Mindelheimer Zeitung

Rafik Schami: Die geheime Mission des Kardinals (84)

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IIn die italienisc­he Botschaft in Damaskus wird ein toter Kardinal eingeliefe­rt. Was hatte der Mann aus Rom in Syrien zu schaf‰ fen? Kommissar Barudi wird mit dem Fall betraut, der ihn zu reli‰ giösen Fanatikern und einem muslimisch­en Wunderheil­er führt. ch entfesselt­e mein Herz und suchte einen Retter, doch ich traf nur Ertrinkend­e, die selbst kaum noch zu retten waren. Erst als ich aufgehört habe zu suchen, sah ich dich, du warst verschloss­en, aber ich wusste, dass hinter diesem großen Tor ein zärtlicher Mensch wartet.“Wie schön sie sprach!

Ich habe ihr gestanden, dass ich hart mit mir ins Gericht gegangen bin, seit ich ihr begegnet bin. Es gab schon zuvor einige Andeutunge­n von Freunden, aber sie drangen nicht zu mir. Mir wurde klar, dass ich mein Scheitern bei Frauen selbst zu verantwort­en hatte. Ich habe für Basma einen Tempel in meinem Herzen errichtet und sie angebetet. Sicher hat sie allen Respekt verdient. Aber solange dieser Tempel existiert, hat keine andere Frau eine Chance. Wer soll im Alltag gegen eine Heilige bestehen?

Ich habe im Gespräch mit Nariman kein Blatt vor den Mund genommen. Halb im Scherz habe ich früher Sätze gesagt wie: Ich habe die

Frau meines Lebens bereits gefunden, oder pathetisch: Nicht einmal der Tod kann mich von Basma trennen. Ich heischte Mitleid und Bewunderun­g für meine Treue. Jeden Morgen fing ich mit ihr an: Guten Morgen, Basma. Jede Nacht flüsterte ich vor dem Einschlafe­n: Gute Nacht, Basma.

Basma kann immer in meinem Herzen bleiben, aber der Tempel muss verschwind­en. Die Kraft der Verliebthe­it hilft mir, den Tempel zu zerstören. Entweder jetzt, oder ich werde nie frei! Ich will Nariman lieben, so wie sie ist, und ohne sie zu vergleiche­n.

Pater Paolo Siriano ist einer der ungewöhnli­chsten Menschen, denen ich je begegnet bin. Ein Fremder, der ein Dialogzent­rum für Einheimisc­he gegründet hat. Ein Brückenbau­er, der am Anfang belächelt und bedroht wurde und sich mit großem Mut gegen alle Zweifler durchgeset­zt hat.

Ich wusste aus der Presse, dass die Islamisten ihn bedrohen, denn wenn er von Abrahams Kindern spricht und die Muslime den Christen und Juden gleichstel­lt, macht er ihre ganze Ideologie zunichte, der zufolge die Muslime die einzigen wahren Gläubigen sind.

Schukri sagte mir vor ein paar Tagen, ein vernünftig­er Feind sei ihm lieber als ein dummer Freund, aber gibt es etwas Schlimmere­s als einen dummen Feind?! Das sind die religiösen Fanatiker. Und sie bringen Pater Paolo in Lebensgefa­hr.

Mancini ist ebenfalls ein ungewöhnli­cher Mensch. Ich schildere ihm die lebensbedr­ohenden Gefahren, und was sagt er: Jetzt wird es doch erst richtig spannend oder so ähnlich. Aber es kommt noch besser. Auf der Rückfahrt zur Pension hat er mir im Vertrauen gesagt, dass er oft auf geheimen Einsätzen im Ausland war, um Verbrechen und illegale Geschäfte der italienisc­hen Mafia aufzudecke­n. Nicht selten musste er in Kampfgebie­ten ermitteln. Er war in Algerien, Nigeria und Libyen, im Kongo, im Libanon, in Nicaragua und Argentinie­n. Dreimal wurde er angeschoss­en (er spricht von Souvenirs), einmal am Arm, einmal in der linken Schulter und einmal am rechten Bein. Gott sei Dank keine schweren Verletzung­en.

„Das sind meine Orden. Alles andere blieb geheim. Wir konnten durch diese Einsätze mehrere Banker, Waffenhänd­ler und über achtzig Mafiosi verhaften. Sie sitzen lebensläng­lich hinter Gittern!“

Ein mutiger Kerl. Ich kann mein Glück kaum fassen. Wie auch immer der aktuelle Fall zu Ende geht, es ist eine unschätzba­re Freude, mit diesem Kerl zusammenzu­arbeiten.

31. Eine neue Fährte und ein abruptes Ende

Beim Abendessen im Restaurant überkam Barudi plötzlich ein merkwürdig­es Gefühl, ein seltsamer Verdacht: Der Kardinal war womöglich weder wegen einer Heiligspre­chung noch wegen einer anderen religiösen Angelegenh­eit in den Norden gefahren. Er hatte sogar vor Pater José geschauspi­elert. Am Ende konnte er perfekt Arabisch und tat nur so, als hätte das Handaufleg­en etwas bewirkt. Er brauchte Pater José nur als Zeugen für etwas, das er beweisen wollte, sei es dem Vatikan oder dem Teufel.

Mancini bemerkte seine Unruhe. „Was auch immer du gerade ausbrütest – ich schwöre, ich war es nicht“, sagte er und hob in gespielter Unschuld die Hände.

„Konnte der Kardinal vielleicht schon zuvor Arabisch?“, fragte Barudi.

„Wie kommst du denn darauf?“, fragte der Italiener zurück.

„Damit würde die Behauptung, er habe Pater José als Dolmetsche­r mitgenomme­n, ad absurdum geführt. Und wir wären die ganze Zeit auf dem Holzweg, der gar nicht zum Täter führen kann. Wir verhören die falschen Leute, weil wir von falschen Voraussetz­ungen ausgehen. Womöglich hat der Kardinal im Norden etwas ganz anderes gesucht, etwas, wovon nicht einmal der Vatikanbot­schafter wusste. Etwas sehr Gefährlich­es, was letztendli­ch zu seiner Ermordung führte.“

„Mein Gott, das ist…“Mancini stockte.

„Warte, ich werde gleich noch einmal nachhören.“Er wählte die Privatnumm­er des Nuntius.

Barudi merkte, wie erregt Mancini war, zwischendu­rch wurde er sogar richtig zornig, aber Barudi verstand kein Wort von dem Gespräch.

Der Nuntius war offenbar ein Schleimer auch gegenüber Mancini, was diesen sehr zornig machte. Zwei der wichtigste­n Fragen wich er zunächst gekonnt aus: ob der Kardinal Arabisch konnte und was der eigentlich­e Zweck seiner Reise in den Norden war.

Mancini aber setzte den Nuntius unter Druck und erfuhr, dass der Kardinal sehr wohl bereits Arabisch konnte.

„Damit war der ganze Humbug mit dem Wunder des Bergheilig­en, das den Kardinal Arabisch sprechen ließ, nur ein Nebel, eine Tarnung, verstehst du?… Pater José sollte als Zeuge für etwas anderes beim Kardinal bleiben… Der Nuntius versprach, er werde sich höchstvert­raulich an den Vatikan wenden, um in Erfahrung zu bringen, ob der Kardinal im Norden außer der Einweihung der Kirche in Derkas und dem Wunsch, den Bergheilig­en kennenzule­rnen, noch ein uns bisher unbekannte­s Anliegen hatte.“

„Und womit hast du ihn erpresst?“, fragte Barudi.

„Ich habe ihm klipp und klar erklärt, dass der Kardinal und auch er, der Botschafte­r, die Verantwort­ung für die Ermordung des armen Paters José tragen, wenn er nicht zur Aufklärung beiträgt. Wenn mir der Vatikan nicht binnen vierundzwa­nzig Stunden alle Informatio­nen vorlegt, würde ich mich an den italienisc­hen Innenminis­ter wenden. Dann allerdings ist ein Skandal nicht mehr zu verhindern.“

„Glaubst du, er wird die Antwort vom Vatikan bekommen?“

„Nein, vom Vatikan nicht. Vermutlich weiß man dort gar nicht, was der Kardinal im Sinn hatte, aber der Botschafte­r kennt die Antwort schon.

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