Shopify ist ein großer Gewinner der Krise
Themenwoche Konsum Vor 16 Jahren gründete Tobias Lütke die Firma. Sie bietet Software für Online-Händler an und wuchs stetig. Doch erst die Pandemie brachte die Geschäfte des Unternehmens richtig in Schwung
Berlin Bei jeder Krise ist es ja eigentlich so: Für viele läuft es nicht wirklich gut – aber einige gehören zu den Gewinnern. Bei der Corona-Pandemie fällt diese Gewinnerrolle eindeutig dem Online-Handel zu und allen, die damit verbunden sind. Prominentestes Beispiel: Jeff Bezos. Der Amazon-Chef verdiente vor kurzen an einem einzigen Tag 13 Milliarden Dollar. Natürlich gibt es weitere Fälle – die zwar ähnlich erfolgreich sind, aber weniger im Rampenlicht stehen. Shopify etwa.
Das Unternehmen mit Sitz in Kanada verkauft Software, mit der Händler Online-Shops betreiben können. Die Plattform ermöglicht ihnen aber auch, ihr Kassensystem im Laden zu betreiben, oder Waren direkt über soziale Medien wie Instagram oder Facebook zu verkaufen. Gegründet hat die Firma Tobias Lütke. Der 40-Jährige stammt ursprünglich aus Koblenz und ist 2002 der Liebe wegen nach Kanada ausgewandert. Zwei Jahre später startete er ein Online-Geschäft für Snowboards. Doch er merkte schnell: Die Handelssoftware, die er gerne dafür gehabt hätte, gab es noch nicht. Also programmierte der Unternehmer sie selbst und stellte kurz darauf fest: Die Software ist begehrter als die Snowboards.
Shopify war geboren. Das Unternehmen ist an sich schon eine Erfolgsgeschichte, weil es seit seiner Gründung immer weiter wuchs. Das US-Magazin Forbes schätzt das Vermögen von Lütke auf 9,1 Milliarden Dollar – auf der Liste der reichsten Menschen der Welt belegt er damit Platz 680. Doch die Corona-Pandemie hat das Wachstum der Firma noch einmal befeuert.
Das lässt sich zum einen am Aktienkurs ablesen. Innerhalb weniger Monate verdreifachte das Papier seinen Wert: Mitte März war es noch etwa 320 Euro wert. Inzwischen sind es rund 920 Euro. Doch auch die Anzahl der Händler, die mit der Software der Firma arbeiten, sei rasant gestiegen, sagt Roman Rochel. Der Berliner arbeitet seit etwa zehn Jahren in der Start-upund Technologie-Branche und ist Europa-Chef von Shopify. Er betont: „Vergleicht man den März 2019 mit dem März 2020 ist die Zahl der Händler um 49 Prozent gestiegen. Im Februar waren es 31 Prozent mehr.“
Über eine Million Händler weltOnline-Shop weit verwenden die Software der Kanadier inzwischen. Jeder zehnte deutsche Online-Kunde habe schon bei einem Internet-Laden eingekauft, der über Shopify laufe, berichtet Rochel. Und noch etwas konnten die Kanadier seit Ausbruch der Corona-Pandemie beobachten: „Viele der neuen Händler verzeichnen schon in der ersten Woche Online-Umsätze“, sagt Europa-Chef Rochel. „Dadurch können wir darauf schließen, dass das viele alteingesessene lokale Händler sind, die zu Beginn der Corona-Krise einen eröffnet haben.“Der Firma kamen in Pandemie-Zeiten zwei Dinge zugute: Viele Händler durften nicht mehr öffnen, wollten oder mussten aber weiter Umsatz machen, auch um die Fixkosten zu decken. Das funktionierte über das Internet. Also eröffneten etablierte lokale Händler Online-Ableger – und griffen zum Teil auf das Shopify-Angebot zurück. Zum anderen war die Nachfrage nach Dingen nicht einfach weg, nur weil Geschäfte geschlossen waren. Die Menschen kauften dennoch ein. Nur eben im
Netz. Das zeigen Zahlen des E-Commerce-Verbandes – einem Zusammenschluss von Online- und Versandhändlern. Im ersten Halbjahr 2020 ist der Online-Handel demnach um 16,5 Prozent gewachsen. Vor allem die Nachfrage nach Lebensmitteln und Produkten des täglichen Bedarfs nahm stark zu. Auch Shopify hat Daten erhoben, welche Produkte Menschen zu Beginn der Pandemie im Internet gekauft haben: So stieg in den ersten Wochen der Pandemie etwa der Absatz von Handarbeitsmustern um 1764 Prozent, der von Puzzeln um 1211 Prozent und von Trainingsbändern um 784 Prozent. Wer nicht mehr Bummeln kann, muss sich eben anders beschäftigen.
Und wie blickt Shopify nach dem Rekord-Frühjahr in die Zukunft? „Die Entwicklung, die wir jetzt durch Corona hatten, damit haben wir eigentlich für die kommenden Jahre gerechnet“, sagt Rochel. Um den Bedürfnissen der Kunden gerecht zu werden, habe man einige Entwicklungen vorgezogen – zum Beispiel können Händler jetzt Gutscheine erstellen, die sie dann wiederum an ihre Kunden verkaufen. Ein Angebot, das gerade zu Beginn der Pandemie begehrt war.
Nun gibt es auch die Möglichkeit für Händler, Waren, die im Internet bestellt wurden, vor Ort abholen zu lassen. Und welch weitere Pläne existieren? Shopify-Mann Rochel kann sich dazu derzeit nicht äußern – weil das Unternehmen an der Börse notiert ist. Aber im Quartalsbericht, den Shopify Ende Juli veröffentlicht hat, steht: „Die Covid19-Pandemie hat das Wachstum des Online-Handels beschleunigt und dazu geführt, dass ein größerer Teil der Ausgaben im Einzelhandel ins Internet gewandert ist. Wir glauben, dass dieser Trend anhalten wird.“Allerdings betont das Unternehmen, niemand könne voraussagen, wie die Pandemie weiter verläuft: „Deshalb erstellt Shopify keinen Ausblick für das dritte Quartal 2020 oder für das gesamte Jahr.“