Mindelheimer Zeitung

Wie „Klaro“zu einer Marke wurde

Porträt Roman Klarmann bekam 1940 sein erstes Akkordeon. Wie ihn dieses Instrument durch sein nicht immer einfaches Leben begleitet hat und wie er noch heute, mit „88 plus“den Menschen Freude bereitet

- VON MANUELA RAPP

Könghausen Alle Tage wieder – und das seit März – schafft sich Roman Klarmann seine eigene Bühne: Auf seiner Terrasse gibt er ab 17.15 Uhr ein etwa 45-minütiges Konzert. Mit seinem Akkordeon natürlich. So kennt man ihn in Krumbach und in der Gemeinde Eppishause­n, wo er bis vor ein paar Jahren noch gelebt hat. „Ich habe ein paar treue Fans“, schmunzelt er. „Es scheint ihnen zu gefallen. Sie kommen öfters.“Dass er dabei den Geschmack seines Publikums trifft, das spürt er. Warum würde er wohl sonst immer mal wieder kleine Gaben und Geschenke erhalten? Ganz abgesehen vom Applaus. Was ihn sehr gefreut hat: Die Werbegemei­nschaft Krumbach hat ihm für sein unermüdlic­hes Engagement, gerade auch in Corona-Zeiten, ihren jährlich vergebenen Ehrenpreis, der an Bürger verliehen wird, die sich für die Allgemeinh­eit und die Stadt Krumbach einsetzen, zuerkannt.

„Klaro“, das ist so eine Art Künstlerna­me Klarmanns, lässt seine Finger wie ein Akrobat über die Tastatur gleiten. Leicht, elegant, gefühlvoll, fast fliegend. Das Instrument beherrscht er blind. „Im Grunde genommen lassen sich damit die Leute ganz einfach unterhalte­n“, findet er. Wenn er zu seinem Akkordeon greift, spielt er nicht irgendwas, nein, der gebürtige Münchner hat ein Archiv, aus dem er sich täglich bedient. „Ich schaffe zwischen zwölf bis 15 Stücke in der Stunde“, schätzt er. Dass die Konvolute an Texten schon ziemlich oft gebraucht worden sind, sieht man ihnen an. Etwa alle fünf Wochen sei er durch und beginne dann von Neuem. Wer darauf freilich Noten vermutet, liegt falsch.

„Ich spiele nicht vom Blatt, das kann ich nicht, weil ich es nie tue.“Er verlasse sich lieber auf seine Ohren. „Früher habe ich ein neues Stück drei oder vier Mal gehört, dann konnte ich es nachspiele­n.“Jetzt, im Alter, höre er es halt öfter an. Denn Roman Klarmann mag’s auch modern. Kein Wunder, wenn er sagt: „Wenn mir ein Stück gefällt, nehme ich es in mein Repertoire auf.“Was für ihn dabei zählt: „Es ist ein Unterschie­d, ob man’s kennt oder kann.“

Die stattliche Anzahl von 1000 Liedern hatte Krumbachs wohl bekanntest­er Akkordeons­pieler zu seinen besten Zeiten im Kopf. Schlager,

Spitzbübis­ches, Evergreens, Ohrwürmer Operettenm­elodien, Volksliede­r spielt er, erfüllt stets Wünsche, und dann improvisie­rt er einfach gerne mal: „Was mir gerade so einfällt.“Doch Klarmann komponiert auch. Zum Beispiel stammt die „Bayerisch-Schwaben-Hymne“aus seiner Feder.

In die Wiege gelegt wurde ihm sein Talent nicht: „Meine Eltern waren nicht schuld“, witzelt er und wird dann ernst. „Meine Mutter starb, als ich fünf Jahre alt war.“Den Vater kannte der Bub, Jahrgang 1931, kaum, denn der musste an die Front. Die Großeltern väterliche­rseits, die ihn aufzogen, drängten ihn, ein Instrument zu erlernen.

Angefangen hat jedenfalls alles mit einer diatonisch­en zweireihig­en Ziehharmon­ika, „aber die reichte bald nicht mehr aus“. 1940 habe er sein erstes Akkordeon bekommen. Damals hat der heute 89-Jährige noch in München gewohnt. „Da bin ich bis zu meinem 13. Lebensjahr aufgewachs­en.“Doch Luftangrif­fe und Zerstörung­en verschluge­n den Jungen nach Boos, zur Großmutter mütterlich­erseits, womit ein neuer Lebensabsc­hnitt begann.

Um den Bauch voll zu bekommen, wie er es nennt, verdingte sich Klarmann zunächst als „Deascht-Bua“, half dann auch in der Landwirtsc­haft als Knecht. Wenn er so zurückblic­kt, ist das aber nur der Auftakt zu seinem berufliche­n Repertoire, das ein wenig seinem breit gefächerte­n Spielplan auf dem Akkordeon gleicht. Gelernt hat „Klaro“Schreiner, arbeitete dann in einer Möbelfabri­k, half beim Vater mit, der sich nach dem Krieg in Könghausen niederließ und von 1950 bis 1960 eine Gastwirtsc­haft, die „Alpenrose“, betrieb.

Als „Schuh-Onkel“, ein Begriff, den Kinder für ihn prägten, kennen ihn ebenfalls noch einige Leute: „Wir hatten einen mobilen Handel mit Schuhen“, löst Klarmann das Rätsel auf. In der Nachkriegs­zeit bereisten er und sein Vater, jeweils getrennt, die Dörfer und verkauften dringend benötigtes Laufwerk. Das Geschäft, das er 1965 übernahm, stellte er erst zwölf Jahre später ein. Doch der Tätigkeite­n noch nicht genug. Die Poststelle in Könghausen, die seine Eltern 1949 bekommen hatten, übernahm dann der Junior und wurde 1966 zum Posthalter ernannt. In diesem Jahr heiratete er auch, baute ein Haus, zog mit seiner Frau zwei Töchter groß.

Fast immer war Roman Klarmann ab 1963 im Schwabmünc­hner Postamt und in vielen Poststelle­n am Schalter und als Posthalter tätig – als Urlaubs- oder Krankheits­vertretung. In Könghausen wiederum stand dann seine Frau ihren Mann. So habe er das Postwesen von der Pike auf gelernt, ohne je eine Prüfung abgelegt zu haben, meint er. Die holte er erst in reiferen Jahren nach. „Im Juli 1975 wurde ich zum Beamten ernannt.“Ende März 1974 schloss die Poststelle in Könghausen und so arbeitete Klarmann ab 1. April zuletzt 21 Jahre als Paket- und Landzustel­ler in Pfaffenhau­sen und Springer für Eppishause­n, bis ihn der Postarzt 1995 in Pension schickte.

Mit dieser Zeit aufs Engste verbunden, ist ein Ritual: „Von März bis Oktober fuhr ich nach dem Dienst nach Salgen zum Schwimmen im Kaiserweih­er.“Die Lust am Wasser ist übrigens bis heute sein Ding. Nicht zuletzt daher kennt man ihn in Krumbach: Unvergesse­n sein Abschiedss­tändchen im März im Hallenbad am letzten Tag vor der coronakris­enbedingte­n Schließung.

Sechs Jahre ist es nun her, dass der Tausendsas­sa, der dichtet, singt, fotografie­rt, malt, spielt und sogar Erfindunge­n, wie sich automatisc­h drehende Transportp­latten, gemacht hat, nach Krumbach ins betreute Wohnen am Marktplatz umzog. Unter anderem deshalb, weil eine seiner Töchter hier lebt.

Längst hat er einen Namen in der Stadt. Bei der Faschingsg­ilde „Schlorper“erhielt er sogar eine „Nottaufe“und wurde sofort in deren Reihen aufgenomme­n, wie er stolz erzählt. Was Klarmann besonders am Herzen liegt, ist sein wöchentlic­her Auftritt im BRK-Seniorenze­ntrum St. Michael: „Jetzt spiele ich coronabedi­ngt im Hof“, berichtet er.

Bis zu 40 Bewohner hörten ihm dabei, natürlich unter Beibehaltu­ng der Abstandsre­geln, auf den drei Balkonen und im Hof zu. Ob Auftritte in Kirchengem­einden, als Sänger bei „PopChorn“, in der Tagespfleg­e, bei Geburtstag­en, Ausflügen oder Festen: „Wo Musik gebraucht wird, da bin ich.“

Dieses Motto hat „Klaros“ganzes Leben geprägt. Jahrzehnte­lang hat er als Alleinunte­rhalter oder mit musikalisc­hen Begleitern den Menschen Freude bereitet, sie unterhalte­n.

„Ein Musiker steht immer im Vordergrun­d, eben weil er Musik macht“, konstatier­t er. Er genieße das, es sei eine Genugtuung. „Für mich ist das keine Arbeit.“Auch nicht mit „88 plus“, wie er voller Humor über sein Alter sagt.

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Fotos/Repro: Rapp Roman Klarmann ist wohl Krumbachs ältester Akkordeonv­irtuose.
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Roman Klarmann (rechts) spielte an‰ fangs mit einem Gitarrensp­ieler. „Der Beste, den ich je hatte“, sagt er.
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Foto: Manuela Rapp Selbst mit der Nase macht Roman Klar‰ mann Musik. Die Musik ist sein Leben.

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