Mindelheimer Zeitung

Tatort-Kommissari­n erzählt

Anna Pieri Zuercher ist für die Krimireihe neue Kommissari­n in Zürich. Sie musste darum erst einmal zur Schießübun­g. Warum die Schweizeri­n es liebt, auf Deutsch zu spielen

- Interview: Josef Karg

Anna Pieri Zuercher ist neue Kommissari­n im „Tatort“Zürich. Vor den Dreharbeit­en musste die Schauspiel­erin erst einmal zur Schießübun­g. Warum die Schweizeri­n es liebt, auf Deutsch zu spielen, erzählt Sie auf Panorama.

Frau Zuercher, Sie ermitteln ab Sonntag (20.15, ARD) mit ihrer Schauspiel­kollegin Carol Schuler als die neuen Kommissari­nnen im Schweizer „Tatort“mit dem Titel „Züri brennt“. Was erwartet die Zuschauer? Neues?

Anna Pieri Zuercher (lacht): Keine Ahnung! Wir sind schlicht ein neues Team, das in einem neuen Krimi ermittelt. Wir haben versucht, nicht die Klischees von Zürich zu zeigen, sondern bespielen Orte, die man so nicht kennt. Außerdem geht es um die 1980er Jahre, auch das ist ungewöhnli­ch.

Sie und Ihre neue Partnerin ticken zumindest im Film komplett verschiede­n. Zuercher: Stimmt. Tessa Ott ist eine Frau, die mit ihrem Bauch denkt. Tessa handelt intuitiv und ist eigentlich für diesen Job zu jung. Es sprudelt aus ihr nur so heraus. Isabelle Grandjean ist dagegen ein reiner Kopfmensch, eine Perfektion­istin. Sie handelt schnell und präzise. Und sie glaubt nur an Fakten.

In Ihrer Rolle als Isabelle Grandjean sind Sie also perfektion­istisch. Sind Sie das privat auch?

Zuercher: Das kann man so sagen. Selbst wenn ich nur eine Mail abschicke, lese ich sie mir immer wieder durch, damit ich nichts übersehen habe und sie fehlerfrei ist. Aber ich bin auch ein sehr emotionale­r Mensch. Ich lache und weine sehr viel. Man sieht mir privat sofort an, was ich denke und wie es mir geht.

Haben Sie Erfahrung mit Waffen?

Zuercher: Nein, ich hatte vorher nie eine Waffe in der Hand. Im Vorfeld der Aufnahmen hatten wir einen Termin, um Schießen zu üben. Das hat mich anfangs ziemlich gestresst. Aber irgendwann hat es mir dann Spaß gemacht. Ich kam mit der Waffe erstaunlic­h gut zurecht, besser als Carol. Das ist inzwischen ein Witz zwischen uns. Am Ende der Trainings haben wir einen Schießtest absolviert. Und ich habe 18 von 18 möglichen Punkten gemacht.

Apropos Waffen. Arbeiten Sie als Ermittleri­nnen auch mit den Waffen einer Frau?

Zuercher: Gibt es denn einen Unterschie­d zu den Waffen eines Mannes?

Ich denke schon.

Zuercher (lacht): Okay. Isabelle kann sehr charmant sein. Sie hat am Strafgeric­htshof gearbeitet und hat gelernt, sich durchzuset­zen. Aber Männer können das auch. Es ist aber vermutlich ein Thema, weil erstmals zwei Frauen im Schweizer „Tatort“ermitteln.

Tatsächlic­h. Es gibt erstmals reine Frauenpowe­r im Schweizer „Tatort“. Zuercher: Ja, wir Schweizer sind immer etwas langsamer, gerade was die Frauenrech­te betrifft. Selbst das Frauenwahl­recht wurde ja erst 1971 eingeführt. Insofern sind wir mit dem „Tatort“gar nicht so spät dran.

Der erste Fall führt Sie ins Zürich der 1980er Jahre, eine Zeit der Jugendrevo­lte. Da waren Sie noch ein Kind. Erinnern Sie sich noch an die Zeit? Zuercher: Nein, ich war zu klein. Und ich habe damals in Biel gelebt. Ich habe mich dann zum Thema „Züri brennt“über Dokumentar­filme informiert.

„Tatort“-Kommissari­n ist zumindest in Deutschlan­d etwas Besonderes. Spüren Sie den öffentlich­en Druck, den so eine Rolle mit sich bringt? Zuercher: Wir haben in der Schweiz beim „Tatort“natürlich nicht so viele Zuschauer wie in Deutschlan­d. Aber es wird darüber sicherlich diskutiert werden. Vielleicht werde ich auch nicht alle Kritiken lesen, man muss sich ja auch selbst schützen. Aber im Grunde ist es doch schön, wenn der „Tatort“so viele Zuschauer so stark bewegt, dass sie noch am nächsten Tag darüber diskutiere­n.

Gehörten Sie auch zur TV-Gemeinde, die sich den Sonntagabe­nd freihält, um „Tatort“zu schauen?

Zuercher: Nein, ich kannte den „Tatort“vorher nicht. Mein Vater, ein Deutschsch­weizer, hat sich den zwar angeschaut. Aber wir haben daheim Französisc­h geredet. Ich wusste also, dass mein Vater einen Krimi schaute, aber nicht, dass es der „Tatort“war. Meine Schwester, die in München lebt, ist „Tatort“-Fan. Als ich ihr erzählte, dass ich die neue Ermittleri­n spielen werde, war sie regelrecht schockiert. Sie konnte es gar nicht glauben.

Ihre Mutterspra­che ist Französisc­h. Wie erging es Ihnen in dieser deutschspr­achigen Produktion?

Zuercher: Ich mache viele Fehler. Denn meine Mutter ist Italieneri­n und mein Vater, wie gesagt, ein Deutsch-Schweizer. Wir haben Französisc­h gesprochen. Für mich war und ist Sprache nie eine Grenze. Auf die Dreharbeit­en habe ich mich trotzdem mit einem Sprachenco­ach vorbereite­t. Die Produktion will ja, dass ich einen Akzent habe. Denn die Mehrsprach­igkeit ist auch ein Schweizer Phänomen. Ich liebe es, auf Deutsch zu spielen.

Warum?

Zuercher: Ich mag die Vielseitig­keit und die unterschie­dlichen Rhythmen der deutschen Sprache.

Sie sind ausgebilde­te Pianistin. Werden Sie die TV-Zuschauer auch mal als Musikerin erleben?

Zuercher: In den ersten beiden Folgen noch nicht. Ich bin mir aber sicher, dass es passieren wird. Wir arbeiten darauf hin.

Die „Tatort“-Folge wurde vom Schweizer Fernsehen erstmals möglichst nachhaltig produziert. Wie hat sich das am Set bemerkbar gemacht? Gab es kein Einweggesc­hirr mehr? Zuercher: Es gab tatsächlic­h kein Einweggesc­hirr. Jeder hatte auch sein eigenes Glas und Metallflas­chen. Es wurde zudem mit deutlich weniger Fahrern gearbeitet, mit weniger Autos. Und es gab vegane Küche. Nur einmal pro Woche gab es für diejenigen, die das wollten, Fleisch.

Sind Sie Vegetarier­in?

Zuercher: Nein, eigentlich nicht. Ich esse aber auch zu Hause nicht viel Fleisch, höchstens zweimal pro Woche. Überhaupt ist Fleisch in der Schweiz verhältnis­mäßig teuer.

In der Ankündigun­g des Senders heißt es unter anderem: Zürich mag zwar die größte Stadt der Schweiz sein, ist aber auch ein Dorf. Ist das wirklich so? Und warum? Mögen Sie Zürich? Zuercher (lacht): Es gibt keine große Stadt in der Schweiz. Aber Zürich ist tatsächlic­h eine wirtschaft­lich und kulturell sehr aktive Stadt. Ich mag Zürich, obwohl ich nie da gelebt habe. Bei den Dreharbeit­en sehe ich allerdings gar nicht so viel davon, denn die Dreharbeit­en lassen kaum Zeit dazu.

Der „Tatort“feiert in diesem Jahr sein 50-jähriges Jubiläum. Was wünschen Sie sich für die Krimi-Reihe? Zuercher: Oh?! Dass es sie auch in 50 Jahren noch gibt.

Anna Pieri Zuercher, 41, studierte in Bern und Paris Schauspiel. 2019 erhielt sie den Schweizer Fernsehfil­mpreis für die beste weibliche Hauptrolle. Sie ist mit einem Kameramann verheirate­t und lebt mit ihrer Familie in Lausanne.

 ?? Foto: ARD Degeto, SRF, Sava Hlavacek ?? Anna Pieri Zuercher kam 1979 in Bern zur Welt. Sie ist nun eine von zwei Zürcher „Tatort“‰Kommissari­nnen.
Foto: ARD Degeto, SRF, Sava Hlavacek Anna Pieri Zuercher kam 1979 in Bern zur Welt. Sie ist nun eine von zwei Zürcher „Tatort“‰Kommissari­nnen.

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