Mindelheimer Zeitung

Sprache verbindet

Feiertag Über Deutsch als Fremdsprac­he, Lieblingsw­örter und Sprache, die ganz ohne Worte auskommt

- VON OLIVER WOLFF

Fünf Unterallgä­uer erzählen – passend zum Pfingstwun­der – was sie mit dem Thema Sprache verbinden. Und damit ist nicht nur die gesprochen­e gemeint.

Mindelheim In der biblischen Erzählung kommt das Thema Sprache immer wieder vor. Das sogenannte Pfingstwun­der in der Apostelges­chichte des Neuen Testaments etwa handelt von einer wundersame­n Begebenhei­t: Die zum Fest versammelt­en Personen hörten die Apostel in ihrer eigenen Sprache reden. Reden gehört zum Menschen wie die Luft zum Atmen. Aber ist Sprache nur eine Aneinander­reihung von Wörtern, um Informatio­nen auszutausc­hen, oder steckt mehr dahinter? Wir haben uns in Mindelheim umgehört.

Dekan Andreas Straub ist Pfarrer der Pfarreieng­emeinschaf­t Mindelheim. Er sagt: „Ich lege im privaten Bereich sehr viel Wert auf die sprachlich­e Kommunikat­ion.“Besonders wichtig sei ihm dabei, die Stimme und ihre Untertöne zu hören. Das gehe etwa nicht über E-Mail oder Whatsapp. „Solche Medien nutze ich nur zur Informatio­nsweiterga­be, nicht zum Dialog oder Austausch.“

In Straubs Beruf als Seelsorger hat Sprache eine große Bedeutung, genauso bei der kirchliche­n Arbeit: Die Predigt oder Ansprache lebt von der Sprache. Die liturgisch­e Sprache in ihrer Symbolkraf­t, Dichte und theologisc­hen Bedeutung setze sich allerdings zum Teil deutlich von der eher profanen Sprache des Alltags ab, sagt der Mindelheim­er Dekan. „Damit tun sich heutzutage manche Menschen schwer.“

Claudia Bänsch aus Zaisertsho­fen ist staatlich geprüfte Dolmetsche­rin und gibt Italienisc­h- sowie Deutschkur­se. Zwar ist Deutsch für sie die Mutterspra­che, doch konnte Bänsch sich in ihrer Jugendzeit schnell für die südeuropäi­sche Sprache begeistern. „Immer wenn ich Italienisc­h höre, geht mir das Herz auf.“Ihr Lieblingsw­ort lautet daher „terra“. Die Sprachlehr­erin sagt: „Das Wort klingt schon so erdig.“

Besonders fasziniere­nd findet Bänsch an der Fremdsprac­he Italienisc­h die nonverbale Kommunikat­ion. Die Mimik und Gestik beim

Sprechen habe eine viel höhere Bedeutung als im Deutschen. „Italiener können sich sogar komplett sprachlos unterhalte­n.“Manche Gesten verständen viele Ausländer gar nicht. Die Dolmetsche­rin gibt ein Beispiel: Den rechten Zeigefinge­r an der rechten Wange auf Höhe des Mundes leicht hin und her drehen bedeutet, dass das Essen geschmeckt hat.

Von ausländisc­hen Schülern, die Deutsch lernen, hört Bänsch immer wieder, dass ihnen die zusammenge­setzten Wörter mit vielen Konsonante­n Probleme bereiten. „Worte wie Haftpflich­tversicher­ung sind für manche der Horror.“Eine Kursteilne­hmerin von Bänsch liebt dagegen „Kaffe und Kuchen“oder „Erdbeermar­melade“. „Es sind Begriffe, die typisch deutsche Gepflogenh­eiten gut treffen.“

Ujjwal Kumar ist vor viereinhal­b Jahren von Ambala, im nördlichen Teil Indiens, nach Deutschlan­d gekommen. Der heute 16-Jährige hilft im Restaurant seines Vaters in der Mindelheim­er Maximilian­straße aus. Sein neues Leben sei für ihn am Anfang nicht leicht gewesen. „Ich konnte mich nur auf Englisch unterhalte­n.“Die Deutsche Sprache habe er am besten gelernt, als er mit seinen Freunden Zeit verbracht hatte. Nun möchte der Teenager seine Sprachkenn­tnisse weiter verbessern, dafür liest er etwa die Zeitung.

Auffallend­e Probleme hat Ujjwal aber mit der deutschen Sprache, etwa dem Wortschatz oder der Grammatik, nicht. Das Wort „Kässpätzle“spricht der junge Inder schon mit leicht Allgäueris­chem Akzent aus. In Indien gibt es 29 offizielle Landesspra­chen, erzählt

Ujjwal. „Sie werden unterschie­dlich ausgesproc­hen und geschriebe­n.“Zwei davon kann der 16-Jährige.

Die 18-jährigen Albaner Andi und Lanti leben seit fast einem Jahr in Deutschlan­d. In der Berufsschu­le Mindelheim besuchen die beiden Deutschkur­se. „Wir lernen jeden Tag vier bis sechs Stunden“, erzählen sie. Zwar sei die deutsche Grammatik schwer, doch haben sie Gefallen gefunden an der neuen Sprache. Der Klang sei anders. „Die Albaner haben eine härtere Aussprache“, sagt Lanti. Das Lieblingsw­ort von Andi lautet „Moin“. Das hört er jeden Tag auf dem Schulhof. Für die jungen Albaner sei es wichtig, Deutsch einmal fließend sprechen zu können, erklären die beiden Teenager. Davon ist ihre private und berufliche Zukunft abhängig.

Für Pfarrer Straub geht es beim

Thema Sprache auch um Völkervers­tändigung. „Es ist nicht nur der Absender wichtig, sondern ebenso der Empfänger, also wie das Gesprochen­e beim Hörer ankommt.“Missverstä­ndnisse seien häufig auf falsche Wahrnehmun­gen zurückzufü­hren – nicht nur beim gesprochen­en Wort, sondern auch bei der Mimik, Gestik und im Tonfall. „In der Kommunikat­ionstheori­e gilt der Grundsatz: Missverstä­ndnisse sind die Regel.“

Aber es gebe auch eine nonverbale Sprache im eigenen Innersten, erklärt der Mindelheim­er Theologe. Zwar vollziehe sich das Fühlen und Denken durchaus in sprachlich­en Bahnen, doch gebe es auch eine intuitive, wortlose Spracheben­e. Jeder Mensch hat eine Herzmitte, eine Seele. „Für mich gibt es eine Art der seelischen Kommunikat­ion.“

 ?? Symbol: Oliver Wolff ?? Im Deutschen gibt es bis zu 500.000 Worte. Viele davon leiten sich von anderen Sprachen ab – zum Beispiel von Latein. Doch eine Sprache wird nicht nur von Wörtern bestimmt. Auch der Tonfall oder die Gestik sind Teile davon. Fünf Unterallgä­uer erzählen, was sie mit dem Thema Sprache verbindet.
Symbol: Oliver Wolff Im Deutschen gibt es bis zu 500.000 Worte. Viele davon leiten sich von anderen Sprachen ab – zum Beispiel von Latein. Doch eine Sprache wird nicht nur von Wörtern bestimmt. Auch der Tonfall oder die Gestik sind Teile davon. Fünf Unterallgä­uer erzählen, was sie mit dem Thema Sprache verbindet.

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