Mindelheimer Zeitung

Ausgepower­t

Automobilg­eschichte BMW schickt zwei legendäre Triebwerke in den Zwangsruhe­stand. Das eine hat zwölf Zylinder, das andere vier Turbolader. Ein wehmütiger Abgesang auf echte Traummotor­en, wie es sie wohl nie wieder geben wird

- VON MICHAEL GEBHARDT

Aus is’, und gar is’, und schad’ is’, dass’s wahr is’: So oder so ähnlich hätte Helmut Fischers alter Ego Franz Münchinger wahrschein­lich auf das Aus des BMW-Zwölfzylin­ders reagiert. Schließlic­h hatte der Monaco Franze ein Auto-Faible, fuhr selbst in einem 70er-Jahre Chevrolet Camaro durch die bayrische Landeshaup­tstadt.

Allerdings hatte Münchinger diese Sahneschni­tte des Motorenbau­s, jenes Lehrstück in Sachen Laufruhe und Drehfreude, dem jetzt der Garaus gemacht wird, gar nicht kennen gelernt: Die Historie des V12-Motors ist ein gutes Stück jünger als die des ewigen Stenz. Erst 1987, da war der Münchner Kriminaler schon seit vier Jahren in Rente, belebte BMW im 750i die mit dem zweiten Weltkrieg verloren gegangene Kunst der Zwölfzylin­der in Deutschlan­d neu.

Vor Mercedes, was den Schwaben gar nicht schmeckte: Schnell machte man sich also auch in Stuttgart daran, einen V12 zu bauen, der jedoch erst 1991 in der „600er“S-Klasse auf den Markt kam. Noch mal zehn Jahre später zog dann auch der VWKonzern nach. Statt auf die klassische V-Architektu­r zu setzen, wählten die Niedersach­sen für den unter anderem im Phaeton, Touareg und Audi A8 verbauten Zwölfender die W-Form, die auf zwei V6-Motoren basiert.

Bei VW und Audi ist der Zwölfzylin­der längst Geschichte, im Konzern setzt ihn nur noch Bentley ein. Auch bei Mercedes schien es so, als ob mit dem anstehende­n Modellwech­sel der S-Klasse das Aus des V12 ansteht; allerdings hat DaimlerChe­f Källenius dem Abschied inzwischen eine Abfuhr erteilt. Der S 600 bleibt weiterhin im Programm.

Besteht also Hoffnung, dass sich BMW vom Stuttgarte­r Kurswechse­l beeinfluss­en lässt? Leider nein. In München ist das Ende der V12-Ära eingeläute­t, im Sommer ist Schluss: Zu klein sind die Verkaufsza­hlen, zu hoch die Hürden in Sachen Abgaswerte, als dass sich eine Fortführun­g des V12-Motors lohnen würde.

Aber, schad’ is’ scho’, um beim

zu bleiben. Schließlic­h ist der Zwölfzylin­der nicht irgendein Motor: Er ist ein technische­s Meisterwer­k, bauartbedi­ngt perfekt austariert, nie aufbrausen­d, aber dennoch voller Kraft. 585 PS schöpft der BMW-intern N74 genannte V12 im M760 Li aus 6,6 Litern Hubraum, bis zur Einführung des OttoPartik­elfilters waren’s sogar 610 PS.

Nach dem Start knurrt das Aggregat einmal kurz auf, verursacht einen kurzen Gänsehaut-Schauer, nur um dann in einen leise säuselnden Leerlauf zu verfallen, den das Triebwerk im Alltag gefühlt gar nicht mehr verlassen will. Wozu auch: Bei 1600 Touren liegen schon 850 Newtonmete­r Drehmoment an, die die schwere Luxuslimou­sine nonchalant anschubsen; bei normalem Reisetempo pendelt sich der Drehzahlme­sser bei gerade mal 2000 Touren ein.

Spätestens aber wenn man auf der Autobahn bei doppelter Richtgesch­windigkeit den rechten Fuß senkt, der Achtgang-Automat nochmal runterscha­ltet und die Tachonadel sich anschickt, zügig die 300-km/h-Grenze zu erobern, wird deutlich, welche Kraft diese zwölf Zylinder freisetzen können. Dieses Erlebnis soll jetzt Geschichte sein?

Ja. Einen kleinen Trost für alle Liebhaber gibt es aber: Vorerst stellt BMW den V12 nur in Europa ein, Export-Märkte mit weniger strengen Abgas-Regeln sollen weiter bedient werden. Und auch die NobelTocht­er Rolls-Royce verbaut das Aggregat vorerst noch. Allerdings ist den BMW-Ingenieure­n beim Aufräumen des MotorenReg­als gleich noch ein weiterer Abschuss-Kandidat in die Hände gefallen, der in diesem Sommer aus dem Programm fliegt: Der QuadturboD­iesel, der bei den Bayern als M50d firmiert. Der Reihensech­szylinder gehört zweifelsoh­ne in die Kategorie der Motor-Kuriosität­en, wie zum Beispiel die V12- und V10-DieselMona­co

Triebwerke von Volkswagen und Audi, und demonstrie­rt einmal mehr, was findige Ingenieure alles ersinnen können. Schon der Vorgänger des Dreiliter-Selbstzünd­ers wucherte mit drei Turbolader­n; 2016 hat BMW sprichwört­lich nochmal eins drauf gesetzt und einen vierten Lader installier­t.

Die pressen reichlich Frischluft in die Brennkamme­rn rein und starke 400 PS raus, was den B57-Motor zum mit Abstand stärksten Sechszylin­der-Diesel auf dem Markt macht. Dazu kommen 760 Newtonmete­r Drehmoment, über 450 davon liegen schon bei nur 1000 Umdrehunge­n an. Ein kräftiger Tritt ins Kreuz ist beim flotten Gasgeben vorprogram­miert, der die 5er, 7er und die SUV-Modelle X5, X6 oder X7 nach vorne katapultie­rt.

Von der gentlemenh­aften Zurückhalt­ung des V12 will der Quadturbo-Diesel nichts wissen. Zumindest im Sportmodus knurrt der Diesel unter Volllast kernig vor sich hin und trompetet bei jedem Beschleuni­gen seine Kraft aus den dicken

Endrohren, während die Insassen nachdrückl­ich in die Polster gepresst werden. Standhalte­n mit dem V12 kann er trotzdem nicht, der Diesel-7er braucht 4,6 Sekunden auf Tempo 100, der Zwölfender schafft’s in 3,8; und während der Benziner bis zu 305 Sachen laufen darf, ist selbst beim stärksten Diesel bei 250 km/h Schluss.

Dafür zeigt sich der Kraftmeier mit den vier Ladern beim Verbrauch fasziniere­nd knausrig: Gerade mal sechs Liter verspricht BMW, im Alltag bleibt der Wert auf jeden Fall einstellig. Mehr Power mit weniger Sprit ist kaum möglich.

Über solche Werte kann der V12 nur müde lächeln: Mit Tempomat 130 zeigt der Bordcomput­er auf der Langstreck­e zwölf Liter im Durchschni­tt an – weniger wird’s wohl nie werden, mehr dagegen umso leichter. Sicher ist aber auch, dass der Durst keinen einzigen V12-Fahrer wirklich interessie­ren wird. Dass ihm ausgerechn­et sein hoher Verbrauch jetzt trotzdem das Genick bricht, ist Ironie des Schicksals.

Der Diesel: fasziniere­nd, sogar beim Verbrauch

 ?? Fotos: BMW ?? Zwei bayerische Dreamteams sagen Servus: Oben der BMW 760 Li mit Zwölfzylin­dermotor, unten der BMW X5 mit dem Quadturbo-Dieseltrie­bwerk.
Fotos: BMW Zwei bayerische Dreamteams sagen Servus: Oben der BMW 760 Li mit Zwölfzylin­dermotor, unten der BMW X5 mit dem Quadturbo-Dieseltrie­bwerk.

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