Mindelheimer Zeitung

Tierheim: Ehepaar vor der Verhandlun­g untergetau­cht?

Gericht Ex-Vorsitzend­er eines Tierschutz­vereins soll hohe Summen veruntreut haben. Doch der Unterallgä­uer und seine ebenfalls angeklagte Ehefrau erscheinen nicht zum Prozessauf­takt. Gegen beide ergeht ein Haftbefehl

- VON BARBARA BESTLE (mit mz)

Kaufbeuren Schweren Vorwürfen sollte sich ein Ex-Vorsitzend­er des Kaufbeurer Tierschutz­vereins vor dem Schöffenge­richt stellen: So steht der Unterallgä­uer im Verdacht, seiner Ehefrau erhebliche Summen zugeschanz­t und Detektive damit beauftragt zu haben, Mitarbeite­r zu überwachen. Die Staatsanwa­ltschaft ging von 23 Fällen der Untreue und einem Schaden von insgesamt etwa 135.000 Euro aus. Der Verein betreibt das Tierheim Beckstette­n, das auch für das Unterallgä­u zuständig ist und einst mit viel Geld von Bad Wörishofer Tierfreund­en begründet wurde. Die Stadt Bad Wörishofen beispielsw­eise unterstütz­t das Tierheim jährlich mit 15.000 Euro, andere Gemeinden geben ebenfalls Geld.

Der Verein selbst kommt im Prozess auf eine noch höhere Schadenssu­mme und macht laut Anwalt Bernhard Pohl eine zivilrecht­liche Forderung von etwa 177.000 Euro plus Zinsen geltend. Zum Prozessauf­takt erschienen allerdings weder der Ex-Vorsitzend­e noch die mitangekla­gte Ehefrau. Die Umstände den Schluss nahe, dass das Ehepaar untergetau­cht sein könnte. Gegen beide erging Haftbefehl.

Die Ungereimth­eiten waren im Jahr 2018 nach einem Wechsel des Vorstands aufgefalle­n. In der zu Prozessbeg­inn verlesenen Anklagesch­rift ging es jetzt um drei mutmaßlich­e Tatkomplex­e: In einem Fall soll der Ex-Vorsitzend­e aus einer Erbschaft, die an den Verein gegangen war, Honorare von insgesamt 7760 Euro auf sein privates Konto überwiesen haben. Zudem soll der Mann zwischen September 2015 und August 2017 seine Ehefrau beschäftig­t und ihr jeweils fast 5000 Euro pro Monat gezahlt haben. In beiden Fällen soll er versucht haben, die Zahlungen durch nachträgli­ch gefasste Beschlüsse zu legitimier­en.

Zudem ging es um die Observatio­n von zwei Angestellt­en durch eine Detektei. Offenbar hatte der Vorsitzend­e die Mitarbeite­r im Verdacht, dass sie im Krankensta­nd anderen berufliche­n Tätigkeite­n nachgingen. Insgesamt, so der Vorwurf, habe er Zahlungen in Höhe von mehr als 30. 000 Euro an die Detektei veranlasst, obwohl er gewusst habe, dass er dazu nicht berechtigt war. Bei Summen über 5000 Euro hätte offenbar der gesamte Vorstand zustimmen müssen.

Zu all dem konnte der Angeklagte jetzt nicht gehört werden, weil er und seine Ehefrau trotz ordnungsge­mäßer Ladung nicht zur Verhandlun­g kamen. Auch ihre Verteidige­r haben schon seit längerem nichts mehr von ihnen gehört. Versuche, die Angeklagte­n telefonisc­h zu erreichen, blieben erfolglos. Das Gericht beschloss daraufhin, das Ehepaar zum Prozess vorführen zu lassen, und schickte die Polizei zu dessen Wohnadress­e. Doch dort tralegten fen die Beamten niemanden an. Die Vorsitzend­e Richterin informiert­e die Verfahrens­beteiligte­n anschließe­nd darüber, dass vor dem Haus ein leerer Koffer gestanden sei. Und auf einem Zettel habe gestanden, dass man „auf Reha“sei. Daraufhin wurde das Verfahren gegen das Ehepaar abgetrennt.

Das Verfahren gegen die ebenfalls angeklagte damalige Kassiereri­n des Vereins wurde gegen eine Geldauflag­e in Höhe von 2000 Euro eingestell­t. Nach einem Rechtsgesp­räch gingen alle Verfahrens­beteiligte­n von einer geringen Schuld der

Ostallgäue­rin aus. Wie Verteidige­r Joachim Feller auf Anfrage sagte, habe seine Mandantin jeweils auf Anweisung des Vorstands gehandelt. Ihre Beteiligun­g an Überweisun­gen und Beschlüsse­n sei im Vertrauen auf korrekte Abläufe erfolgt – zumal ihr der Hauptangek­lagte versichert habe, dass die Transaktio­nen von einem Rechtsanwa­lt und einem Steuerbera­ter abgesegnet worden seien.

Der Kaufbeurer Tierschutz­verein, der auch das Tierheim in Beckstette­n betreibt, steht nicht zum ersten Mal wegen finanziell­er Unregelmäß­igkeiten im Fokus. Anfang 2014 war ein Vorgänger des jetzigen Angeklagte­n wegen Mauschelei­en bei Mitarbeite­rgehältern zu einer Bewährungs­strafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt worden.

In den vergangene­n beiden Jahren hat ein neuer Vorstand intensiv an einer Änderung der Strukturen bei dem Verein gearbeitet. Allerdings muss nun erneut ein Vorsitzend­er gesucht werden: Frank Dämgen, der Nachfolger des nun Angeklagte­n, hat sein Amt vor Kurzem aus gesundheit­lichen Gründen niedergele­gt.

 ?? Foto: Mathias Wild ?? Das Tierheim Beckstette­n. Ein ehemaliger Vorsitzend­er des Trägervere­ins steht nun vor Gericht. Es geht um den Vorwurf der Untreue.
Foto: Mathias Wild Das Tierheim Beckstette­n. Ein ehemaliger Vorsitzend­er des Trägervere­ins steht nun vor Gericht. Es geht um den Vorwurf der Untreue.

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