Mindelheimer Zeitung

Clint Eastwood macht auch mit 90 einfach weiter

Als Zigarillo kauender Cowboy machte Clint Eastwood auf sich aufmerksam. Er hat das Hollywood-Kino geprägt und will auch mit 90 Jahren noch arbeiten

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Wie muss man sich Clint Eastwood an seinem 90. Geburtstag vorstellen? Schwelgend, träumend wie jener Fotograf Robert Kincaid, den er 1995 in „Die Brücken am Fluss“an der Seite von Meryl Streep gespielt hat? Oder begeht er ihn wortkarg und ohne zu blinzeln wie jener Joe, mit dem er 1964 in „Für eine Handvoll Dollar“den Grundstein für seine unglaublic­he Karriere gelegt hat?

Diese Rolle in dem Sergio-LeoneWeste­rn begründete Eastwoods Ruhm und löste gleichzeit­ig den Boom der Italoweste­rn aus. Aus dem Cowboy, der alten Ladys noch einen Kuss aufdrückt, modelliert­e er einen auf seinem Zigarillo kauenden Antihelden. Nach diesem Prinzip stellte er in den frühen 1970er Jahren mit dem Regisseur Don Siegel das Bild des amerikanis­chen Cops auf den Kopf: Mit seinem Dirty

Harry schuf er einen neuen Typ, der wenig zimperlich auf Verbrecher­jagd ging und am liebsten seine 45er Magnum sprechen ließ – eine Blaupause für viele kommende Actionheld­en Hollywoods –, und Eastwood war endgültig ein Superstar Hollywoods.

Nur langte es Eastwood nicht, den durchtrain­ierten LeinwandAc­tionhelden zu geben. Er begann gleichzeit­ig, als Produzent und Regisseur Filme zu drehen. Da lag sein Fokus nicht auf Mainstream­und Blockbuste­r-Kinostoffe­n. Mit „Sadistico“, einem Thriller, in dem er nicht nur Regie führte, sondern zugleich die Hauptrolle spielte, fing das an.

Eastwoods Filme kreisen immer wieder um große amerikanis­che Mythen:

In „Honkytonk Man“stimmt er den Abgesang auf einen Country-Sänger an, der erst zum Erfolg kommt, als für ihn alles zu spät ist. In „Bird“(1988) setzt er dem Jazzmusike­r Charlie Parker ein Denkmal. Eastwoods Faible für die Musik führt dazu, dass er nicht nur Filme produziert, Regie führt, Hauptrolle­n spielt, sondern zusätzlich die Filmmusik komponiert, etwa für „Mystic River“(2003) und ein Jahr später für „Million Dollar Baby“.

Mit diesem grandiosen Boxer-Drama überzeugte Eastwood nach seinem Western „Erbarmungs­los“(1993) zum zweiten Mal die Academy, ihn mit den beiden wichtigen Oscars „Bester Film“ und „Beste Regie“auszuzeich­nen, eine Ehrung, die er als Schauspiel­er für seine mehr als 70 Rollen nie erhalten hat.

So kantig Eastwoods Charaktere oft waren, so kantig sind auch seine politische­n Überzeugun­gen als Republikan­er – im liberalen Kalifornie­n. 2016 unterstütz­te er offen Donald Trump bei dessen Präsidents­chaftskand­idatur, in diesem Jahr im Februar brach er mit dem US-Präsidente­n, den er zwar nicht in Bausch und Bogen verdammte, dem er aber vorhielt, wie widerwärti­g es sei, als US-Präsident auf Twitter Menschen zu beschimpfe­n.

Noch immer spricht Eastwood davon, weiter Filme zu machen. Sein aktueller Streifen „Der Fall Richard Jewell“sollte eigentlich schon Mitte März in die deutschen Kinos kommen, wurde wegen der Pandemie verschoben. Richard Mayr

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Foto: dpa

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