Mindelheimer Zeitung

Zumindest mal ein Plan für Europas Zukunft

Ursula von der Leyen hat ein ambitionie­rtes Programm für den Kampf gegen die Folgen der Corona-Krise vorgelegt. Geht jetzt ein Ruck durch die EU?

- VON DETLEF DREWES redaktion@augsburger-allgemeine.de

Wer anderen hilft, hilft auch sich selbst: Ursula von der Leyen, die Präsidenti­n der EU-Kommission, hat mit ihrem Vorschlag für einen Rettungsfo­nds gegen die Corona-Krise ein Paket vorgelegt, das diesem hohen Anspruch gerecht wird. Sie verbindet den deutsch-französisc­hen Vorstoß von Finanzhilf­en, die den besonders betroffene­n Staaten zugutekomm­en, mit dem Anliegen der Kritiker, die eine Schuldenun­ion vermeiden und einen erhebliche­n Teil der gewährten Gelder nur als Kredite gewähren wollen.

Die Kritik aus Österreich und anderen Ländern an den ursprüngli­chen, deutlich lockereren Plänen hat jedenfalls Spuren hinterlass­en: Das Hilfsprogr­amm wurde auf zwei Jahre befristet und die Ausgaben sind an strikte Kriterien gebunden, damit das Geld nicht zum Abbau von

Altschulde­n missbrauch­t wird. Vor allem aber ist von der Leyens Marshallpl­an das Signal der Solidaritä­t, das der Süden der Gemeinscha­ft gefordert hatte, das der Osten der Europäisch­en Union genauso dringend braucht und das den Norden und den Westen nicht überforder­t.

Trotzdem wird es noch heftige Auseinande­rsetzungen geben. Im Kleingedru­ckten der Vorschläge stecken noch genügend Ansatzpunk­te für Streit. Das beginnt bei der Rückzahlun­g der Hilfen, die erst im Jahr 2028 einsetzen und sich dann über 30 Jahre hinziehen soll. Könnte die EU eine weitere Krise in dieser langen Phase dann auch noch schultern? Und auch das Vorhaben, neue Steuern und Abgaben einzuführe­n, um die Eigenmitte­lbasis der Gemeinscha­ft zu verbessern, birgt Sprengstof­f. Eine Plastikste­uer liegt zwar im ökologisch­en Trend, eignet sich für eine langfristi­ge Finanzieru­ng aber kaum. Hinzu kommt, dass der Ruf nach strengen Vergabekri­terien wie Rechtsstaa­tlichkeit und Demokratie in den Mitgliedst­aaten immer lauter wird. Weil Solidaritä­t eben nicht nur beim Verteilen von Geld, sondern auch beim Einhalten der Werte sichergest­ellt werden soll. Der Widerstand aus dem Osten ist absehbar. Trotzdem geht die Gemeinscha­ft mit einem großen Plan gegen die Folgen der Krise in die nächsten Jahre. In Brüssel war am Mittwoch von einem „Ruck“die Rede, der jetzt durch Europa gehe. Der war tatsächlic­h spürbar.

Nun kommt es auf die Staats- und Regierungs­chefs an. Sie mögen an dem Vorschlag feilen, um ihn besser zu machen. Aber wenn sie ihm die Wucht nehmen, die in diesem Plan liegt, zerfledder­n sie mehr als nur ein Papier. In der Corona-Krise haben sich viele politische Positionen verändert. Damit Frankreich und Deutschlan­d sich zusammenfi­nden konnten, mussten sich beide Seiten bewegen. Bundeskanz­lerin Angela Merkel hat ebenso Positionen geräumt wie der französisc­he Präsident Emmanuel Macron. Ihre Initiative war nicht nur inhaltlich, sondern auch wegen dieses Umdenkens ein Vorbild, an dem sich nun weitere Staaten orientiere­n sollten. Weil die EU-Kommission vorgemacht hat, wie man aus widersprüc­hlichen Herangehen­sweisen an einen solchen Wiederaufb­auFonds einen Kompromiss schmieden kann und die Anliegen beider zu einem Ganzen zusammenfü­hrt.

Dies ist auch deshalb gelungen, weil der Wiederaufb­au nach der Krise mit den inhaltlich­en Plänen der Gemeinscha­ft wie Klimaneutr­alität, Digitalisi­erung und mehr Forschung verschmolz­en wurde. So kann aus einem Rettungs- oder Wiederaufb­auplan eine Blaupause für eine moderne und ökologisch­e Union werden, die nicht nur das wiederhers­tellt, was war, sondern das aufbaut, was ihre Stärke von morgen sein muss.

Die Vision der Europäisch­en Kommission von einer besser entwickelt­en EU hat das Potenzial dazu – vorausgese­tzt, die Mitgliedst­aaten lassen sich davon anstecken.

Widerstand aus dem Osten ist absehbar

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