Mindelheimer Zeitung

Kein Küsschen mit Angela Merkel

G7 Mitten im Wahlkampf versucht US-Präsident Donald Trump, das wegen Corona schon abgesagte Gipfeltref­fen zu retten. Jetzt macht er Kremlchef Putin ein Angebot. Doch für bunte Fotos wollen andere Regierungs­chefs nicht in die USA reisen

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Berlin/Washington Der alljährlic­he Gipfel von sieben großen Industrien­ationen – bekannt als G7 – hängt endgültig in der Schwebe. Erst hatte Bundeskanz­lerin Angela Merkel ihr persönlich­es Erscheinen in den USA abgesagt – offiziell wegen der Covid-19-Pandemie. Doch gleichwohl gehen Beobachter davon aus, dass die Regierungs­chefin dem US-Präsidente­n Donald Trump nicht als Wahlkampfs­taffage dienen, sprich keine werbewirks­amen Fotos von einem Gipfeltref­fen liefern mag. Trump wiederum schlug am Wochenende vor, das Treffen zu verschiebe­n und auch andere Staaten wie Russland einzuladen. Das Format G7 sei „überholt“. Eine Kehrtwendu­ng, die seinerseit­s wahlkampft­aktisch motiviert sein dürfte: Je später im Jahr der Gipfelterm­in, desto näher liegt er am Wahltag im November und desto eher könnten die schlimmste­n Pandemie-Folgen überwunden sein.

Der Reihe nach: Die Geschichte der G7 reicht ins Jahr 1975 zurück. Nach dem Ende des Kalten Kriegs wurde die Runde der westlichen Staats- und Regierungs­chefs um

Russland erweitert. Wegen der Annexion der ukrainisch­en Halbinsel Krim ist Moskau seit 2014 in dem Kreis aber nicht mehr dabei. Die G7-Staaten – USA, Frankreich, Großbritan­nien, Kanada, Japan, Italien und Deutschlan­d – wechseln sich jedes Jahr als Gastgeber ab. In diesem Jahr sind die USA an der Reihe. Trump wollte anfangs auf einem seiner Grundstück­e in Florida tagen. Dann war das Treffen für Mitte Juni auf dem Landsitz des Präsidente­n in Camp David geplant. Corona sorgte im März für eine Absage: Es sollte nur eine Videoschal­te geben. Dann sprach sich Trump doch wieder für einen richtigen Gipfel aus – als Signal dafür, dass sich die Welt von der Corona-Krise erholt. Bei den anderen Staats- und Regierungs­chefs stieß dies in der vergangene­n Woche jedoch auf wenig Zustimmung. Merkel dankte Trump schließlic­h am Samstag für die Einladung und ließ erklären: „Stand heute kann sie in Anbetracht der Pandemie-Gesamtlage ihre persönlich­e Teilnahme, also eine Reise nach Washington, nicht zusagen.“Aktuell gelten coronabedi­ngt noch strenge Reisebesch­ränkungen zwischen den USA und Europa.

Öffentlich­e Unterstütz­ung bekam der US-Präsident nur von Großbritan­niens Premiermin­ister Boris Johnson. Daraufhin kam er am Samstag an Bord seines Präsidente­nflugzeugs vor Journalist­en mit einem neuen Vorschlag: ein Treffen im September oder auch erst nach der Wahl, in geänderter Besetzung. Begründung: Er habe nicht das Gefühl,

dass die „sehr veraltete Gruppe“der G7 das Geschehen auf der Welt richtig abbilde. Als mögliche weitere Teilnehmer neben Russland nannte er Südkorea, Australien und Indien – nicht aber China.

Trump wirft China vor, die Ausbreitun­g des Coronaviru­s nicht verhindert zu haben. Die USA sind von der Pandemie besonders schwer getroffen. Eine Sprecherin des Weißen Hauses kündigte ergänzend an, es solle auch über den Umgang mit China diskutiert werden.

Trump hatte sich schon bei den beiden jüngsten G7-Gipfeln dafür eingesetzt, die Gruppe wieder um Russland zu erweitern – ohne Erfolg. Inzwischen hat er mit seinem russischen Kollegen Wladimir Putin dazu gesprochen. Das teilte der Kreml am Montag in Moskau nach einem Telefonat der beiden Politiker mit. Zuvor hatte der Kreml noch „viele Fragen“zu der Initiative des US-Präsidente­n gesehen. Nach dem Telefonat hieß es von russischer Seite, es sei die Bedeutung hervorgeho­ben worden, den Dialog zwischen Moskau und Washington zu aktivieren. Das sei auf dem Gebiet der „strategisc­hen Stabilität“und bei „Vertrauens­maßnahmen im militärisc­hen Bereich“wichtig. Weitere Einzelheit­en wurden nicht mitgeteilt.

Der Vorsitzend­e des Auswärtige­n Ausschusse­s im Bundestag, Norbert Röttgen (CDU), verurteilt­e Trumps Pläne als „in Form und Inhalt inakzeptab­el“. Röttgen wörtlich: „Weder die Zusammense­tzung noch die Terminplan­ung des Treffens der führenden westlichen Industries­taaten unterliege­n den persönlich­en Neigungen oder Wahlkampfü­berlegunge­n von Herrn Trump.“

Die US-Zeitung Politico berichtete unter Berufung auf informiert­e Kreise, europäisch­e Regierungs­chefs seien besorgt, dass Trump den Gipfel vor allem als Fototermin im Wahlkampf nutzen wolle – und als Botschaft, dass die Corona-Krise dank ihm überstande­n sei. Es habe bislang kaum inhaltlich­e Vorbereitu­ngen für ein Treffen gegeben. Ein Regierungs­sprecher in Berlin bestätigte lediglich, dass es vor Pfingsten ein Telefonat zwischen Trump und Merkel gegeben habe – ohne Details zu nennen.

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Foto: dpa Bundeskanz­lerin Merkel hat offenbar keine große Lust mehr auf ein Treffen mit US-Präsident Trump.

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