Afropäisch
Die Veränderungen von Sprache sind immer Abbild der Zeit, in der sie stattfinden. Das betrifft längst nicht nur den Einzug aus anderen Sprachen, der einst eine lateinische, eine französische und nun eine stark englische Wörter-Migration ins Deutsche brachte.
Zum Beispiel hat zudem eine umfassende Psychologisierung dazu geführt, dass neben das klassische „Verstehen“längst das intensivere „Nachvollziehen“getreten ist – und in welch dynamischer Zeit wir leben, versinnbildlicht die Karriere des eigentlich redundanten Doppels „pro-aktiv“. Grundsätzlich interessant, immer wieder albern, aber bisweilen auch brisant – das zeigen nicht zuletzt hitzige Debatten darüber, welche alten Wörter im Zug des Zeitgeistes zu einer diskriminierungsfreien Sprache prekär werden. Dabei wird oft das Kreative übersehen, das gleichzeitige Neuschöpfungen mit sich bringen.
Da gibt es etwa als verkürzte Zusammensetzung aus afrikanisch und europäisch: „afropäisch“. Wobei man nun fragen kann, ob es eher das Zusammengehen oder das Bestehenbleiben des Unterschiedlichen betont. Kommt jedenfalls mal wieder aus dem Englischen, heißt da „afropean“, wurde dereinst vom Frontmann der New Yorker Band Talking Heads, David Byrne, und der Frontfrau der belgisch-kongolesischen Band Zap Mama, Marie Daulne, geprägt – und bezeichnet ein preisgekröntes Online-Journal mit Reportagen über „Abenteuer im Schwarzen Europa“. Wer einen Blick in die eindrücklichen Texte wirft, die der Brite Johnny Pitts nun auch in einem Buch unter dem Titel „Afropäisch“veröffentlicht hat (Suhrkamp, 461 S., 26 Euro), wird mit noch mehr kreativen Schöpfungen beschenkt, etwa: „Germaika“, bei dem Germany mit Jamaika fusioniert. Das führt im Buch nach Berlin, wo ja ohnehin, ganz globales Dorf des 21. Jahrhunderts, mitunter eher Englisch gesprochen wird. Bloß ernüchternd bleibt bei aller Sprachvermengung dann, dass in der einen Reportage von dort die schwarze Party- und Musikszene eher unter sich bleibt und in der anderen zur Antirassismusdemo fast bloß Weiße kommen.
Die kompilierte Sprache ist oftmals eben eher kreativer Ausdruck eines Ideals der Zeit als Abbild ihrer Wirklichkeit. Die tatsächliche Entwicklung der Wörter wird zeigen, was daraus wird, was bleibt.