Die Absage des CDU-Parteitags nützt vor allem Markus Söder
Dass die Partei einen neuen Termin sucht, ist vernünftig – und Friedrich Merz hat für beleidigte Reaktionen nicht wirklich einen Grund
Nachdem sie sich als Parteivorsitzende zuletzt eher weniger zu Wort gemeldet hatte, tat sie es am Montag mit Nachdruck und zur richtigen Zeit. Auf Vorschlag von Annegret Kramp-Karrenbauer wird der CDU-Parteitag nicht wie geplant am 4. Dezember in Stuttgart stattfinden. Präsidium und Bundesvorstand der Christdemokraten folgten Kramp-Karrenbauers Vorschlag, die Versammlung ins nächste Jahr zu verschieben. Eine Entscheidung mit Sinn und Verstand: Es wäre angesichts des steil ansteigenden Infektionsgeschehens unverantwortlicher Unsinn gewesen, 1001 Delegierte und mindestens noch einmal so viele Journalisten an einen Ort zu holen, um einen Parteitag abzuhalten.
Friedrich Merz, neben Armin Laschet und Norbert Röttgen einer der Bewerber um die Nachfolge von Annegret Kramp-Karrenbauer, zeigte sich angesichts der Verschiebung mächtig genervt. Er hatte bereits am Sonntag eine Verständigung mit Röttgen und Laschet gesucht, fand aber keine Mehrheit für seinen Vorschlag, einen Präsenz-Parteitag abzuhalten. Seine Laune wurde nach den Beratungen der Parteispitze, bei denen er nicht dabei sein durfte, offenbar noch mal deutlich schlechter. Ziemlich unbeherrscht witterte er eine Kampagne des „Partei-Establishments“gegen sich und mutmaßte, es herrsche unter vielen Mitgliedern der CDU „blankes Entsetzen“. Eine sehr kühne Behauptung angesichts von mehr als 400000 Menschen mit einem CDUParteibuch.
Laschet könnte in den nächsten Wochen von der Verschiebung des Parteitags profitieren. Nach einer aktuellen Forsa-Umfrage würden sich nur 24 Prozent der CDU-Mitglieder für ihn, aber 45 Prozent für Merz entscheiden (Röttgen bekäme lediglich 13 Prozent). Als nordrhein-westfälischer Ministerpräsident hat Laschet aber alle Gestaltungsmöglichkeiten
im Kampf gegen die Corona-Pandemie und die Chance, damit noch Pluspunkte zu sammeln. Merz hingegen darf nur von der Seitenlinie aus zugucken.
Es kann aber bei Laschet auch genau das Gegenteil eintreten: Er macht Fehler und rutscht weiter ab. Merz hat also nicht wirklich Grund, sich zu beklagen. Es gibt zudem noch zahlreiche CDU-Veranstaltungen,
bei denen er sich als Kandidat beweisen kann.
Eigentlicher Verlierer der Verschiebung ist die Partei. Seitdem Kramp-Karrenbauer ihren frühzeitigen Rückzug als Vorsitzende verkündet hat, wirkt die CDU zunehmend führungslos. Die Debatte über die Nachfolge und natürlich auch die über die damit in Zusammenhang stehende Kanzlerkandidatur zerrt an den Nerven der Mitglieder. Drittens steht ein Superwahljahr
an – und vor allem für die Vorbereitung des Bundestagswahlkampfes bräuchte die CDU dringend einen aktiven Vorsitzenden und in absehbarer Zeit einen Spitzenkandidaten. An dieser Stelle kommt dann der Gewinner der Parteitagsverschiebung ins Spiel.
In Bayern rieb sich CSU-Chef Markus Söder angesichts der Entwicklung in Berlin erfreut die Hände. Er hatte der großen Schwester ohnehin geraten, den Parteitag zu verschieben, und war dafür von der CDU heftig kritisiert worden. Jetzt kann sich der bayerische Ministerpräsident mit seinem „Ich hab’s euch doch gesagt“-Blick im Chefsessel zurücklehnen und die Entwicklung bei der Schwesterpartei in Ruhe beobachten.
Schon jetzt sagen 53 Prozent der CDU-Mitglieder, die Union hätte bei der Bundestagswahl im September 2021 mit einem Kanzlerkandidaten Söder die besten Chancen. Laschet und Merz kommen jeweils nur auf ein Fünftel Zustimmung. Je länger die Unruhe bei den Christdemokraten anhält, desto höher steigt Söders Stern.
Laschet gewinnt Zeit