Beim Einkaufen kriegt man mehr aus Eltern raus
Isis Mutter verplappert sich im Supermarkt wegen einer Avocado
Kofferraum. Montags war Großeinkaufstag. Isi half, die letzte Kiste ins Auto zu hieven und sprang auf den Beifahrersitz. Sie wollte unbedingt von den Walen erzählen und nach dem mysteriösen Urlaub fragen.
„Dein Vater und ich haben beschlossen“, sagte ihre Mutter, während sie den Einkaufswagen durch den Supermarkt schob. „Dass.“Sie tastete nach einer Tomate. „Wir.“Sie griff nach einer anderen. „Die nächsten Wochen auf Fleisch verzichten.“
Wie bitte? Isi stöhnte leise. Etwas anderes wollte sie doch viel dringender wissen. „Ja, ich habe in der Zeitung gelesen, dass viele Kühe mit Soja gefüttert werden und für Sojaanbau werden Regenwälder abgeholzt“, sagte ihre Mutter. „Dabei sind das die größten CO2-Speicher der Welt. Ohne sie wird es immer noch wärmer auf der Erde. Es ist jetzt schon viel zu warm. Außerdem rülpsen und pupsen Rinder Methan in die Luft, das ist noch schädlicher als CO2. Und warum gibt es so viele Rinder?“, fragte ihre Mutter. „Weil die Menschen so viel Fleisch essen“, antwortete sie sich selbst und klang wie eine Lehrerin.
Sie griff nach einer Avocado. „Wie man so etwas wohl isst?“, murmelte sie. „Na, wir werden es bald wissen. Die Amerikaner essen das schon lange.“Isi horchte auf. Amerikaner? Hatte ihre Mutter gerade von Amerikanern
gesprochen? „Wie kommst du denn jetzt auf die?“, fragte Isi. „Na, weil wir doch im August…Oh, schau mal!“, rief ihre Mutter. Zu spät. Isi stellte sich vor den Einkaufswagen und sah ihr in die Augen. „Mama?“
Ihre Mutter biss sich auf die Unterlippe. Dann holte sie tief Luft und sagte: „Paul hat deinem Vater ein Angebot gemacht, ein neuer Job.“Isis Magen zog sich zusammen. „Es ist ein guter Job“, sagte ihre Mutter, „in Amerika“. Sie blickte auf die Avocado, um Isis Blick auszuweichen. „Wir werden in den Ferien nach New York ziehen.“
Isi schnaufte mehr als sonst, als sie am nächsten Morgen den Lindenfrieder Berg hinaufstrampelte. Die ganze Nacht hatte sie nicht geschlafen. Sie war so wütend. Ihre Eltern hatten sie nicht einmal gefragt. Auf dem Schulhof wuchtete sie ihr Fahrrad in „Ingo“. Es klirrte laut, als das Stahl der Fahrradgabel gegen das Stahl des Fahrradständers knallte. „Verdammt“, fluchte sie. Terri nahm ihr Helm, Schloss und Tasche ab und befahl ihr, sich hinzusetzen. „Ingo-Krisensitzung“, sagte sie, schloss die Räder ab und setzte sich neben Isi. „Wir ziehen nach New York“, schrie Isi. „New!
York!“Sie trommelte vor Wut gegen den Fahrradständer. „Wer will denn da hin?“, rief sie. Terri sah sie entsetzt an. „Was mache ich denn den ganzen Sommer am See ohne dich?“Sie blickten zu Boden und schwiegen. Da gab es nichts zu retten. Terri legte Isi den Arm um die Schulter. „Aber hey“, sagte sie, „immerhin gehst du nach BB-Land.“Sie grinste und zwickte Isi in den Bauch. „Du holst mir ein Autogramm von BeachBoy17, versprochen?“Isi lachte, obwohl sie lieber weinen wollte. Sie fühlte sich wie ein aufgeschlitzter Wal. Als hätte sie ein Loch in der Brust und jemand ihr Herz rausgerissen. Amerika. Was sollte sie denn da? Dort hatte sie keine Freunde, die neue Schule war sicher doof und ums Klima konnte sie sich auch nicht mehr gescheit kümmern. Fortsetzung folgt Montag ⓘ
Info Hast du die ersten beiden Teile von „Plötzlich beliebt: Isi wird zum Superstar“verpasst? Du findest sie auf der Capito-Seite der beiden vergangenen Montage unter augsburger-allgemeine.de/capito.
Stephanie Lorenz, 29, kommt aus Friedberg und wohnt zurzeit in New York. Ihre Erfahrungen in den USA haben die Journalistin auf die Idee gebracht, Kurzgeschichten zu schreiben.