Mindelheimer Zeitung

Ein Kniff soll Weirather den Weg ebnen

Kliniken-Verbund Wenn der frühere Unterallgä­uer Landrat als „externer Experte“in den Aufsichtsr­at gewählt wird, kann er auch dessen Chef werden. Bei der Suche nach einem Nachfolger für Gebhard Kaiser ist die Auswahl nicht groß

- VON HELMUT KUSTERMANN

Allgäu Die Wucht dieser Aufgabe ist nicht zu unterschät­zen. Wer zum neuen Aufsichtsr­ats-Chef des Allgäuer Kliniken-Verbundes gewählt wird, muss sich mit den Auswirkung­en der Corona-Krise ebenso auseinande­rsetzen wie mit der brisanten Frage, welche medizinisc­hen Angebote der Verbund an welchem seiner sechs Standorte künftig macht. Gerade in dieser aufregende­n Zeit verabschie­det sich einer der erfahrenst­en Krankenhau­s-Politiker der Region: Der frühere Oberallgäu­er Landrat Gebhard Kaiser (CSU) gibt den Posten des Aufsichtsr­ats-Chefs ab. Geeignete Kandidaten für dieses Amt stehen nicht Schlange. Voraussich­tlich wird einer diese Aufgabe übernehmen, der sich eigentlich gerade aus der Politik zurückgezo­gen hat: der ehemalige Unterallgä­uer Landrat Hans-Joachim Weirather (Freie Wähler).

Die Geburtsstu­nde des KlinikenVe­rbundes mit den sechs Häusern in Kempten, Immenstadt, Sonthofen, Oberstdorf, Mindelheim und Ottobeuren schlug erst im November vergangene­n Jahres. Das neue Unternehme­n gehört mit etwa 4000 Mitarbeite­rn zu den größten Arbeitgebe­rn in der Region. Die Zahl der Patienten liegt bei etwa 60000 im Jahr. Zum Vergleich: Bei der Ulmer Uniklinik sind es ungefähr 10 000 Patienten weniger.

Was noch niemand ahnen konnte, als dieses neue Unternehme­n startete: Sehr bald begannen turbulente Zeiten. Die Corona-Krise hat die Häuser in einen Ausnahmezu­stand versetzt. Zwar hält sich die Zahl der Infektione­n bislang glückliche­rweise in Grenzen, doch Covid-19 entfaltet Langzeit-Wirkungen. Da viele Betten für solche Patienten freigehalt­en wurden und werden, sind die Häuser heuer weit unterdurch­schnittlic­h belegt. In Mindelheim liegt die Quote derzeit sogar unter 50 Prozent, in Ottobeuren sind es nur ein paar Prozentpun­kte mehr. Mitarbeite­r sollen Überstunde­n abbauen.

Auf die Krankenhäu­ser kommen finanziell rauere Zeiten zu. Und die Besonderhe­it beim Allgäuer Kliniken-Verbund ist, dass auch ein paar unbequeme Entscheidu­ngen auf der Agenda stehen. Eine solche Allianz hat ja nur Sinn, wenn nicht mehr jede medizinisc­he Disziplin an jedem Standort vorgehalte­n wird. Es stellt sich also eine Frage mit Konfliktpo­tenzial: Welches Haus bekommt künftig welches medizinisc­he Angebot?

Diskussion­en, die Gebhard Kaiser nur noch auf der Zuschauert­ribüne verfolgen wird. Der 71-Jährige, der seit den 1990er Jahren eine wichtige Rolle in der Allgäuer Krankenhau­s-Politik spielt, hört als Aufsichtsr­ats-Vorsitzend­er auf. Wer folgt ihm nach? Der Kemptener Oberbürger­meister Thomas Kiechle (CSU) hat im Hinblick auf seine zahlreiche­n weiteren Ämter gesagt, dass „man sich selbst nicht überforder­n“dürfe. Die Landräte im Oberund Unterallgä­u, Indra Baier-Müller und Alex Eder (beide Freie Wähler), sind frisch im Amt und müssen erst einmal Fuß fassen in der Politik, bevor sie weitere Ambitionen hegen.

Nach übereinsti­mmenden Aussagen von Insidern läuft alles auf Weirather hinaus. „Ich halte ihn für den

Geeignetst­en“, sagt Kaiser. Weirather war Unterallgä­uer Landrat bis Ende April und hat den KlinikenVe­rbund mit aus der Taufe gehoben. Und nach seinem Abschied aus dem Landratsam­t hätte er auch Zeit für die Aufgabe bei den Krankenhäu­sern.

Damit er jetzt zum Aufsichtsr­atsvorsitz­enden gemacht werden kann, bedarf es allerdings eines Kniffs. Hans-Joachim Weirather müsste als sogenannte­r „externer Experte“erst einmal in das Gremium gewählt werden. Im Aufsichtsr­at sitzen insgesamt 18 politische Vertreter aus Kempten sowie dem Unter- und Oberallgäu. Und dazu sechs Fachleute von außen. Sie alle werden am 25.Juni den neuen Chef des Gremiums bestimmen. Weirather selbst hält sich bedeckt: „Momentan kann ich mich dazu nicht äußern“, sagte der 61-jährige Ex-Landrat kürzlich in einem Gespräch mit unserer Zeitung.

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H.-J. Weirather
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Gebhard Kaiser

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