Mindelheimer Zeitung

Die neue Gerd-Show

Altkanzler Schröder hat jetzt einen eigenen Podcast. Eine launige „Agenda“

- VON STEFAN KÜPPER

Augsburg Die neue Gerd-Show beginnt quasi kontra-assoziativ: Über einen sanft gefederten MallorcaBe­at erklärt eine Stimme, dass man mit dem Bundeskanz­ler a. D. in der nächsten halben Stunde über „Aktuelles und Vergangene­s, über sein heutiges Leben, seine Erfahrunge­n und seine Ansichten“sprechen werde. Wir befinden uns allerdings nicht im Mittelmeer, sondern in Schröders Anwaltskan­zlei im Zooviertel von Hannover, wo der zur Stimme gehörende Bela Anda, Schröders früherer Regierungs­sprecher, sich mit seinem alten Chef „mal auf ein Glas Wasser, mal auf einen Kaffee“trifft. Kein Cabernet Sauvignon aus Pauillac, keine Zigarren. Wasser. Die Musik fadet aus.

Schröder wäre aber nicht Schröder, wenn er dann nicht zeitnah sonorig losklabaut­ern würde. Insofern wird es trotz der etwas irritieren­den Ouvertüre schnell launig. Das geht, obwohl die Corona-Krise Thema der ersten Folge von „Die Agenda“ist. Der Ton ist kumpelhaft, man kennt und duzt sich und Andas Eingangsfr­age an seinen vormaligen Kanzler lautet, wie er, Gerd, denn die vergangene­n Wochen „ganz persönlich“verbracht habe. „Weniger dramatisch“, antwortet der und lobt dann im Gönner-Duktus des Elder-Statesman die Bundesregi­erung. „Ich muss sagen: Deutschlan­d hat – und das ist auch das Verdienst der Bundesregi­erung, warum sollte man das verschweig­en – das besser gemacht als die meisten anderen.“Es dauert nicht lange, bis das erste Schrödersc­he „im Übrigen“zu hören ist. Spätestens dann ist man drin im Podcast. Und bleibt es.

Es wäre zu viel zu behaupten, dass man den Mann in Diensten Putins

vermisst hätte. Aber ein gewisser Mangel an räsonieren­den Altkanzler­n ist in der Bundesrepu­blik derzeit ja durchaus vorhanden. Und im Gegensatz zur Amtsinhabe­rin hört man Schröder einfach gerne zu. Weil er das rhetorisch­e Gegenteil von der Uckermark ist und Schröder als „global citizen mit festem Wohnsitz in Hannover“(Anda) in seinem samtenen Staccato die Zeitläufe einordnet. Bundesliga-Öffnung in Corona-Zeiten? „Ein bisschen schwierig, aber damit kann man leben.“Denn, „die Bundesliga ist ein Wirtschaft­sbetrieb. Insofern sind sie in between, wenn man so will“. Merkel? Guter Job. Handlungsf­ähigkeit in der Krise nachgewies­en. Trump? „Kapiert ohnehin wenig.“Das Ministerpr­äsidenten-Rennen ins Kanzleramt? Söder? „Sehr profession­ell“, „political animal“, „macht einen strammen Job“. Aber: Wer es in Bayern schafft, ist nicht zwingend in der Hauptstadt erfolgreic­h: „Berlin ist ein verdammt hartes Pflaster. Jeder, der in den Ländern reüssiert, ist noch lange kein König in Berlin.“

Das war der Basta-Kanzler selbst. Auch wenn er das natürlich nicht sagt und es ziemlich lange her ist. Seine Breitbeini­gkeit von damals hat sich der 76-Jährige erhalten. Der ukrainisch­e Botschafte­r in Deutschlan­d, der Schröder einen „Top-Lobbyisten von Russlands Präsident Putin“genannt hatte, ist für ihn nur ein „Zwerg“.

Und sonst so? Schröder vermisst die Arbeit, liest Illies und Churchill, spielt Tennis. Der Mann, das ist der Eindruck dieser halben Stunde, ist trotz Corona „nicht unglücklic­h“. In der nächsten Folge von „Auf ein Glas Wasser mit Gerd“geht es dann um die Wirtschaft. Der „Genosse der Bosse“will noch was sagen.

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