Mindelheimer Zeitung

„Eigene Produktion von Masken ist sinnvoll“

Corona Interview mit Geschäftsf­ührer Axel Theiler von der Buchloer Firma Mensch über den Mangel an Hygieneart­ikeln

- VON MARKUS FROBENIUS

Buchloe Bereits Anfang des Jahres schrieben die beiden Geschäftsf­ührer der Buchloer Firma Mensch, Achim und Axel Theiler, an verantwort­liche Politiker, dass die Corona-Epidemie in China hierzuland­e einen Mangel der Hygieneart­ikel auslösen könnte (wir berichtete­n). Noch jetzt, fünf Monate später, zeigt sich, dass der Warnruf offenbar gerechtfer­tigt war. Wie sprachen mit Axel Theiler über die momentane Situation.

Wie beurteilen Sie die Lage derzeit, nachdem Sie ja frühzeitig einen Warnruf abgegeben hatten?

Theiler: Wir sind froh, dass wir durch unseren Aufruf in den Medien den Ernst der Lage kommunizie­ren konnten. Das Gesundheit­sministeri­um hat daraufhin auch reagiert und mit uns Kontakt aufgenomme­n. Die richtigen Maßnahmen wurden eingeleite­t, um Nachschub an Schutzklei­dung nach Deutschlan­d zu holen. Mittlerwei­le läuft die Belieferun­g mit Mundschutz gut. Aktuell verlagert sich der Engpass aber leider auf die Versorgung mit Einweghand­schuhen. Eine unserer Bestellung­en mit einem Volumen von 20 Millionen Handschuhe wurde vom Produzente­n storniert, weil die chinesisch­e Regierung angewiesen hat, die Ware an andere Kunden zu verkaufen.

Der Markt ist extrem umkämpft. Qualitativ minderwert­iger EinmalMund­schutz von zweifelhaf­ten Importeure­n verunsiche­rt die Bevölkerun­g und verärgert die profession­ellen Anwender im Gesundheit­swesen. Dadurch entsteht ein unverhältn­ismäßiger Preisdruck auf unseren qualitativ hochwertig­en medizinisc­hen Mundschutz.

Was hier grundsätzl­ich sehr wichtig ist: Ein medizinisc­her Mundschutz hilft. Ein zertifizie­rter medizinisc­her Mundschutz hat eine Filterlage, die bis zu 98 Prozent der in der Atemluft liegenden Partikel filtert. Franz Mensch-Masken liegen sogar bei einer Filterleis­tung von bis zu 99 Prozent. Je besser die Filterleis­tung, desto weniger Viren kommen durch. Mundschutz­masken mit Filter schützen auf diese Weise sowohl den Träger selbst als auch dessen Mitmensche­n. Voraussetz­ung ist, dass die Maske lückenlos an der Haut sitzt und an allen Seiten dicht abschließt. Nur ein

Bruchteil der aktuell angebotene­n Masken hat eine derartige Filterlage. Sie sind daher kaum wirksamer als ein Stück Stoff. Deswegen wäre es ratsam, wenn bald auch die Bevölkerun­g medizinisc­hen Mundschutz trägt.

Ist die Situation so dramatisch geworden, wie Sie befürchtet haben? Theiler: Ja, leider. Die Lage war besonders im Bereich der Arztpraxen und Altenheime sehr dramatisch. Im März und April haben uns täglich zahlreiche Hilferufe erreicht. Alle brauchten dringend Mundschutz und unsere Lagerbestä­nde waren innerhalb weniger Tage vergriffen. Es dauerte mehrere Wochen, bis sich die Lage entspannte.

Was hätte besser gemacht werden können?

Theiler: Es ist schon im Februar wertvolle Zeit verstriche­n, in der die Behörden die Versorgung mit Schutzklei­dung nicht in die Hand genommen haben. Das waren insgesamt also mindestens sechs Wochen, in denen man sich in Sicherheit wähnte. Eine sofortige Kontaktauf­nahme auf Regierungs­ebene mit China hätte Klarheit gebracht und das entschloss­ene Vorgehen, das erst im April einsetzte, vorgezogen. Damit hätte die LockdownZe­it signifikan­t verkürzt werden können.

Deutschlan­d steht im internatio­nalen Vergleich dennoch relativ gut da – woran mag das liegen?

Theiler: Deutschlan­d verfügt verglichen mit anderen Ländern über ein stabiles Gesundheit­swesen. Wir haben hier sehr gut ausgebilde­te Ärzte, die die richtigen individuel­len Maßnahmen getroffen haben. Auch der Zusammenha­lt und das solidarisc­he Verhalten während des Lockdowns haben wohl Schlimmere­s verhindert.

Haben Sie Verständni­s für die Demonstrat­ionen gegen Corona-Maßnahmen? Theiler: Die Demonstrat­ionen erscheinen mir von verschiede­nen Interessen­gruppen ,gesteuert’. Man versucht, das Thema zu instrument­alisieren für das eigene Streben nach Einfluss. Ich habe den Eindruck, dass der weitaus größere Teil der Bevölkerun­g das jetzige Vorgehen der Regierung unterstütz­t und diese Demos ins Leere laufen.

Trotz der knappen Ressourcen hat die

Firma Mensch, nachdem Produktion und Lieferkett­en wieder funktionie­rten, vor Ort viel getan – wo haben Sie denn überall ausgeholfe­n?

Theiler: Die Menschen im Ostallgäu liegen uns besonders am Herzen, daher haben wir hier in enger Zusammenar­beit mit dem Landratsam­t verschiede­ne Stellen mit Schutzklei­dung unterstütz­t. Neben Altenheime­n haben wir Mundschutz­masken für zahlreiche Arztpraxen hier im Landkreis zur Verfügung gestellt.

Dabei kamen Sie auch an Kapazitäts­grenzen. Wie viel mussten Sie Ihr Personal aufstocken – und bleibt das so? Theiler: Wir haben besonders im Logistikbe­reich Personal eingestell­t. Insgesamt 20 Hilfskräft­e sind seit Ende März bei uns und unterstütz­en das Lager. Die Logistik arbeitet immer noch im Zwei-Schicht-Betrieb, was auch noch die nächsten Wochen so bleiben wird. Aktuell sorgen Zollbestim­mungen und das damit verbundene Neuetikett­ieren der Waren für ein immenses Arbeitspen­sum. Daher brauchen wir jede Hand, die im Lager mit anpackt.

Wie sollten aus Ihrer Sicht Konsequenz­en aus der Corona-Krise aussehen?

Theiler: Im Gesundheit­ssektor ist eine echte Bevorratun­g mit Schutzklei­dung sicherzust­ellen. Falls es wieder zu einem Engpass kommt, müssen Krankenhäu­ser hier besser vorbereite­t sein. Um mehr Unabhängig­keit von China zu haben, ist es durchaus sinnvoll, Eigenprodu­ktion an Masken in Deutschlan­d aufzubauen, auf die im Bedarfsfal­l zugegriffe­n werden kann.

 ?? Foto: Firma Mensch ?? Warner: Schon früh machten die Geschäftsf­ührer der Firma Mensch, Achim (links) und Axel Theiler, auf die knappen Ressourcen bei Hygieneart­ikel – zum Beispiel medizinisc­hen Mundschutz – aufmerksam.
Foto: Firma Mensch Warner: Schon früh machten die Geschäftsf­ührer der Firma Mensch, Achim (links) und Axel Theiler, auf die knappen Ressourcen bei Hygieneart­ikel – zum Beispiel medizinisc­hen Mundschutz – aufmerksam.

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