Abschied nach stolzen 48 Jahren
Engagement Hans Weigele wurde 1972 in Schöneberg jüngster Bürgermeister Bayerns und ist der Kommunalpolitik seither treu geblieben. Viel hat sich verändert in dieser Zeit – und doch hat ihm das Ehrenamt immer Freude bereitet
Schöneberg Willy Brandt war gerade Bundeskanzler, als im 320-Einwohner-Ort Schöneberg bei Pfaffenhausen Bayerns jüngster Bürgermeister sein Amt antrat. Im März 1972 war Hans Weigele 25 geworden – und damit gerade alt genug, um im Juni gewählt zu werden. Seit seinem 16. Lebensjahr arbeitete er bei der örtlichen Bank, er kannte die Leute im Dorf und sie kannten ihn – und vertrauten ihm offenbar so sehr, dass sie ihm ihre Stimme gaben. Dass sich Hans Weigele aber gleich stolze 48 Jahre lang in der Kommunalpolitik engagieren würde – davon die meiste Zeit als Zweiter Bürgermeister in Pfaffenhausen (seit 1984) –, das dachte damals vermutlich niemand.
Acht Gemeinderäte stark war sein Gremium in Schöneberg, „für mich waren das damals lauter alte Herren“, sagt der heute 73-Jährige über die damals 40- bis 50-Jährigen. Er betont aber auch: „Es hat vom ersten Tag an gepasst.“Am Sonntag nach der Messe läutete er die Glocke, verkündete die Neuigkeiten aus Schöneberg und dem Landratsamt und stand für Fragen und Bankangelegenheiten zur Verfügung.
Weigele war nämlich immer beides: Banker und Bürgermeister. Als er sich im Rahmen der Gemeindereform entscheiden sollte, wohin ihn sein beruflicher Weg führt – in die elterliche Landwirtschaft, ins Rathaus nach Pfaffenhausen oder in die Bank – da entschied er sich für Letzteres. „Das war die richtige Entscheidung“, sagt er heute. „Das war mein Herzblut mein Leben lang.“Stolz klingt aus seiner Stimme, er erzählt, dass er es gemeinsam mit anderen geschafft hat, eine gemeinsame Bank für die Verwaltungsgemeinschaft zu schaffen. Bankenwesen und Kommunalpolitik – „das ergänzt sich total“, findet Weigele: „Die gleichen Leute, die gleichen Ziele. Die Gemeinde braucht die Bank und die Bank braucht die Gemeinde.“Viele Projekte hätte es ohne die Pfaffenhausener Raiffeisenbank nicht gegeben, sagt er, und zählt als Beispiele „Pfaffenhausen leuchtet“, die VG-Gutscheine oder die Grüne Mitte auf.
Die Bürokratie ist in den vergangenen 48 Jahren gewachsen und auch der ganze Verwaltungs- und Gemeindeapparat. Hatte die Dorfstraße früher ein Schlagloch, habe er schnell eine Schaufel Teer hingeworfen, sagt Weigele. Dass es im benachbarten Pfaffenhausen einen Gemeindearbeiter samt Fahrzeug gab, war „undenkbar“: „Wie können wir uns das leisten?“, fragte er sich damals. Heute bestehen Bauhöfe aus mehreren Mitarbeitern – hinzu kommen weitere Fachkräfte für verschiedene Gebiete, um die sich eine Gemeinde kümmern muss.
Treibende Kraft in einem Ort sei aber immer der Erste Bürgermeister: „Ob es in einer Gemeinde vorwenn wärtsgeht, liegt ganz gravierend am Bürgermeister und dem Team dahinter“, sagt Weigele. Ziele haben und sie anpacken, das sei wichtig.
90 Prozent der Gemeinderatssitzungen fanden früher in der Wirtschaft statt, erinnert er sich, „das war alles öffentlich“. Von 19.30 bis 22 Uhr wurde getagt, danach war mit dem offiziellen Teil Schluss und man saß noch zusammen, teils bis spät in die Nacht.
Weigele sagt, ihm sei es immer wichtig gewesen, breite Kompromisse zu finden, statt knappe Entscheidungen zu fällen – „und das ist auch fast immer gelungen“. Lieber habe man mal länger diskutiert oder eine Entscheidung vertagt, wenn große Uneinigkeit herrschte.
Als Schönebergs Bürgermeister musste er sich mehrmals um sogenannte Sühneversuche kümmern. Wenn sich zwei im Dorf gestritten haben, hieß es schnell mal: „Di schaff i scho zum Bürgermeister.“Und so kam es, dass Weigele als Mitte Zwanzigjähriger die Streitereien zwischen zwei Mittsechzigern schlichten sollte. Blieb der Versuch erfolglos, erhielten die Parteien eine Bestätigung und konnten zum Rechtsanwalt gehen.
Entscheidungen habe er nicht gescheut, sagt Hans Weigele, auch nicht, wenn der Antragsteller ein guter Kunde seiner Bank war. Nur einmal habe er absichtlich eine Marktratssitzung geschwänzt, damit er nicht abstimmen musste, verrät der langjährige Zweite Bürgermeister von Pfaffenhausen. Es ging um das Anliegen eines engen Freundes: „Ja konnte ich dazu nicht sagen und Nein wollte ich nicht sagen.“
Es war nicht immer einfach als Erster Bürgermeister in Schöneberg oder Zweiter Bürgermeister in Pfaffenhausen – wo er zweimal auch über längere Zeit den Chefposten im Rathaus übernehmen musste –, aber dennoch hat Weigele die Arbeit immer Spaß gemacht, wie er sagt. Jetzt ist der 73-Jährige aber auch zufrieden, wenn er nicht mehr dienstagabends auf die Sitzung gehen muss.
Jüngeren empfiehlt er, sich für ihren Ort einzusetzen. „Wenn jemand geeignet ist, kann er es wie ich 48 Jahre lang machen“, sagt Weigele. „Und wenn es ihm nicht gefällt, kann er nach sechs Jahren wieder aufhören.“