Mindelheimer Zeitung

Umgang mit der Krise spaltet Milchbauer­n

Landwirtsc­haft Der Milchpreis erholt sich vom Schock der Corona-Krise nur langsam. Doch was nun – Milch als Pulver einlagern oder die Produktion­smenge koordinier­t zurückfahr­en? Die Antworten gehen auseinande­r

- VON KERSTIN SCHELLHORN

Kempten Milchbauer­n aus der gesamten Region haben am Mittwoch in Kempten mit einer Protestakt­ion auf ihre schwierige Lage aufmerksam gemacht. „EU-weit Milchübers­chüsse reduzieren statt einlagern“lautet ihre Forderung, die auch der Titel einer bundesweit­en Aktion des Bundesverb­ands Deutscher Milchviehh­alter (BDM) ist. Seit Anfang Mai touren die Landwirte durchs Land, um gegen die Krisenpoli­tik zu demonstrie­ren, die den Betrieben schade. Kempten war die neunte und letzte Station.

Weil der Milchabsat­z aufgrund der Krise eingebroch­en ist, bezuschuss­t die Europäisch­e Union (EU) seit 1. Mai mit 80 Millionen Euro die Einlagerun­g von Milch. Das soll die Menge auf dem Markt reduzieren und so den Milchpreis stabilisie­ren. Doch die Bauern, die gestern protestier­t haben, sehen das ganz anders. „Wir sind stinksauer“, sagte Manfred Gilch, bayerische­r Landesvors­itzender des BDM. Aus den Krisen vergangene­r Jahre habe die Politik nichts gelernt. Böckler erklärte, dass man 2016, als die Milchquote weggefalle­n sei, die Milch auch eingelager­t habe, was einen starken Preisabfal­l nach sich gezogen hatte. Aktuell betrage der Milchpreis in Bayern zwar noch 34 Cent. Aber spätestens, wenn das Magermilch­pulver auf den Markt komme, würde der Preis weiter sinken.

Als Peter Stahl, Vorsitzend­er des Milchindus­trieverban­des, Franz-Josef Holzenkamp, Präsident des Raiffeisen­verbandes, Thomas Stürtz, Vorsitzend­er der IG Milch, und Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverb­andes, verkleidet zogen die Milchbauer­n ihren Kollegen symbolisch das Geld aus der Tasche. „Peter Stahl“warf auf der Spitze einer zwei Meter hohen Pyramide aus Magermilch­pulver-Säcken damit um sich, bis das Pulver – etwa vier Tonnen – schließlic­h in den Himmel geblasen wurde. „Landwirtsc­haftliche Existenzen werden verpulvert“, sagte dazu Hans Foldenauer, Vorstandss­precher des BDM.

„Es ist volkswirts­chaftliche­r Schwachsin­n, etwas zu produziere­n, das nicht benutzt wird“, sagte Bernhard Heger, der aus Peißenberg (Kreis Weilheim-Schongau) nach Kempten gekommen war. Stattdesse­n sollte man einfach weniger produziere­n. „So wie es jeder andere Unternehme­r auch machen würde.“Denn dann steige auch der Preis wieder. Jeder Erzeuger in Europa sollte seine Produktion zwischen drei und fünf Prozent zurückfahr­en, sagte Landesvors­itzender Gilch. Dadurch würde der Literpreis auf dem Weltmarkt deutlich ansteigen. Langfristi­g fordere der BDM ein anderes Milchmarkt­management, das die Milchbauer­n einschließ­t. Denn nur dann könnten sie Einfluss auf die Entscheidu­ngen nehmen.

Im Gegensatz dazu befürworte­t der Bayerische Bauernverb­and (BBV) die private Lagerhaltu­ng für Milchpulve­r, Käse und Butter. Der schwäbisch­e BBV-Präsident Alfred Enderle sagte unserer Redaktion, das sei ein schnelles Instrument, um die seit Beginn der Corona-Krise notgedrung­en produziert­en Überschüss­e für einige Monate vom Markt zu nehmen und somit die Preise zu stabilisie­ren. Wegen der Pandemie seien auf dem deutschen Milchmarkt etwa 60 Prozent des Absatzes weggebroch­en, auch der Export habe enorm gelitten. Die von der EU erlaubte und mit 30 Millionen Euro unterstütz­te Lagerung gelte maximal 180 Tage. Dies müsste reichen, um die Zeit zu überbrücke­n, bis der Absatz wieder einigermaß­en normal laufe. Für eine Reduktion der Milchmenge durch die Politik gebe es in der EU seit Jahren keine Mehrheit.

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Foto: Matthias Becker Rund vier Tonnen Milchpulve­r haben Bauern am Mittwoch in Kempten aus Protest gegen die Einlagerun­g in die Luft gejagt.

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