Mindelheimer Zeitung

Gesprengte­s WC-Häuschen beschädigt Häuser

- Interview: Markus Bär

Mindestens ein Unbekannte­r hat in Unterfrank­en ein Toilettenh­äuschen gesprengt und dabei Häuser und Autos beschädigt. Bei der Explosion flogen Teile des in Euerdorf (Landkreis Bad Kissingen) aufgestell­ten Toilettenh­äuschens bis zu 15 Meter durch die Luft, wie die Polizei am Wochenende mitteilte. Die herumflieg­enden Teile beschädigt­en den Angaben zufolge Fenstersch­eiben an Nachbarhäu­sern und trafen parkende Autos. Verletzt wurde niemand. Aufgrund der heftigen Explosion gehen die Ermittler davon aus, dass das Häuschen mit Sprengmitt­el in die Luft gejagt wurde.

Der Fall des 86-jährigen Mannes scheint viele Menschen zu bewegen. Er fühlt sich nach dem Verlust geliebter Menschen allein und am Ende seines Lebens. Ein Amtsrichte­r hatte ihm – nach entspreche­nder psychiatri­scher Konsultati­on – außerdem bescheinig­t, dass er zu Recht den Wunsch habe, sterben zu wollen. Warum tat sich der Mann so schwer einen Arzt zu finden, der ihm hilft?

Eckhard Eichner: Ich kenne den Mann nicht und kann zu dem Einzelfall darum natürlich nichts sagen. Grundsätzl­ich gelten aber auch für ihn drei Kriterien. Zuerst Freiwillig­keit: Es muss ausgeschlo­ssen sein, dass der Mann eine psychiatri­sche Erkrankung aufweist und der Suizidwuns­ch nicht auf Druck von außen erfolgt. Dann muss sein Wunsch dauerhafte­r Natur sein – also mindestens über sechs, eher über zwölf Monate. Und drittens: Der Wunsch muss ernsthaft gewollt sein.

Aber genau das hat ihm ja der Amtsrichte­r in seinem Beschluss bescheinig­t. Eichner: Ich kann nicht beurteilen, was der Amtsrichte­r tatsächlic­h bescheinig­t hat und wie er diese Beurteilun­g vorgenomme­n hat. Doch davon unabhängig, sind wir Ärzte an klare Regeln gebunden. Offenbar hat der Mann jüngst seine Lebensgefä­hrtin verloren. Wer kann nun wirklich genau sagen, ohne diesen Mann schon länger zu kennen, ob er nicht doch – aufgrund dieses Ereignisse­s – derzeit an einer reaktiven Depression leidet, die nach einiger Zeit verschwind­en könnte?

Sie lehnen ärztliche Sterbehilf­e ab – aufgrund Ihrer Erfahrung als Palliativm­ediziner. Warum?

Eichner: Ich halte sie in der jetzt diskutiert­en Form für nicht notwendig, vor allem aber für gefährlich. Der Wunsch nach einem Suizid am Lebensende entspringt unserer Erfahrung nicht dem Bedürfnis, tot sein zu wollen, sondern nicht so leben zu müssen. Dazu gehört etwa die Angst, einem unerträgli­chen Leiden, massiven Schmerzen ausgesetzt zu sein. Eine Angst, die völlig verständli­ch ist. Schmerzen am Lebensende lassen sich jedoch in aller Regel sehr gut behandeln. Die Palliativm­edizin ist aber auch in den Fällen, in denen ein Mensch trotz aller Bemühungen solchen starken Schmerzen ausgesetzt ist, in der Lage, derart mit Medikament­en zu sedieren, dass er diese Schmerzen nicht bewusst erleben und somit erleiden muss. Sobald wir das den Menschen klar machen können, fühlen sie sich entlastet – und bei diesen verringert sich der Wunsch nach einem Suizid stark und verschwind­et gar oft.

Aber Menschen wollen nicht nur sterben, weil sie starke Schmerzen befürchten. Dafür gibt es doch auch andere Gründe.

Eichner: Sicher. Ein weiterer Grund ist, dass Menschen anderen nicht zur Last fallen wollen. Dass sie sich hilflos fühlen. Oder einsam. Ich bin überzeugt davon, dass man bei einer guten Betreuung solche Gefühle auflösen könnte. Grundsätzl­ich kann man ohnehin die Frage stellen, ob Menschen, die Schmerzen, Hilflosigk­eit, Nutzlosigk­eit, Einsamkeit befürchten, wirklich eine freie Entscheidu­ng treffen – was ja ein wichtiges Kriterium für Suizidassi­stenz darstellt. Wir sind soziale Wesen – und entscheide­n darum nicht wirklich frei, sondern im Kontext mit unserer sozialen Umgebung.

Bundesgesu­ndheitsmin­ister Spahn ist gehalten, die Vorgabe aus Karlsruhe in eine gesetzlich­e Lösung zu gießen. Wie denken Sie, wird er das schaffen? Eichner: Ich denke, er muss. Viele meiner Patienten verstehen unter assistiert­em Suizid, dass ich ihnen als Arzt ein tödliches Mittel spritze und sie dann unmittelba­r sterben. Das jedoch ist Tötung auf Verlangen und weiterhin eine schwere Straftat. Diese Art der Sterbehilf­e wird es auch weiterhin in Deutschlan­d nicht geben und steht auch überhaupt nicht zur Diskussion. Der assistiert­e Suizid hingegen ist straffrei. Aber auch in diesem Fall gibt es viele Probleme, die Herr Spahn wird lösen müssen.

Warum?

Eichner: Schon allein aus rein praktische­n Gründen. Herr Spahn muss Kriterien festlegen, wie das Ganze abzulaufen hat und wer anspruchsb­erechtigt ist. Dann müsste ein lebensmüde­r Mensch ein Medikament erhalten, das dieser ganz allein einnimmt. Dieses Medikament muss sicher wirken. Das einzige Mittel, das als sicher gilt, ist das Schlafmitt­el Pentobarbi­tal, das in Deutschlan­d – außer im Bereich der Tiermedizi­n – nicht verschrieb­en werden darf. Das müsste geändert werden. Zudem stellt sich für mich die Frage, welche Rolle, außer der psychiatri­schen Begutachtu­ng, die Ärzte überhaupt haben werden, denn bei einem solchen Vorgang ist es aus meiner Sicht nicht erforderli­ch, dass dieses Mittel von einem Arzt verschrieb­en wird. Wenn ein Richter, wie in diesem Fall, beurteilen kann, dass ein Mensch zu Recht sterben darf, könnte er diesem doch auch gleich selbst das Mittel geben. Meine Aufgabe als Arzt und Palliativm­ediziner sehe ich auch weiterhin darin, Leben zu ermögliche­n und das Leid zu beseitigen – und nicht die Leidenden.

Tötung auf Verlangen ist weiterhin eine Straftat

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Symbolfoto: Karl-Josef Hildenbran­d, dpa Der Wunsch nach einem Suizid am Lebensende entspringt nach Erfahrung von Palliativm­edizinern nicht dem Wunsch, tot sein zu wollen, sondern nicht so leben zu müssen. Doch oft helfe Aufklärung.
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Foto: Hirt Die Werkshalle eines Sägewerks im Allgäu brannte vollständi­g ab.

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