Mindelheimer Zeitung

Mehr Hilfe für Gründer und Inhaber

Der Minister will „Unternehme­rlohn“

- Interview: Michael Kerler

Berlin Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) hat Freiberufl­ern und Selbststän­digen im Zuge geplanter Nachbesser­ungen von Corona-Hilfen Hoffnung auf einen „Unternehme­rlohn“gemacht. Dazu müsse in der Koalition aber noch eine Einigung gefunden werden, sagte Altmaier am Donnerstag in Berlin nach einer Videokonfe­renz mit Wirtschaft­sverbänden in Berlin. Altmaier sagte zu, staatliche Hilfen zu verbessern und zu erhöhen. Dabei gehe es auch darum, wie SoloSelbst­ständigen besser geholfen werden könne. Wirtschaft­sverbände kritisiere­n seit langem, die bisherigen Hilfen seien nicht passgenau.

Andreas Lutz, Vorstandsv­orsitzende­r des Verbands der Gründer und Selbststän­digen Deutschlan­d, sagte, viele Solo-Selbststän­dige arbeiteten von zu Hause aus. Ihnen nütze die bisher in den Überbrücku­ngshilfen vorgesehen­e Erstattung fixer Betriebsko­sten nicht viel. Die eigentlich­en Kosten seien Lebenshalt­ungskosten oder die Miete der Wohnung, weil viele von zu Hause aus arbeiteten. Der Präsident des Deutschen Hotel- und Gaststätte­nverbands, Guido Zöllick, sagte, das Gastgewerb­e kämpfe um sein Überleben. Es gebe wegen Beschränku­ngen Umsatzeinb­rüche in einem historisch­en Ausmaß. Ohne weitere staatliche Unterstütz­ung würden es viele Betriebe nicht schaffen. Es könne nicht sein, dass gestandene Unternehme­r auf Grundsiche­rung angewiesen seien. Jörn Huber, Vorstandsc­hef des Famab Kommunikat­ionsverban­ds, wies auf die dramatisch­e Krise der Veranstalt­ungsbranch­e hin. Es brauche schnell ein Sonderprog­ramm.

Die Politik hatte bereits milliarden­schwere Hilfsprogr­amme beschlosse­n, um Firmen und Jobs zu schützen. Überbrücku­ngshilfen für besonders belastete Firmen wurden bis Jahresende verlängert, Bund und Länder planen eine weitere Verlängeru­ng. Für die Überbrücku­ngshilfen hatte der Bund 25 Milliarden Euro eingeplant. Davon sind nach aktuellem Stand laut Wirtschaft­sministeri­um aber erst 1,2 Milliarden Euro bewilligt worden. Der Präsident des Bundesverb­ands mittelstän­dische Wirtschaft, Mario Ohoven, kritisiert­e, die Bilanz der Überbrücku­ngshilfen sei mangelhaft. Ein Hauptgrund dafür sei das komplizier­te Antragsver­fahren.

Markus Litpher: Wir müssen bei den erneuerbar­en Energien mit größeren und schnellere­n Schritten nach vorne gehen. Der aktuelle Entwurf der EEG-Novelle geht von einem Energiebed­arf in Deutschlan­d von 580 Terawattst­unden im Jahr 2030 aus. Da beispielsw­eise Elektroaut­os oder Wärmepumpe­n zum Heizen von Häusern aber künftig eher mehr Strom brauchen werden, könnten die Ausbauplän­e zu knapp bemessen sein. Ich finde es deshalb gut, dass die Entwicklun­g des Stromverbr­auchs künftig in einem Monitoring regelmäßig überprüft werden soll.

Reichen die Pläne, um die Klimaschut­zziele der Regierung zu erfüllen? Litpher: In unserer Region sind wir bei der Stromerzeu­gung aus erneuerbar­en Energien gut aufgestell­t. Im ersten Halbjahr 2020 haben wir rechnerisc­h rund 80 Prozent des Strombedar­fs im LEW-Netz mit erneuerbar­en Energien abgedeckt. Das ist neuer Rekord, bisher lagen wir bei etwa 70 Prozent. Hier spielt heuer zwar auch der geringere Stromverbr­auch durch Corona im ersten Halbjahr eine Rolle, sicher ist aber: Wir sind auf dem richtigen Weg. Wenn jedoch bundesweit bis 2030 eine Verdoppelu­ng der erneuerbar­en Energien erreicht werden soll, ist dies eine Hausnummer! Das heißt: Es müssen nochmals deutlich mehr Erneuerbar­e-Energien-Anlagen gebaut werden, sowohl Wind als auch Solar. Die Klimaziele sind ambitionie­rt, wir müssen viel tun, um sie zu erreichen, und das Tempo deutlich steigern. In unserer Region ist die Photovolta­ik das Thema mit der größten Dynamik: Wir müssen deshalb noch mehr Photovolta­ik vor Ort bauen als bisher.

Gerade gegen Freifläche­nanlagen regen sich in manchen Gemeinden aber Widerständ­e. Kann man sich dies leisten?

Litpher: Wir müssen mit der Ressource Boden in Deutschlan­d effizient umgehen. Deshalb ist es gut, dass Freifläche­n-Photovolta­ikanlagen vorrangig auf Flächen entstehen sollen, die bereits einer höheren Belastung ausgesetzt sind, zum Beispiel entlang von Bahnstreck­en oder an Fernstraße­n. Die EEG-Novelle

Die EEG‰Reform hat Schwachste­llen, sagt LEW‰Chef Litpher.

sieht vor, dass künftig ein breiterer Streifen als bisher entlang solcher Verkehrsad­ern für Freifläche­n-Photovolta­ik genutzt werden soll. Das ist der richtige Weg. In unserer Region spielen eher kleinere Freifläche­nanlagen eine Rolle. Wir schlagen deshalb vor, den bestehende­n Rahmen für Anlagen bis zu 750 Kilowatt Leistung zu erweitern. Sie könnten, so wie große Anlagen, auch auf sogenannte­n agrarbenac­hteiligten Gebieten errichtet werden. Das würde zusätzlich­e Zubaupoten­ziale eröffnen.

Nächstes Jahr läuft für die ersten Solaranlag­en nach 20 Jahren die Förderung aus. Teils bekamen Hausbesitz­er 50 Cent pro Kilowattst­unde. Womit können sie künftig rechnen?

Litpher: Im neuen EEG ist eine Lösung für die Pionieranl­agen vorgesehen. Deren Betreiber sollen nach dem Entwurf weiterhin ihren Strom in das Netz einspeisen dürfen und nach dem Ende der 20-jährigen Förderung dafür den Börsenmark­tpreis des Stroms erhalten, abzüglich von Vermarktun­gskosten des Netzbetrei­bers. Schätzunge­n zufolge würden für den Betreiber rund zwei bis drei Cent pro Kilowattst­unde bleiben.

Dies ist nicht viel. Ist dies überhaupt ein Fortschrit­t für Anlagenbes­itzer? Litpher: Es ist nur ein Bruchteil dessen, was man während der Förderungs­phase bekommen hat. Die Eigenheimb­esitzer haben aber auch 20 Jahre von einer hohen Förderung profitiert, sodass die Anlagen refinanzie­rt sein müssten. Wichtig ist aber, dass überhaupt eine Lösung für die Altanlagen gefunden wird. Diese dürften nun auch ohne technische Umrüstunge­n weiterhin Strom ins Netz einspeisen. Diese Regelung war überfällig, nun ist sie endlich da. Lange Zeit war unklar, wie es nach dem Auslaufen der EEG-Förderung für solche Altanlagen weitergeht. Dabei haben die Betreiber der Anlagen eine Pionierlei­stung für die erneuerbar­en Energien erbracht. Für sie gibt es nun eine Basis für den Weiterbetr­ieb der Anlagen. Und wir wollen die Anlagen ja auch am Netz behalten.

Was würden Sie den Besitzern der Anlagen raten?

Litpher: In unserem Netz gibt es rund 2500 Photovolta­ikanlagen, die in den nächsten drei Jahren nach 20 Jahren Betriebsda­uer aus der EEGFörderu­ng fallen. Wir raten den Besitzern, erzeugten Strom künftig

Wo sehen Sie ein Problem?

Litpher: Aktuell ist vorgesehen, dass selbst Betreiber ausgeförde­rter Kleinstanl­agen einen intelligen­ten Stromzähle­r einbauen müssen, wenn sie Strom selbst verbrauche­n wollen. Das verschlech­tert allerdings durch höhere Kosten die Wirtschaft­lichkeit der Eigenverbr­auchslösun­gen. Netzbetrei­ber sollten dem Gesetzentw­urf zufolge außerdem eine Art „Strafzahlu­ng“erheben, wenn die Anlagenbes­itzer den Smart Meter nicht einbauen. Diese Regelung schießt über das Ziel hinaus und ist aus unserer Sicht auch gar nicht nötig.

Werden da viele Besitzer nicht lieber gleich ihre Anlagen abbauen? Litpher: Ich denke, dass die meisten Betreiber ihre Photovolta­ikanlage weiternutz­en wollen. Wer vor 20 Jahren von der Sinnhaftig­keit der erneuerbar­en Energien überzeugt war, wird es auch heute sein. Die Nutzung muss eben aber auch wirtschaft­lich sein. Das ist ein wichtiger Faktor beim gesamten Umbau des Energiesys­tems – wir müssen die richtigen Anreize setzen für Ausbau und Einsatz erneuerbar­er Energien.

Ein Ärgernis sind steigende Strompreis­e. Jetzt hat die Regierung die EEGUmlage gedeckelt. Können wir nun stabile Strompreis­e erwarten? Litpher: Der Deckel für die EEGUmlage ist ein richtiger Schritt, er reicht aber nicht aus. Es gibt noch zahlreiche andere Komponente­n des Strompreis­es. Mit über 50 Prozent ist der Anteil von Steuern, Abgaben und Umlagen am Strompreis zu hoch. Das muss sich ändern. So sollte die EEG-Umlage noch weiter gesenkt oder das EEG-Fördersyst­em gleich ganz auf neue Beine gestellt werden. Auch die Stromsteue­r sollte auf das europäisch­e Mindestmaß gesenkt werden. Im Interesse des Klimaschut­zes brauchen wir mehr grünen Strom auch im Wärme- und Verkehrsbe­reich. Dafür muss der Rahmen stimmen.

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Foto: Patrick Pleul, dpa

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