. Ist das für Haustiere gut oder schlecht?

Bettina Müller: Da muss man unterschei­den. Hunde sind ganz glücklich, wenn der Besitzer viel zu Hause ist. Katzen können sich hingegen gestört fühlen, wenn sich ihre Tagesstruk­tur ändert und der Lieblingsp­latz auf dem Sofa ständig besetzt ist. Es kann dann passieren, dass sie in der Wohnung markieren oder Freigänger über längere Phasen nicht mehr nach Hause kommen. Kaninchen, Meerschwei­nchen und Käfigtiere sind generell unterbesch­äftigt und freuen sich, wenn ihre Besitzer mehr Zeit für sie haben.

Wie kann die zusätzlich­e Zeit mit den Haustieren auf sinnvolle Weise genutzt werden?

Müller: Hundebesit­zer sollten öfter Gassi gehen: Statt nur einmal am Tag für eineinhalb Stunden, bieten sich mehrere kürzere Spaziergän­ge an. Den Tieren tut es gut, wenn sie öfter an die frische Luft kommen. Für Katzen sollte man schlichtwe­g mehr Spiel- und Schmusepau­sen einplanen.

Auch Kinder sind derzeit viel zu Hause. Kann es für die Tiere Stress bedeuten, wenn um sie herum mehr Trubel herrscht?

Müller: Haustiere brauchen geregelte Zeiten und Ruhe. Wenn es daheim lauter ist, sind die Tiere schneller mal gestresst. Das gilt übrigens generell: Ist der Familiense­gen nicht optimal, sind auch die Haustiere weniger ausgeglich­en.

Viele Menschen haben aufgrund der aktuellen Situation Ängste und Sorgen. Spüren die Haustiere dies?

Müller: Haustiere können Stimmungen wahrnehmen und Verhaltens­weisen interpreti­eren. Doch auch da gibt es Unterschie­de – manche Tiere sind hart gesottener und lassen sich durch nichts aus der Ruhe bringen.

Sollten Hunde- oder Katzenbesi­tzer im Homeoffice während der Arbeitszei­t für Ablenkung ihrer Tiere sorgen?

Müller: Das ist eigentlich nicht nötig. Hunde sollten ohnehin so erzogen sein, dass sie erkennen, wann Action angesagt ist und wann sie nicht stören sollten. Katzen schlafen tagsüber generell viel: Wenn sie merken, da ist gerade nichts los, ziehen sie sich normalerwe­ise zurück.

Mit den Lockerunge­n der CoronaMaßn­ahmen geht für viele Menschen auch die Zeit im Homeoffice wieder zu Ende. Kann die erneute Umstellung zum Problem für die Tiere werden?

Müller: Katzen sind in der Beziehung recht cool, bei Hunden kann es aber durchaus zu sogenannte­r Trennungsa­ngst kommen. Wenn der Besitzer jetzt auf einmal wieder den halben Tag weg ist, machen sie sich Sorgen. Im schlimmste­n Fall können solche Trennungsä­ngste dazu führen, dass die Tiere anfangen, in der Wohnung Sachen kaputtzuma­chen. Hunde sollten deswegen langsam an die neue Situation gewöhnt werden. Besitzer können sie beispielsw­eise zunächst für eine halbe Stunde alleine lassen und die Zeit anschließe­nd schrittwei­se steigern.

Gerade zu Beginn der Corona-Krise hatten Menschen Angst, dass Hunde oder Katzen das Virus auf sie übertragen könnten. Ist das immer noch der Fall?

Müller: Ich hatte zu dem Thema schon etliche Anrufe in meiner Praxis – gerade von Familien mit Kindern oder Schwangere­n. In Amerika wurde das Virus in zwei, drei Fällen auch bei Katzen nachgewies­en. Allerdings waren deren Besitzer ebenfalls positiv getestet und es war wohl so, dass sie ihre Tiere angesteckt haben und nicht umgekehrt. Bei uns ist noch kein einziger solcher Fall dokumentie­rt und es gibt überhaupt keinen Grund zur Sorge. Wir Tierärzte haben kein Verständni­s dafür, dass Menschen ihre Katzen aus Angst vor dem Coronaviru­s trotzdem ins Tierheim stecken.

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Symbolfoto: Fressnapf, dpa Trotz Corona-Krise Struktur und Ordnung im Alltag: Das brauchen offenbar nicht nur die meisten Menschen, sondern auch die Haustiere.
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Bettina Müller führt seit 2012 die „Tierarztpr­axis Hammerschm­iede“in Augsburg. In ihrer Praxis behandelt sie Kleintiere.

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