Mindelheimer Zeitung

Bedrohung von rechts

Innenminis­ter Horst Seehofer meldet einen Rückgang der Zahl der Straftaten, doch die politisch motivierte Kriminalit­ät nimmt zu: Der Extremismu­s ist auf dem Vormarsch. Sorgen macht ein Anstieg der Kinderporn­ografie-Delikte

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Die politisch motivierte Kriminalit­ät ist in Deutschlan­d erheblich angestiege­n. Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) berichtete bei der Vorstellun­g der Zahlen für 2019 von einer Zunahme um 14,2 Prozent auf insgesamt rund 41000 Fälle. „Die größte Bedrohung kommt von rechts“, sagte er. Denn mehr als die Hälfte der Fälle geht laut der Statistik auf das Konto rechtsextr­emistische­r Täter, besonders häufig wurden Körperverl­etzungen begangen. Es gebe Grund zu „höchster Wachsamkei­t“angesichts der „Blutspur des Rechtsterr­orismus“, die sich von der NSU-Mordserie über die Attentate von Halle und Hanau bis zum Mord am Kasseler Regierungs­präsidente­n Walter Lübcke ziehe. Zugenommen hat laut Seehofer auch die Zahl von antisemiti­sch motivierte­n Straftaten – um 13 Prozent auf gut 2000 Delikte. In rund neun von zehn Fällen gehen die Behörden von Tätern aus dem rechtsextr­emistische­n Spektrum aus. Der innen- und rechtspoli­tische Sprecher der CSU im Bundestag, Volker Ullrich, fordert: „Wir müssen die Sicherheit­sbehörden noch besser ausstatten, damit sie auch im Internet schneller ermitteln können, ob antisemiti­sche oder politisch motivierte Beweggründ­e für eine Straftat vorliegen.“

Für rund 10000 politisch motivierte Straftaten werden Linksextre­misten verantwort­lich gemacht. Besonders häufig handele es sich bei Straftaten von links um Brandstift­ungen oder Sachbeschä­digungen, so die Statistik. Immer häufiger komme es auch zu gewalttäti­gen Auseinande­rsetzungen zwischen linken und rechten Gruppen.

Islamistis­ch motivierte Straftaten sind im Jahr 2019 um gut ein Viertel auf 425 Delikte zurückgega­ngen, so die Statistik. Als mögliche Erklärung gilt, dass die Niederlage der Terrormili­z „Islamische­r Staat“in

Syrien und im Irak zu einer Ernüchteru­ng der Unterstütz­er in Deutschlan­d geführt haben könnte. Zudem waren die Behörden in den vergangene­n Jahren massiv gegen islamistis­che Gruppen vorgegange­n. Laut Bundeskrim­inalamt ist die Gefahr islamistis­cher Anschläge in Deutschlan­d aber keineswegs gebannt.

Vorgestell­t hat Seehofer auch die allgemeine Polizeilic­he Kriminalst­atistik für 2019. Sie weist knapp 5,3 Millionen Straftaten auf, damit ist die

Kriminalit­ät das dritte Jahr in Folge zurückgega­ngen. Vor zehn Jahren hatte die Polizei noch jährlich rund sechs Millionen Straftaten verzeichne­t. Zurückgega­ngen ist etwa die Zahl der Gewaltdeli­kte und Wohnungsei­nbrüche. Laut Seehofer ist auch die Zahl der Zuwanderer unter den Tatverdäch­tigen zurückgega­ngen. Im Bereich der Clan-Kriminalit­ät hat sich laut Seehofer die „drastische Erhöhung des Fahndungsd­rucks“ausgezahlt und den Kriminelle­n ihre Grenzen aufgezeigt.

Die Aufklärung­squote hat sich stabilisie­rt, sie liegt im Bundesschn­itt bei gut 56 Prozent. Seehofer nannte die Entwicklun­g „erfreulich“, Deutschlan­d zähle nach wie vor zu den „sichersten Ländern der Welt“. Die personelle Aufstockun­g der Polizei in den vergangene­n Jahren habe sich ausgezahlt.

Sorgen macht dem Bundesinne­nminister allerdings der Anstieg der Delikte im Bereich der Kinderporn­ografie. Die Zahl der erfassten Fälle der Verbreitun­g kinderporn­ografische­n Materials hat laut der Statistik um erschrecke­nde 65 Prozent zugenommen. Das liege auch an der Zusammenar­beit mit einer nicht staatliche­n Organisati­on, die im Internet nach Kinderporn­ografie fahndet und die Fälle zur Anzeige bringt. Seehofer sprach von der „dunklen Seite des Internets“, die es den Tätern ermögliche, ihre Spuren zu verwischen. Hier werde der Staat seine Bemühungen um Aufklärung weiter verschärfe­n.

Zugenommen haben auch die Fälle von Widerstand gegen die Staatsgewa­lt, und zwar um acht Prozent. Polizisten würden im Einsatz mit Fußtritten und Faustschlä­gen traktiert, mit Flaschen, Steinen und Feuerwerks­körpern beworfen. Aus Sicherheit­sgründen gingen Bundespoli­zisten an Bahnhöfen nur noch mit mindestens drei Mann Streife, so Seehofer. Gegenüber den Tätern kündigte er eine „Null-Toleranz-Strategie“an.

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Foto: Lukas Schulze, dpa Hass auf Menschen, die anders aussehen oder anders denken – das ist in Deutschlan­d immer häufiger die Ursache von Straftaten im Internet und von körperlich­er Gewalt.

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