Murmeltiertage auf dem Fußballplatz
Legendäre Spiele Gleicher Tag, gleiches Ergebnis: In zwei darauffolgenden Jahren stehen sich der TSV Zaisertshofen und der FSV Dirlewang in Entscheidungsspielen gegenüber
Zaisertshofen „Und täglich grüßt das Murmeltier“– der HollywoodKlassiker kam 1993 in die Kinos. Ob sich kaum drei Jahre später die Fußballer des TSV Zaisertshofen und des FSV Dirlewang in den TV-Wetteransager Phil Connors (Bill Murray) hineinversetzen konnten? Der steckte im Film nämlich in einer Zeitschleife fest – und erlebte den ein und denselben Tag immer wieder neu.
Zumindest ähnlich gefühlt haben dürften sich die Kicker der beiden Vereine, als sie sich am 14. Juni 1996 in Pfaffenhausen zu einem Entscheidungsspiel gegenüberstanden. Wieder einmal. Denn auf den Tag genau ein Jahr zuvor gab es diese Paarung in einem Entscheidungsspiel schon einmal.
In der Saison 1994/95 spielten beide Mannschaften in der damaligen B-Klasse Mindelheim. Und Dirlewanger wie Zaisertshofer spielten eine starke Saison. So stark, dass beide Mannschaften am Ende als Aufsteiger feststanden. Punktgleich lagen sie am Ende an der Tabellenspitze. Weil damals weder das Torverhältnis noch der direkte Vergleich ausschlaggebend waren, sollte ein Entscheidungsspiel über die Meisterschaft in dieser Saison entscheiden. Am 14. Juni 1995 fand eben dieses Spiel in Rammingen statt. Rund 400 Zuschauer waren gekommen, um die Entscheidung um den Titel zu sehen. „Wir haben ja schon nach dem letzten Saisonspiel gegen Markt Wald gefeiert, als ob wir Meister geworden sind“, erinnert sich Erwin Schilling. Schließlich sei der Aufstieg da bereits klar gewesen. Und das, wo man doch im Vorjahr „hummelnix“war, wie Jürgen Schäffler anmerkt. Doch dann kam mit Spielertrainer Leonhard Reichhart ein flinker Stürmer, der für gehörig Wirbel sorgte. Und prompt spielte der TSV Zaisertshofen also im Entscheidungsspiel in Rammingen um den Titel.
Spielerisch war der FSV Dirlewang einen Tick besser, doch letztlich entscheiden die Tore. Und hier zeigte sich der TSV Zaisertshofen kaltschnäuziger. Das 1:0 erzielte Jürgen Schäffler in der 19. Minute. Der langjährige Fußballabteilungsleiter des TSV profitierte dabei von einer glänzenden Vorlage von Erwin Schilling. „Angetäuscht, Schuss, Tor“, beschreibt Schäffler die Situation heute. Schilling, mit über 900 Partien Rekordspieler und mittlerweile Ehrenvorsitzender des TSV Zaisertshofen, war über Jahre hinweg Dreh- und Angelpunkt des Zaisertshofener Spiels. Zwar kam der FSV Dirlewang mit dem Halbzeitpfiff dank eines verwandelten Foulelfmeters von Manfred Klaus zum Ausgleich.
Doch der TSV Zaisertshofen sollte an diesem Tag das glücklichere Ende für sich haben: Spielertrainer Leonhard Reichhart erzielte in der 68. Minute den 2:1-Siegtreffer und sicherte sich damit die Meisterschaft – übrigens genau 15 Jahre nach dem einzigen Titelgewinn des Dorfvereins anno 1980.
Dirlewangs Trainer Ernst Gori, dessen zweijähriges Engagement als Trainer des FSV Dirlewang mit diesem Spiel endete, nahm die Niederlage gelassen: „Diese Niederlage ist kein Beinbruch, da wir als Vizemeister zusammen mit Zaisertshofen und dem drittplatzierten SV Auerbach in die B-Klasse aufsteigen“, wird er damals in der Mindelheimer Zeitung zitiert. In der Tat hielt sich die Enttäuschung auf Dirlewanger Seite damals in Grenzen. Schließlich hatte man das Ziel, den Aufstieg in die B-Klasse Südschwaben, schon vorher erreicht.
Ein Jahr später sollte es um deutlich mehr gehen. Beide Aufsteiger kämpften um den Klassenerhalt, und das, obwohl Zaisertshofen vier Spieltage vor Schluss noch auf Rang sieben stand. Am Ende war er punktgleich mit dem FSV Dirlewang – und es musste ein erneutes Entscheidungsspiel her, um diesmal den zweiten Absteiger neben dem
SV Auerbach zu ermitteln. Austragungsort war – auf den Tag genau – der Sportplatz in Pfaffenhausen. Diesmal waren 500 Zuschauer gekommen. Die Stimmung war angespannter, als ein Jahr zuvor. „Die Stimmung war angespannter“, erinnert sich Erwin Schilling.
Auf dem Feld, so steht es im Spielbericht der Mindelheimer Zeitung, dominierten lange Zeit die Abwehrreihen, Torchancen gab es kaum. Weil sich aber die Dirlewanger Hintermannschaft den einen oder anderen Fehler erlaubte, hatte Zaisertshofen die besseren Möglichkeiten. Die erste Großchance vergab Robert Rogg aus fünf Metern, nachdem ihm Dirlewangs Torhüter Bader den Ball vor die Füße gefaustet hatte. Kurz darauf zielte Roggs Bruder Manfred aus zwölf Metern besser und brachte Zaisertshofen in Führung.
Diese wackelte in der zweiten Halbzeit, als Dirlewang auf den Ausgleich drängte und nach 68 Minuten belohnt wurde: Der eingebislang wechselte Frank Schart zog aus spitzem Winkel ab und erzielte das 1:1. Bis in die Schlussminuten änderte sich daran nichts mehr, Spieler und Zuschauer richteten sich schon auf die Verlängerung ein. Doch dann lief der mutmaßlich letzte Angriff des Spiels – und dann das: Ein Dirlewanger Abwehrbein war in Tornähe gegen Zaisertshofens Spielertrainer Leonhard Reichhart zu hoch. Der Schiedsrichter pfiff – und es gab im Strafraum der Dirlewanger einen indirekten Freistoß.
„Ich war mir sicher“, erzählt Schilling, der sich den Ball schnappte und auflegen ließ. Er traf den kurz angetippten Ball perfekt und hämmerte den Ball in der Nachspielzeit unhaltbar zum 2:1 unter die Latte. „Woanders hätte ich gar nicht hinschießen können, weil alle elf Mann auf der Linie standen“, lacht er. Kurz darauf war Feierabend. Der TSV Zaisertshofen hatte das Murmeltierspiel gewonnen und die Klasse gehalten, Dirlewang musste absteigen.