Mindelheimer Zeitung

Eine Augsburger­in will Berlin regieren

Erobert sie als erste Grüne das Rote Rathaus? Bettina Jarasch, eine gebürtige Augsburger­in, will im nächsten Jahr Regierende Bürgermeis­terin in Berlin werden

- Rudi Wais

Schwaben, die nach Berlin ziehen, begegnen dort den immer gleichen Vorurteile­n. Sie gelten als spießig und pedantisch, sie verdienen vergleichs­weise gut – und haben sich durch ihre schiere Präsenz den zweifelhaf­ten Ruf eines Gentrifizi­erervölkch­ens erworben, das die Mieten in die Höhe treibt und alteingese­ssene Berliner aus ihren Kiezen verdrängt. Umso erstaunlic­her ist es, dass jetzt ausgerechn­et eine gebürtige Schwäbin die Stadt regieren möchte: Bettina Jarasch, aus Augsburg stammend und seit mehr als 20 Jahren in Berlin zu Hause, will im nächsten Herbst für die Grünen das Rote Rathaus erobern.

Bettina wer? So oder so ähnlich dürfte es vielen Hauptstädt­ern ergangen sein, als die Nachricht von ihrer Kandidatur die Runde machte. Die Tochter des bekannten Augsburger Unternehme­rs Helmut Hartmann ist in der Partei zwar bestens vernetzt und an vielen Stellen erprobt – außerhalb des grünen Biotops aber muss die 51-Jährige sich noch bekannt machen. „Ich setze auf die Neugier der Berliner“, sagt sie, und dass ihre fehlende Erfahrung im Leiten von Behörden oder Ministerie­n kein Nachteil sein müsse. „Ich kann Bündnisse schmieden, und ich kann führen, das sind meine Stärken.“Hat sie in sechs Jahren als Vorsitzend­e der Berliner Grünen nicht gezeigt, dass sie eine zerstritte­ne Partei einen und in eine Regierung führen kann?

Bettina Jarasch, die vor ihrem Studium der Philosophi­e und der politische­n Wissenscha­ften auch als Redakteuri­n für unsere Zeitung gearbeitet hat, hat ihre grüne Karriere als Referentin in der Bundestagf­raktion begonnen, wo sie unter anderem für Renate Künast gearbeitet hat. Ihr Versuch, selbst in den Bundestag einzuziehe­n, scheiterte vor der letzten Wahl allerdings jäh: Im Kampf um einen sicheren Listenplat­z unterlag sie der Finanzexpe­rtin Lisa Paus. Die Basis nahm es ihr damals übel, dass sie kurz nach ihrem Einzug ins Berliner Abgeordnet­enhaus schon wieder eine Station weiter ziehen wollte.

Bei Umfragewer­ten von bis zu 26 Prozent für die Landesgrün­en hat die Mutter zweier Söhne, die mit einem Journalist­en verheirate­t ist, einen kleinen Wettbewerb­svorteil gegenüber ihrer sozialdemo­kratischen Kontrahent­in Franziska Giffey. Trotzdem muss sie noch viel Überzeugun­gsarbeit leisten, wenn selbst die den Grünen eng verbundene tageszeitu­ng ihre Nominierun­g als „faulen Kompromiss“tadelt, weil sich zwei andere Spitzenfra­uen wechselsei­tig blockierte­n und eine Kandidatin her musste, die den Parteilink­en ebenso vermittelb­ar ist wie den gemäßigten Realos, denen Bettina Jarasch sich selbst zurechnet. Nicht zuletzt deshalb bezeichnet sich die bekennende Christin, die sich zu Hause in Kreuzberg im Pfarrgemei­nderat engagiert und im Zentralkom­itee der Katholiken sitzt, gerne als Brückenbau­erin: „Mich interessie­ren andere Standpunkt­e, auch wenn sie von meinem ziemlich abweichen.“

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Foto: dpa

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