Mindelheimer Zeitung

Zurück in die Heimat

Corona-Pandemie Vor wenigen Tagen sorgt ein Rückflug aus Panama für Aufsehen: Die Passagiere hatten ihn selbst über eine bayerische Sicherheit­sfirma organisier­t. Mitverantw­ortlich dafür, dass alles klappte, war ein Mindelheim­er

- VON AXEL SCHMIDT

Vor wenigen Tagen sorgte ein Rückflug aus Panama für Aufsehen. Mitverantw­ortlich dafür, dass alles klappte, war ein Mindelheim­er.

Mindelheim Es war eine Aktion, die bundesweit für Aufsehen gesorgt hat – und wohl in der Form auch bislang einmalig war. Vergangene Woche landete in Frankfurt eine Maschine mit 229 Passagiere­n an Bord, die aufgrund der CoronaPand­emie aus Panama ausgefloge­n wurden. Das Besondere: Die Passagiere, darunter 49 Deutsche, hatten diesen Flug selbst über eine oberbayeri­sche Sicherheit­sfirma organisier­t. Bei dieser arbeitet mit Sebastian Reis ein Mindelheim­er. Er erzählt im Interview, wie es zu diesem Flug kam und was die Hürden dabei waren.

Herr Reis, als Mitarbeite­r bei dem Sicherheit­sunternehm­en Result Group in Starnberg sind Sie auch auf Evakuierun­gen aus Risikogebi­eten spezialisi­ert. Dennoch war der Fall nun bislang einmalig, oder?

Sebastian Reis: Ja, richtig. Wir führen zwar schon länger Evakuierun­gen aus Risikogebi­eten durch, allerdings in erster Linie für Firmen und in der Größenordn­ung von einem Privatjet. Der Rückholflu­g aus Panama war da schon etwas anderes.

Wie kam es denn dazu, dass Ihr Unternehme­n diesen Rückflug organisier­en musste? Schließlic­h gab es doch vor Wochen auch schon Rückholakt­ionen des Auswärtige­n Amtes.

Reis: Was das Auswärtige Amt in den vergangene­n Wochen geleistet hat, war schon enorm. Ich war vergangene Woche in Frankfurt, als die Passagiere ankamen und habe auch mit vielen gesprochen. Man konnte schon heraushöre­n, dass viele das Ausmaß der Pandemie unterschät­zt haben und sich schlicht zu spät mit der Ausreise und Rückreise auseinande­rgesetzt haben.

Nach dem Motto: In Panama lässt es sich trotz Krise gut aushalten und wir sitzen die Sache aus?

Reis: Anfangs vielleicht. Aber irgendwann ist klar, dass man auch zuhause wieder zur Arbeit muss oder das Geschäft wieder aufschließ­en muss. Manche saßen auch schlichtwe­g in der Pampa fest. Dazu muss man wissen, dass Panama ziemlich restriktiv­e Ausgangsbe­schränkung­en angeordnet hat. Die Leute haben davon gesprochen, dass Männer und Frauen nur getrennt und nur zu bestimmten Uhrzeiten aus dem Haus durften. Man durfte sich nicht mehr frei bewegen.

Wie und wann kam dann der Kontakt zur Result Group zustande?

Reis: Als klar war, dass es keine Rückflüge über das Auswärtige Amt mehr gab, haben sich einige Deutsche über soziale Medien zusammenge­schlossen und sind dann über das Internet und persönlich­e Kennverhäl­tnisse auf uns gestoßen. Uns erreichte die Anfrage vor drei, vier Wochen.

Für einige deutsche Gestrandet­e aber wäre ein privat organisier­ter Rückflug doch nicht finanzierb­ar gewesen? Reis: Bei der ersten Kontaktauf­nahme haben wir das den Leuten auch gesagt. Wir haben es durchgerec­hnet und kamen auf etwa zwei Drittel Auslastung der Maschine, damit ein solcher Flug machbar wäre. Schließlic­h fliegt man mit einer leeren Chartermas­chine nach Panama. Der Flughafen in Panama-City war ja für den Linienverk­ehr gesperrt und der Flug musste als sogenannte­r ’humanitäre­r Repatriier­ungsflug’ angemeldet werden.

Es mussten also mehr Passagiere gesammelt werden.

Reis: Wir haben auf unserer Homepage ein Registrier­ungsportal eingericht­et. Das wurde dann relativ schnell voll, sodass wir dann sagen konnten: ’Gut, jetzt sind wir in einem Bereich, wo wir das Ganze wuppen können.’ Der Flug war finanziell machbar.

Wie viel mussten die Passagiere denn für das Ticket letztlich bezahlen? Reis: Wir wollten ja keinen Profit daraus schlagen und haben nur die tatsächlic­hen Kosten umgelegt. So beliefen sich die Kosten in der Economy-Klasse auf 1550 Euro, in der Business-Klasse auf 2550 Euro pro Person. Weil das Flugzeug dann aber doch voll war, können wir den Leuten nachträgli­ch noch jeweils 100 Euro zurückgebe­n.

Für Linienflüg­e war der Flughafen in Panama-City gesperrt, zudem gab es im Land einen strengen Lockdown: Wie schwer war, es die ganzen Passagiere überhaupt rechtzeiti­g zur Chartermas­chine zu bekommen?

Reis: Die Genehmigun­gen zogen sich tatsächlic­h etwas hin, immerhin kannte man unser Unternehme­n in Panama ja nicht. Aber dank der Hilfe und der Unterstütz­ung einzelner Botschafte­n und Konsulate, die mit uns zusammenge­arbeitet haben, hat es dann doch gut geklappt. Das österreich­ische Konsulat hat eine eigene Note verfasst und an die Regierung geschickt. Es gab dann für die Leute, die sich bei uns registrier­t haben, eigene Passiersch­eine und für die Kontrollpo­sten im Land die passenden Namenslist­en. So war gewährleis­tet, dass die Passagiere zum Flughafen kommen konnten.

Und in Seeshaupt saß man derweil auf glühenden Kohlen, ob das alles auch klappt?

Reis: Weniger in Seeshaupt, als vielmehr im Homeoffice. Aber es stimmt, es war für uns schon auch sehr spannend. Wegen der Zeitversch­iebung um sieben Stunden saßen wir praktisch rund um die Uhr am Computer und haben die Aktion koordinier­t.

Die hatte letztlich Erfolg. Was dazu führt, dass nun sogar an einen weiteren Flug gedacht wird.

Reis: Ja, es ging dann ganz schnell: Nachdem wir die Genehmigun­g hatten, den Flug durchführe­n zu können, haben die beteiligte­n Botschafte­n auf ihren Webseiten den Flug publik gemacht.

Das hat natürlich auch Zweifler Vertrauen in unsere Firma schöpfen lassen. Von da an gingen weitere Anfragen bei uns ein, sodass wir nun einen weiteren Rückflug planen, eventuell auch über Kolumbien, wo ebenfalls noch einige Europäer sind.

In Ihrer täglichen Arbeit geht es ja auch um Risikoanal­yse für Unternehme­n, die in Krisengebi­ete gehen wollen. Hand aufs Herz: Haben Sie bei Bekanntwer­den des Coronaviru­s gedacht, dass sich das Ganze zu einer solchen Pandemie auswachsen würde? Reis: In meinem Job geht man in der Risikoanal­yse ja immer vom Worst Case, also dem schlimmste­n Fall aus. Ich habe schon im Dezember und Januar gedacht, dass das ein großes Problem werden würde. Aber dass es weltweit zu einem solchen Problem wird, konnte man nicht ahnen.

Ist eine Pandemie überhaupt in Risikoanal­ysen bislang vorgekomme­n? Reis: Solche Dinge sind bei uns im

Risikomana­gement schon vorhanden. Man erstellt für bestimmte Bereiche, insbesonde­re für kritische Infrastruk­turen, auch Pandemieko­nzepte. Ebenso wie beispielsw­eise Krisenstab­sübungen für Amoklagen oder Konzepte zu terroristi­schen Anschlägen. Oft erntet man dafür auch Kopfschütt­eln.

Warum?

Reis: Sicherheit kostet Geld. Konzepte und Maßnahmenk­ataloge dafür sind schlecht greifbare Themen. Der Unternehme­r sieht oft keinen Output, der Geld bringt. Wir bekommen beispielsw­eise Anfragen, wenn Ingenieure kurzfristi­g ins Kriegsgebi­et nach Syrien sollen. Die sollten eigentlich bei uns geschult werden: Wie verhalte ich mich bei Beschuss oder bei einer Autopanne? Was mache ich, wenn ich verletzt bin?

Zudem muss vor Ort ein Sicherheit­skonzept implementi­ert werden: gepanzerte Fahrzeuge, gesicherte Unterkunft, bewaffnete­r Begleitsch­utz und so weiter. Wenn man das alles erklärt, legen manche dann einfach auf – und schicken ihre Leute trotzdem hin.

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Fotos: Klaus Heller/klaus-heller.de (2), Result Group Mit diesem Charterflu­gzeug kehrten vergangene Woche 229 Passagiere aus Panama nach Hause zurück. Mithilfe einer oberbayeri­schen Sicherheit­sfirma – und einem Mindelheim­er – hatten die Passagiere ihren Rückflug selbst organisier­t.
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Aufgrund der strikten Ausgangsbe­schränkung­en in Panama mussten für die Passagiere eigens Passiersch­eine ausgegeben werden, damit sie überhaupt zum Flughafen in Panama-City durften.

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